
Interview mit Jael
Dajan:
"Wir hatten nicht wirklich
Alternativen"
Interview Susanne Knaul
taz: Frau Dajan, der
Wahlausgang übertrifft die düstersten Erwartungen. Was ist schief
gelaufen?
Jael Dajan:
Es ist klar, dass die letzten zwei Jahre nicht hilfreich waren, vor
allem mit Blick auf die Aussichtslosigkeit des Kampfes gegen den
Terror. Die Angst hat den Ausschlag gegeben. Scharon ist es
gelungen, und das ohne jede Grundlage, beim Wähler das Gefühl zu
erzeugen, dass ihm in dieser Hinsicht mehr zu vertrauen sei als
anderen.
Wo hat die Linke und vor
allem Meretz versagt?
Was sollten wir tun? Sagen, dass uns
der Frieden jetzt nicht mehr interessiert und die erneute Besatzung
propagieren? Wir hatten nicht wirklich Alternativen.
War es ein Fehler, die
Kampagne der Meretz auf die Wähler der Arbeitspartei zu
konzentrieren?
Das war ganz natürlich, schließlich
standen wir im Wettbewerb zueinander, vor allem, nachdem die
Arbeitspartei Teil der großen Koalition war. Wäre sie in der
Opposition gewesen, hätte sich ein komplett anderes Bild ergeben.
Die Arbeitspartei hat versucht, eine Opposition innerhalb der
Regierung zu bilden, so etwas ist nicht möglich. Der schwere Schlag,
den die Linke einstecken musste, ist darauf zurückzuführen.
Halten Sie den Rücktritt
von Meretz-Chef Jossi Sarid für begründet?
Ich habe sehr versucht, ihn zu einem
Überdenken dieser Entscheidung zu motivieren, aber es sieht nicht so
aus, dass er das tut. Er wird aber Abgeordneter bleiben.
Jossi
Sarid kündigte am Dienstag seinen Rücktritt als Parteivorsitzender
an. Meretz verlor in den Wahlen deutlich und hält nunmehr sechs
(zuvor zehn) Sitze.
Foto: A. Übelhack
Wird sich Meretz ohne
Sarid, der immer als sehr sicherheitsorientiert galt und
beispielsweise einen einseitigen Abzug aus dem Libanon ablehnte,
stärker nach links bewegen?
Es gibt nichts links von Meretz. Selbst
die Arbeitspartei ist links - die Nuancen sind gering. Ob
Sicherheitspolitiker oder nicht, das ist nebensächlich.
Sie traten schon lange vor
den parteiinternen Wahlen der Arbeitspartei für die Gründung eines
sozialdemokratischen Blocks ein, bestehend aus Politikern der linken
Fraktionen. Wie stehen die Chancen auf eine gemeinsame Liste von
Arbeitspartei und Meretz?
Es steht außer Frage, dass es jetzt
darum geht, die Kräfte zu vereinen. Wir sind einen Tag nach den
Wahlen. Diese Dinge werden sich in naher Zukunft klären.
Sie fangen doch nicht heute
erst an, darüber nachzudenken.
Das ist richtig. Wir sind seit einigen
Monaten dabei, über die Gründung einer neuen Liste, die alle
Mitte-links-Fraktionen einschließen würde, nachzudenken. Dennoch
sind wir noch weit weg von einer konkreten Organisation. Ich kann
mir nicht vorstellen, dass das in den kommenden Tagen Thema sein
wird.
Glauben Sie, dass die
Arbeitspartei komplett zu mobilisieren ist, oder steht hier
möglicherweise eine Spaltung bevor?
Ich weiß nicht, was das jetzt heißt,
die "ganze Arbeitspartei". Die Arbeitspartei weiß das selbst nicht.
Es ist nicht klar, ob sie doch einer großen Koalition zustimmen wird
oder nicht.
Ist die Schinui
potenzieller Partner?
Es ist zu früh, darüber nachzudenken.
Wir wenden uns natürlich an alle. Aber Meretz ist schwächer, als wir
hofften. Wir hatten allerdings ohnehin nicht vor, den noch zu
gründenden Block anzuführen, wir wollen Teil von ihm sein.
Was ist mit den arabischen
Parteien?
Die sozialdemokratische Partei wird
eine zionistische sein, nicht zuletzt um eine Alternative zum Likud
zu bieten. Damit ist sie für die arabischen Fraktionen nicht
akzeptabel.
Wie sehen Sie die nahe
Zukunft unter einer rechtsnationalen Regierung?
Ich bin sicher, dass Scharon alles
unternehmen wird, um nicht mit den rechten und religiösen Parteien
allein zu bleiben. Eine rechtsnationale Regierung wäre das "worst
case scenario".
Könnte ein Krieg gegen den
Irak die Entwicklungen in Israel beeinflussen?
Ohne Zweifel, wenngleich nur sehr
temporär. Vielleicht für zwei Wochen oder einen Monat. Eine
Notstandsregierung ist in der Regel von vornherein zeitlich
beschränkt und dient dem einen Zweck, Entscheidungen zu treffen, die
ausschließlich die Sicherheit der Staatsbürger betreffen. Vorläufig
wissen wir aber noch nicht einmal, ob es überhaupt einen Krieg geben
wird.
Sie haben den Einzug ins
Parlament nicht geschafft. Was tun Sie jetzt?
Ich werde mich vor allem mit der
Gründung der sozialdemokratischen Partei beschäftigen, Bücher
schreiben und mich all den Problemen widmen, die für mich auch als
Abgeordnete wichtig waren."
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30-01-2003 |