
"Eine Gefahr für die Demokratie":
Wahlkommission verbietet zwei arabischen Israelis die
Kandidatur
Von Thorsten Schmitz
Die Parlamentswahl in Israel wird zusätzlich zum schwelenden
Bestechungsskandal im Likud von umstrittenen Entscheidungen der Wahlkommission
überschattet. Das Gremium setzt sich entsprechend der Fraktionsstärke aus allen
in der Knesset vertretenen Parteien zusammen. Es verbietet oder genehmigt in
diesen Tagen die Kandidatur einzelner Politiker oder ganzer Parteien.
Die jüngsten Entscheidungen der Wahlkommission, in der rechte und
religiöse Parteien dominieren, haben eine heftige Kontroverse in Israel
ausgelöst. Am Neujahrstag rief Präsident Mosche Katzav alle Parteien zur
Besonnenheit auf: Er hoffe, dass die Entscheidungen der Kommission die
arabischen Israelis nicht vom jüdischen Staat entfremdeten. Womöglich kommt der
Appell zu spät: Arabische Israelis rufen bereits zum Wahlboykott auf.
In den letzten drei Tagen verfügte das Gremium, dass die
arabischen Knesset-Abgeordneten Ahmed Tibi sowie Asmi Bischara und seine Balad-
Partei nicht für die Knesset kandidieren dürfen. Als Begründung für die Verbote,
gegen die Tibi und Bischara umgehend vor dem Obersten Gerichtshof in Jerusalem
Einspruch erhoben, wird deren Unterstützung für die Intifada genannt. Tibi,
früher Berater von Jassir Arafat, hält bis heute Kontakt zum
Palästinenser-Präsidenten und zu Fatah-Führer Marwan Barguti, der sich seit
mehreren Monaten in israelischer Haft befindet. Arafat und Barguti aber sind
nach Auffassung der Wahlkommission die Dirigenten der gegen Israel gerichteten
Intifada. Zudem heiße Tibi den Aufstand der Palästinenser gut und spreche Israel
das Existenzrecht ab.
Ähnlich argumentiert das Gremium im Fall Bischara. Die Kommission
verweist auf eine Rede Bischaras im Sommer in Damaskus, die im Fernsehen
ausgestrahlt wurde und in der er die Gewalt der Palästinenser gerechtfertigt und
die Angriffe der Hisbollah verteidigte. Sowohl Tibi als auch Bischara, die unter
Israels Arabern über große Popularität verfügen, weisen die Vorwürfe zurück.
Allerdings bleiben sie diffus und vage, wenn sie aufgefordert werden, die Gewalt
generell zu verurteilen. Stattdessen erklärte Bischara am Mittwoch, das
palästinensische Volk habe das Recht, sich gegen eine fremde Besatzungsmacht zu
wehren.
Die Verbote der Wahlkommission könnten weitreichende Folgen
haben: Mehr als 17 Prozent der 1,1 Millionen arabischen Israelis sind
wahlberechtigt. Auch ihr Boykott vor zwei Jahren hatte Scharon zum Sieg
verholfen. Die israelischen Araber hatten Ehud Barak die Unterstützung
verweigert, weil dessen Polizeikräfte zu Beginn der Intifada 13 israelische
Araber erschossen hatten. Nun befürchtet der Spitzenkandidat der Arbeitspartei,
Amram Mitzna, dass Israels arabische Bevölkerung auch ihm die Unterstützung
verweigert. Bisher hatte sich Mitzna den israelischen Araber als Alternative zu
Scharon angeboten und auf seine Erfolge als Bürgermeister von Haifa verwiesen,
einer Stadt, in der Araber und Muslime seit Jahren in relativer Harmonie
miteinander leben.
Vertreter linker Parteien bewerten die Entscheide der
Wahlkommission als "Gefahr für die Demokratie" und empören sich, dass die
Kandidatur Baruch Marzels von der rechtsextremen Herut-Partei erlaubt worden
ist. Marzel führte einst die rassistische Kach-Bewegung, die in Israel verboten
wurde, nachdem einer ihrer Anhänger 1994 nahe Hebron im Westjordanland 29
Palästinenser beim Beten erschossen hatte. Obwohl Marzel bis heute den Transfer
der Palästinenser öffentlich propagiert, in jedem Nicht-Juden eine Gefahr für
Israel sieht und trotz Verbots eine Art Untergrund-Kach-Bewegung leitet, darf er
für die Knesset kandidieren.

hagalil.com
02-01-03 |