Wahlen
zur Kneseth - 28.Januar 2003
Miflagoth:
Parteien in Israel
Parlamentswahlen in Israel:
Auf wen setzen die Araber?
Interview: Heiko Wimmen, Tamra
Junge Welt, 20.01.2003
jW sprach mit As'ad Ghanem, Professor
für Politologie an der Universität Haifa und Kodirektor der (jüdisch-arabischen)
Organisation Sikkuy, die sich für die Gleichberechtigung von Arabern und Juden
in Israel einsetzt
F: Welchen Einfluß haben die arabischen Bürger Israels auf den
Ausgang der Knesset-Wahlen am 28. Januar?
Die Polarisierung der israelischen Politik in rechts und links
hat zur Folge, daß ethnisch definierte Gruppen den Ausschlag für den Wahlausgang
geben könnten – wie etwa die Parteien der Russen, der orientalischen Juden und
nicht zuletzt wir Araber. Die israelischen Araber sind die einzige ethnische
Gruppe, die bisher geschlossen hinter der Linken stand, und sie stellen etwa ein
Sechstel der israelischen Wähler. Ohne die Unterstützung der Araber hat die
Linke keine Chance.
F: Weshalb dann Ihre Forderung nach einem Wahlboykott?
Weil viele unserer arabischen Mitbürger von den israelischen
Linksparteien schlicht die Nase voll haben. Schon Yitzhak Rabin hat die
arabischen Stimmen nur benutzt, um an die Macht zu kommen und in der Folge
keinerlei wirkliche Partizipation zugelassen. Ehud Baraks Wahlsieg über Benjamin
Netanjahu war allein durch die arabischen Stimmen möglich, und dennoch wurden in
seiner Amtszeit 13 arabische Bürger bei Demonstrationen von der Polizei
erschossen. Viele Araber wollen durch den Boykott die Linksparteien für ihr
illoyales Verhalten bestrafen.
F: Ebnen Sie mit dem Boykott nicht aber den Weg für eine
Wiederwahl Ariel Scharons?
Wenn ich mir etwa Baraks Bilanz anschaue, habe ich so meine
Zweifel, daß eine Regierung der Arbeitspartei zwangsläufig besser für uns wäre
als der Likud unter Scharon. Außerdem hat die Boykottkampagne eine neue
Qualität: Neben dem Wahlboykott wird auch der Aufbau unabhängiger Strukturen und
ein Parlament für die Araber in Israel gefordert. Wir sind eine Minderheit
innerhalb des israelischen Staates, und in der ganzen Welt verlangen und
erhalten Minderheiten das Recht auf Selbstverwaltung in Bildung und Kultur sowie
die Wahl ihrer eigenen Führung. Es geht uns nicht um die Abspaltung von Israel,
sondern um die Gleichstellung im Rahmen der israelischen Staatsbürgerschaft.
F: Haben Sie die Hoffnung auf Gleichstellung der Araber innerhalb
des politischen Systems bereits aufgegeben?
Jedem Araber, der politisch denkt, ist klar, daß unsere Situation
nicht aus der Knesset heraus verändert werden kann, wo gerade einmal zehn Araber
110 Juden gegenübersitzen. Alle jüdischen Parteien, darunter auch die
Linksparteien, sind sich einig, daß Israel ein jüdischer Staat sein soll und
Araber keinen Anspruch auf wirkliche Gleichberechtigung haben dürfen.
F: Auf mehr Autonomie zu drängen muß aber doch nicht notwendig
mit einer Totalabsage an das bestehende parlamentarische System einhergehen.
Richtig. Eine neuere Umfrage hat so auch ergeben, daß 70 Prozent
der Araber die Etablierung unabhängiger Institutionen unterstützen und daß sich
gleichzeitig 70 Prozent für die Teilnahme an den Wahlen aussprechen. Dennoch
befürchte ich, daß die arabischen Abgeordneten in der Knesset alles daran setzen
werden, den Aufbau autonomer Institutionen zu verhindern, weil sie darin ihr
politisches Monopol bedroht sehen.
F: Spricht aber nicht für die Arbeitspartei, daß sie
Verhandlungen ohne Vorbedingungen und einen Rückzug aus den besetzten Gebieten
innerhalb eines Jahres versprochen hat?
Selbstverständlich spielt das eine Rolle. Wenn es eine reale
Chance gibt, daß der Spitzenkandidat der Arbeitspartei, Amram Mitzna, an die
Macht kommt und Verhandlungen mit Arafat beginnt, dann wird es eine hohe
Wahlbeteiligung unter den Arabern Israels geben. Allerdings wurde auch Barak mit
großen Hoffnungen gewählt, aber erst unter seiner Regierung hat die Katastrophe
begonnen, die wir heute erleben.
hagalil.com
20-01-2003 |