Atom-Spion soll laufend überwacht werden:
Israel fürchtet Vanunu
Von Thorsten Schmitz
Tel Aviv – Die israelische Regierung betrachtet
die für den 21. April geplante Freilassung des Anti-Atom-Aktivisten
Mordechai Vanunu mit großem Unbehagen. Das Massenblatt Jediot
Achronot bezeichnete das Haftende des ehemaligen Technikers im
israelischen Atomreaktor Dimona als "Alptraum für Israels
Sicherheitssystem".
In der Nacht zum Mittwoch einigten sich
Regierungschef Ariel Scharon, Justizminister Josef Lapid und die
Generalstaatsanwaltschaft darauf, Vanunu nach seiner Freilassung aus
Gründen zur Wahrung der Demokratie nicht unter Hausarrest zu
stellen. Allerdings soll der 49-jährige Vanunu, der 1986 zum
Christentum konvertierte, mit "legalen Mitteln überwacht werden".
Israelischen Medien zufolge sollen Vanunus Internet- und
Telefonanschlüsse überwacht werden. Auch soll er keine Interviews
geben dürfen.
Vor 18 Jahren hatte Vanunu mit der britischen
Sunday Times über Israels bestgehütetes Geheimnis geplaudert, das
Atomwaffenprogramm. Zusätzlich hatte Vanunu dem Blatt 60 Fotos vom
Inneren des Reaktors ausgehändigt. Geld soll Vanunu für seine
weltexklusiven Informationen nicht erhalten haben, allerdings hat
die Sunday Times mehrere zehntausend Dollar an Prozess- und
Anwaltskosten gezahlt.
Vor wenigen Tagen haben Mitarbeiter des
Geheimdienstes Vanunu in seiner Isolierzelle aufgesucht, um
herauszufinden, ob er Reue zeige. Offenbar tut er das nicht. In dem
dreistündigen Gespräch soll er sich "wenig kooperativ" gezeigt
haben. Andererseits ist die Sorge der israelischen Regierung, Vanunu
könnte ab dem 21. April weiteren Geheimnisverrat begehen,
unbegründet: Vanunu hat den Atommeiler in der Negev-Wüste vor 20
Jahren das letzte Mal gesehen, seine Kenntnisse über Israels
Atomwaffenprogramm dürften veraltet sein. Israel, das nicht zu den
Unterzeichnern des Atomwaffensperrvertrags gehört, äußert sich nicht
zu Behauptungen, es besitze und produziere Atomwaffen. Dass aber in
Dimona Plutonium hergestellt wird, ist spätestens seit Vanunus
Enthüllungen ein offenes Geheimnis. Die amerikanische "Vereinigung
unabhängiger Wissenschaftler" (FAS) bestätigt, dass Israel
Atomwaffen besitzt und in Dimona Plutonium für etwa 200 Sprengköpfe
produziert hat.
Der Aufwand, mit dem Vanunu 1986 mit Hilfe einer
Mossad-Agentin von London nach Rom gelockt und anschließend vom
israelischen Auslandsgeheimdienst nach Israel entführt wurde,
spricht dafür, dass Israel über Atomwaffen verfügen könnte. Seinem
Bruder, der ihn vor wenigen Tagen im Gefängnis in Aschkelon
aufsuchte, erklärte Vanunu, er wolle Israel schnellstens verlassen
und in den USA seinen Kampf gegen Atomwaffen fortsetzen – sollte
Israel nicht seinen Reisepass konfiszieren.
hagalil.com
26-02-04 |