Likud-Referendum:
Scharons Selbstüberschätzung
Hamburg (ots - FTD) - Machtinstinkt hat immer zu den
Stärken von Israels Premierministers Ariel Scharon gehört. Sicher
und leichtfüßig pflegt er sich für gewöhnlich im Dschungel der
Innenpolitik zu bewegen. Doch beim parteiinternen Referendum zum
Rückzug aus dem Gaza-Streifen hat sein Instinkt grandios versagt.
Scharon hat sich über- und seine Likud- Partei unterschätzt. Deren
Verbundenheit zur Siedlerbewegung ist ungebrochen. Die Hoffung im
Ausland - auch in Berlin - , dass der angekündigte Rückzug zumindest
Bewegung in den Friedensprozess bringen könnte, ist damit erst
einmal dahin.
Vor allem für die Amerikaner, die Scharons Initiative
unterstützt haben, bedeutet die Entscheidung ein Rückschlag. Das ist
umso ärgerlicher, da sich der Premierminister völlig ohne Not in die
Zwangslage gebracht hat. Er hätte seine Partei gar nicht befragen
müssen. Nachdem Washington Scharons Plan abgesegnet hatte, schlugen
sich seine wichtigsten parteiinternen Gegner ohnehin auf seine
Seite. Zudem ist es vom demokratischen Standpunkt gesehen
fragwürdig, knapp 200.000 Likud-Mitglieder über eine Frage abstimmen
zu lassen, die mehr als sechs Millionen Israelis und drei Millionen
Palästinenser betrifft. Wenn
Scharon nun erklärt, das Resultat des Referendums sei nicht bindend,
wird ihn das nur weiter schwächen. Einen Rücktritt aber hat er
abgelehnt. Lediglich auf internationaler Ebene steckt in der
Niederlage ein Sieg. Der allseits für die einseitigen Rückzugspläne
gescholtene Scharon steht nun plötzlich als "Taube" dar. Denn seine
Pläne waren offenbar so revolutionär, dass die Falken-Fraktion des
Likud sie blockieren musste.
ots / Financial Times Deutschland
hagalil.com
04-05-2004 |