Pipeline zum Toten
Meer:
Lieber rot als tot
Von Thorsten Schmitz
Jerusalem - Das zwei Millionen Jahre alte Tote
Meer gehört zu den faszinierendsten Regionen in Israel und
Jordanien. In dem Gebiet sind Leoparden zuhause, vom Aussterben
bedrohte Vogelarten und seltene Pflanzen. Das Meer liegt 411 Meter
unter dem Meeresspiegel und ist der tiefstgelegene Punkt der
Erdoberfläche. Es ist Juden, Christen und Muslimen gleichermaßen
heilig. Das Tote Meer liegt nahe der Stelle, wo Jesus getauft worden
sein soll, nahe dem Berg Nebo, von wo aus laut Bibel Moses das
gelobte Land sah, und nahe der Kerak-Festung, wo muslimische Krieger
um 1100 christliche Kreuzritter besiegt haben sollen.
Jedes Jahr kommen Zehntausende von Hautkranken in
die wüstentrockene Region, um im Toten Meer mit seinem sehr hohen
Salzgehalt Neurodermitis, Schuppenflechte oder andere chronische
Hautkrankheiten auszukurieren. Die Touristen sind die
Haupteinnahmequelle der Region um das Meer, wo große Hotelketten
Dependancen errichtet haben. Das Sonnenbaden wird am Toten Meer von
Hautärzten sogar empfohlen, da das Licht aufgrund der Lage tief
unter dem Meeresspiegel kaum noch schädliche UV-Strahlen enthält,
Sonnenbrände also ausgeschlossen sind. Das Bad im Toten Meer ist ein
Erlebnis: Wegen des 33- prozentigen Salzgehalts (Mittelmeer: drei
Prozent) ist Schwimmen unmöglich, man kann nur im Wasser wie auf
einer Liege sitzen und sich treiben lassen.
Aber das Tote Meer liegt im Sterben. Wenn nichts
geschieht, trocknet es bis etwa 2050 aus. Das türkis-blaue Wasser,
in dem es keine Fische und keine Organismen gibt und das die
natürliche Grenze zwischen Israel und dem Westen Jordaniens bildet,
verdunstet rasend schnell. Jedes Jahr sinkt der Meeresspiegel um
einen Meter. Das liegt zum einen am ofenheißen Klima: Im
Jahresdurchschnitt regnet es in der Wüste ein-, höchstens zweimal.
Die Austrocknung wird aber auch von Menschenhand verursacht:
Gespeist wird das Tote Meer aus dem Jordan, der im Norden ins Toten
Meer fließt. Doch Israel pumpt das meiste Süßwasser des Flusses
schon vorher ab für Agrarwirtschaft und Trinkwasser, so dass nur
noch ein Rinnsal ins Tote Meer plätschert. Zudem befinden sich im
Süden des Meeres große Firmen, die aus dem Toten Meer Mineralien wie
Salz und heilenden, dunkelgrauen Schlamm baggern. Die jordanische
Seite mussten bereits 3000 Anwohner verlassen, weil ihre Häuser den
austrocknenden Ufern nicht Stand hielten.
Die Umweltminister der Anrainerstaaten Israel und
Jordanien haben nun auf dem UN-Gipfel in Johannesburg ein Projekt
zur Rettung des Toten Meeres unterzeichnet. Beide Länder, die 1994
einen Friedensvertrag unterzeichnet haben, wollen den 800 Millionen
Dollar teuren Bau einer 320 Kilometer langen Pipeline finanzieren,
durch die Wasser aus dem Roten Meer in das nördlich gelegene Tote
gepumpt werden soll. Das "Read-Dead-Projekt" soll von mehreren
Staaten mitfinanziert werden, darunter auch Deutschland. Bisher,
heißt es aus dem Jerusalemer Ministerium für regionale Kooperation,
hätten außer europäischen Staaten auch Japan und die Weltbank Geld
für die Finanzierung in Aussicht gestellt. Beginn für den zwei- bis
dreijährigen Bau der Pipeline könne schon in neun Monaten sein,
sobald Studien über deren Verlauf beendet sind. Jordanien und Israel
stellen das gemeinsame Projekt nach fast zwei Jahren
Palästinenser-Intifada auch als Hoffnung für die Überwindung von
Grenzen und Gegensätzlichkeiten dar.
Jordaniens Umweltminister Bassem Awadallah sagte
bei der Unterzeichnungszeremonie in Johannesburg: "Das Projekt
zeigt, dass wir in einer Region mit gemeinsamem Schicksal leben."
Sein israelischer Kollege Roni Milo hofft, dass die Pipeline ein
Zeichen setzen werde für die Bildung guter Beziehungen zwischen
Israel und den arabischen Anrainerstaaten.
hagalil.com
03-09-02 |