hebraeisch.israel-life.de / israel-tourismus.de / nahost-politik.de / zionismus.info
Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
 
Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

Jüdische Weisheit
Hymne - Israel
Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!
Advertize in haGalil?
Your Ad here!

Hapoel Bnei Sachnin:
Siegeshymnen unter falscher Flagge

Die israelischen Araber sitzen zwischen allen Stühlen - aber jetzt stellen sie die erfolgreichste Fußballmannschaft des Landes

Von Thorsten Schmitz

Sachnin, im August - Es ist leichter, einen Termin beim Bürgermeister von Sachnin zu bekommen, als einen mit dem Manager der ortsansässigen Fußballmannschaft zu vereinbaren. Die Sekretärin des Bürgermeisters nennt bereitwillig die Handynummer ihres Chefs Mohammed Baschir, obwohl der doch im Urlaub weilt. Für das Gespräch mit der deutschen Tageszeitung ist Baschir sofort bereit, seinen Urlaub zu unterbrechen, "wann immer Sie wollen".

Einen Tag später schon sitzt der Bürgermeister in luftiger Urlaubskluft dem Reporter in seinem Amtszimmer gegenüber. Die Stadtverwaltung ist verwaist, immer im August macht sie für zwei Wochen dicht. Der Bodyguard des Bürgermeisters schüttet süßen Grapefruitsaft in weiße Plastikbecher, und schon beginnt der 47-jährige Baschir im Stakkato die Probleme von Sachnin aufzuzählen, der 25 000 Einwohner zählenden Heimat israelischer Araber. Später, beim Durchblättern der Aufzeichnungen, schrumpft das Gespräch auf die Tatsache zusammen, dass der Bürgermeister in Wahrheit ein Mangelverwalter ist. Baschir skizziert vor gerahmten Fotos von Regierungschef Ariel Scharon und Staatspräsident Mosche Katzav ein ganz düsteres Bild von Sachnin, fast, muss man sagen. Denn übertüncht werden die Probleme der Stadt im Norden Israels seit dem 18. Mai von einer Erfolgsgeschichte. Die wiederum ist verantwortlich dafür, dass der Präsident der ortsansässigen Fußballmannschaft keine Zeit findet für ein persönliches Gespräch.

Der Mann heißt Mazen Ganayem, ist genauso alt wie der Bürgermeister, aber seit dem 18. Mai gefragter als das Stadtoberhaupt. An jenem 18. Mai gelang es seinem Team, den Jungs von "Hapoel Bnei Sachnin", den nationalen Pokal zu gewinnen. Erstmals in der Geschichte Israels vertritt nun eine arabische Elf beim UEFA-Cup den jüdischen Staat - also das Land, in dem Araber zwar ein Fünftel der Bevölkerung stellen, aber bis heute als Bürger zweiter Klasse behandelt werden.

Die Freude in Israel, unter den 1,2 Millionen Arabern und den fünf Millionen Juden, war doppelt groß, denn das Team aus Sachnin ist auf eine gewisse Art die Verwirklichung einer Sehnsucht, eines Traums: In der Mannschaft von Bnei Sachnin spielen Araber, Juden und Christen den Frieden vor, zu dem die Politiker nicht imstande sind. Wenn der jüdische Trainer Anweisungen auf Hebräisch brüllt, übersetzt der arabische Teamchef ins Arabische und Englische.

Die Chefredakteure der Massenblätter Maariv und Jediot Achronot waren so trunken vor Freude über die positive Nachricht in einem an negativen Nachrichten reichen Land, dass sie die Layouter baten, den Sieg Sachnins mit arabischen Schriftzeichen auf den Titelseiten zu feiern.

Seit dem Sieg steht das Telefon von Mazen Ganayem nicht mehr still. Zu Hause klingelt es unablässig, seine Frau Rasmeih hebt schon gar nicht mehr ab. Von morgens bis spät nachts klingelt auch das Handy des Vereinspräsidenten. Das Problem ist nur, dass er zwar ständig antwortet, aber sich nicht festlegen will. Eine ganze Woche telefoniert der Reporter dem König von Sachnin hinterher, als den ihn die Kinder auf den staubigen Straßen titulieren, bis man einen Tag und eine Stunde findet für ein Treffen im Wohnzimmer der Ganayems. Es ist später Nachmittag und der Vereinspräsident hat unser Treffen vergessen. Seit dem frühen Morgen hat er fünf Sponsoren-Termine absolviert, dazwischen bei einem Mittagessen mit zwei afrikanischen Spielern über die Zukunft im Team sinniert, dem außer den Männern aus Kamerun und Guinea noch ein Spieler aus Brasilien und einer aus Polen angehören sowie 14 Araber und sieben Juden. Mazen Ganayem bettelt unermüdlich das Jahresbudget in Höhe von rund zwei Millionen Euro zusammen, das zum geringsten Teil aus staatlichen Mitteln besteht und zum großen Teil aus einem Werbevertrag mit einer Handyfirma und Fernsehlizenzen. Jetzt ist er einfach nur noch todmüde und hat sich auf dem Sofa flachgelegt. "Tschuldigung", sagt er und strahlt aus müden braunen Knopfaugen. Der jüngste Sohn Magsch, der selbst mal Fußballer werden will, klebt an Papas Seite und spielt dabei Gameboy. Die Gattin holt frisches Obst und versinkt wortlos am Fernseher in eine Soap-Opera.

In der Siegesnacht hat Ganayem kein Auge zugetan, die Straßen in Sachnin waren bis zum Morgengrauen verstopft mit Autos und Menschen, aus allen Restaurants und Cafés schallte Freude. In dieser Nacht begann das ununterbrochene Klingeln von Mazen Ganayems Handy. Nur eine halbe Stunde, nachdem er den Pokal in Empfang genommen hatte, meldete sich Regierungschef Ariel Scharon am Apparat. Er gratulierte dem Vereinspräsidenten und sprach davon, wie schön der Sieg Israel zu Gesicht stehe, woraufhin Mazen Ganayem sich zwar artig bedankte, aber dann doch nicht zu sehr beeindruckt war, um eine drängende Frage loszuwerden. Auch er freue sich über den Sieg, sagte er, der hauptberuflich als Malermeister seine Familie ernährt, aber ob es nicht unfair sei, dass der Staat Israel kein Geld aufbringe für den Bau eines Stadions. Die Fußballer von Sachnin müssen nämlich alle Heimspiele in Leih-Stadien absolvieren, und auch das Auftaktspiel an diesem Donnerstag um den UEFA-Cup gegen den albanischen FK Partizani muss in einem Stadion nahe Tel Aviv stattfinden, drei Autostunden entfernt von der Heimat des Gewinnerclubs.

Scharon versprach drei Millionen Schekel (etwa 700 000 Euro), um das C-Liga-Stadion in Sachnin auszubauen, das weder über Rasen und Sitzplätze noch über Umkleidekabinen verfügt. Aber erstens sind die drei Millionen Schekel bis heute nicht in Sachnin angekommen (genauso wenig die versprochene Spende der arabischen Brüder aus Katar). Und zweitens, wie der gläubige Muslim Mazen Ganayem vom Wohnzimmersofa aus sagt, "sind zwei Millionen Schekel einfach 20 Millionen Schekel zu wenig". Zum Vergleich nennt er das Budget des (jüdischen) Fußballvereins in Tel Aviv: 40 Millionen Schekel. Der Bürgermeister von Sachnin hatte beim Interview geseufzt: "Es ist ganz einfach so, dass wir Araber zwar auf dem Papier dieselben Rechte und Pflichten haben wie die Juden, aber tatsächlich werden wir als zweitklassig behandelt."

Die Juden in Israel sind in erster Linie Juden. Sind die Araber dagegen Israelis? Palästinenser? Muslime? Christen? Die arabische Welt verachtet die israelischen Araber als Kollaborateure, die meisten Juden in Israel wollen mit ihnen nichts zu tun haben. Israelische Araber sitzen zwischen allen Stühlen, seit Beginn der Intifada erst recht. Sollen sie mit dem Aufstand der Palästinenser sympathisieren? Oder loyal sein gegenüber Israel? Manche Araber haben palästinensischen Terroristen bei Attentaten gegen Israelis geholfen, weshalb den Jungs von "Bnei Sachnin" bei Spielen in Jerusalem von der Zuschauertribüne oft ein vielfaches "Tod den Arabern" entgegenschallt.

Über all diesen Fragen schweben der Tod der 13 israelischen Araber, die auf Solidaritäts-Demonstrationen von (jüdischen) Polizisten erschossen wurden, sowie die Tatsache, dass in Israel nur fünf Prozent aller Beamten Araber sind und nur ein Prozent aller Dozenten Araber.

Die Ungleichbehandlung sieht man auch in Sachnin. Die Hauptstraße besteht aus Schlaglöchern, besitzt keine Trottoirs, die Abwasser- und Frischwasserrohre sind porös, 40 Prozent der Haushalte Sachnins sind nicht ans Abwassernetz angeschlossen, die Schulklassen in Sachnin bestehen aus 40 und mehr Schülern, und jeder Fünfte ist arbeitslos. Es gibt keine Parks, keine Bäume im Stadtgebiet, und wenn der Wind von den umliegenden Hügeln peitscht, wird der Staub aufgewirbelt und in die massenhaften Hochzeitskleiderläden gepustet.

Der 29 Jahre alte Verteidiger Nidal Schalata steht auf der Hauptstraße vor einem dieser Hochzeitsläden, an dessen üppigen Kleidern sich seine Tochter nicht satt sehen kann. Die Mannschaft sei nach einem Trainingsaufenthalt in Belgien "top", aber "natürlich werden wir den UEFA-Cup nicht gewinnen". Vielleicht, hofft er, trage der Sieg seines Teams dazu bei, das Ansehen israelischer Araber zu verbessern. "Israel erlaubt uns, unsere Beine zu benutzen. Vielleicht kriegen wir jetzt auch mal die Chance, unsere Gehirne einzusetzen?"

Ansichten aus Israel

hagalil.com 13-08-04

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved