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Widerstand gegen Ariel Scharon:
Der Siedlervater und seine rebellischen Kinder

Fanatische Gegner eines Gaza-Rückzugs erzeugen ein Klima der Gewalt und bedrohen sogar das Leben des Premierministers

Von Thorsten Schmitz

Jerusalem - Israels Regierungschef Ariel Scharon ist das Kunststück gelungen, in den vergangenen Monaten eine Mehrheit für den Abzug aus dem Gaza-Streifen um sich zu scharen. Das Problem dabei ist nur, dass er keine Mehrheit in seiner politischen Heimat besitzt. Seine Klientel, die jüdischen Siedler, wollen mit allen Mitteln den Abzug der 8500 Siedler aus dem Gaza-Streifen und dem Westjordanland verhindern. Mitte der Woche erklärten Siedlersprecher, sie verfügten nun über ein "Widerstands-Komitee", das aus mehr als 100 000 Menschen bestünde. Diese würden sich "wie Kartoffelsäcke" einfach auf den Boden des Gaza-Streifens setzen - und so eine Räumung durch israelische Soldaten und Polizisten verhindern.

Selbst die Ankündigung von Scharons Bürochef Dov Weissglas, dass ab dem 20. Juli im Gaza-Streifen weder Tankstellen geöffnet seien noch die Siedlungen mit Strom versorgt würden, schreckt die dortigen Bewohner - von denen ein großer Teil aus den USA kommt - nicht. In den vergangenen Monaten wurden nach Angaben der israelischen Friedensgruppe "Peace now" in manchen Siedlungen sogar neue Treibhäuser oder Wohnhäuser errichtet. Zugleich zogen dutzende Siedler in den Gaza-Streifen.

Ruf nach dem Volk

Allgemein wird in Israel mit einem heißen Sommer gerechnet. Die Siedler fordern ein Referendum des israelischen Volkes, obwohl das zu zwei Dritteln für die Gaza-Aufgabe ist. Sie wollen mit einer Volksbefragung den Abzug hinauszögern. Fast jede Woche werden Straßenkreuzungen von jungen Siedlern blockiert, vergangene Woche wurden zehn Polizisten verletzt, als die Aktivisten die Hauptzufahrtsstraße nach Jerusalem versperrten. Andernorts werden Reifen in Brand gesetzt und auch Polizistinnen nicht verschont: Eine Beamtin, die demonstrierende Siedler-Jugendliche von einer Straße abdrängen wollte, musste in ein Krankenhaus gebracht werden, weil ihr Brustbein durch den Tritt eines jungen Siedlers gebrochen war. In einem Interview vom Krankenbett aus sagte die Polizistin: "Was mich am meisten verletzt hat, ist, dass sie mich Nazi genannt haben."

Schon jetzt mehren sich die Anzeichen, dass es bei friedlichen Widerstandsmethoden nicht bleiben wird. Der scheidende Inlandsgeheimdienstchef Avi Dichter warnte letzte Woche vor einer kleinen Gruppe von Fanatikern, die von der Mehrheit der Siedler unterstützt werde. In den Zirkeln der fanatischen Gruppe würden Szenarien durchgespielt - auf evakuierende Soldaten zu schießen, den Felsendom oder die Al-Aksa-Moschee auf der Esplanade des Tempelbergs in die Luft zu sprengen, um so einen Krieg mit den Muslimen heraufzubeschwören, oder Scharon zu töten. Allenthalben wird dieses Szenario in den Medien, in den Sicherheitskreisen und in der Regierung durchgespielt.

Offenbar laufen schon jetzt einige Siedler Amok - auch um die Riege der Minister um Scharon einzuschüchtern. Verkehrsminister Meir Schitrit erhielt einen Drohbrief: "Du wirst der Beerdigung deiner Kinder beiwohnen!" Selbst Finanzminister Benjamin Netanjahu, der beim Kabinettsvotum zum Rückzug mit "Nein" stimmte, muss sich Drohbriefe und Beschimpfungen gefallen lassen. Jüngst musste er sogar eine Hochzeit vorzeitig verlassen, als ihn dort aufgebrachte Ultra-Orthodoxe des Verrats ziehen und die Reifen seiner gepanzerten Limousine zerstachen. Ähnlich erging es bereits Bildungsministerin Limor Livnat, die vor drei Wochen im Schutze ihrer Leibwächter vor wütenden Abzugsgegnern fliehen musste. "Schande!" hatten junge Anhänger der radikalen, rassistischen Kahane-Bewegung des 1990 ermordeten rechtsextremen Rabbiners Meir Kahane gerufen. Ihr Anführer Itamar Ben Gvir schrie der sichtlich irritierten und verängstigten Ministerin ins Gesicht: "Ihr wollt Juden aus ihren Häusern vertreiben! Schämt euch!"

Den meisten Hass zieht Premier Scharon selbst auf sich. Es ist den Siedlern unverständlich, dass der Ziehvater des Siedlungsprojekts bereit ist, den Gaza-Streifen zu opfern, obwohl ja bekannt ist, dass der Premier mit diesem Schachzug die meisten Siedlungen im Westjordanland erhalten möchte. Schon wurde der Schutz am Grab seiner verstorbenen Frau Lili erhöht, nachdem anonyme Drohungen eingegangenen waren, das Grab zu schänden. Auf einer öffentlichen Toilette im Zentrum Jerusalems, nicht weit von Knesset und Premierminister-Büro entfernt, wurden Graffiti entdeckt, die unverhohlen zum Mord an Scharon aufriefen, dem "Diktator". In den Straßen Jerusalems tauchten Poster auf, die Scharon mit Nationalsozialisten vergleichen.

Der Premier aber weigert sich, eine schusssichere Weste zu tragen. Er scherzt, es gebe keine in seiner Größe. Dennoch wurde sein Personenschutz in den letzten Monaten erneut erhöht. Auf öffentlichen Veranstaltungen wird Scharon von zwölf Leibwächtern abgeschirmt, Straßen werden abgesperrt, seine Autokolonne fährt keinen Weg zweimal. Und selbst bei Pressekonferenzen sind die Leibesvisitationen strikt. Bei der jährlichen Pressekonferenz für die ausländischen Korrespondenten wurden die Journalisten fünfmal auf Waffen und Sprengstoff untersucht, manche mussten sogar ihre Schuhe ausziehen.

In Israel fühlen sich Kommentatoren und Medien an die Zeit vor der Ermordung des Premiers Jitzchak Rabins im Jahr 1995 erinnert, der von einem jüdischen Fanatiker erschossen wurde. Dem Attentäter Jigal Alon waren die Konzessionen Rabins an die Palästinenser zu weit gegangen. Auch hatte sich Alon von der damals aufgeheizten Atmosphäre angestachelt gefühlt. Auf mehreren Demonstrationen waren immer wieder Plakate aufgetaucht, die Rabin als Hitler persifliert hatten.

Ähnlich wie damals zeichnen hysterische Siedler heute ein Zerrbild Scharons und füttern ihre Wut mit scheinreligiösen Argumenten. Scharon verstoße mit der geplanten Auflösung von 21 Siedlungen im Gaza-Streifen und vier Siedlungen im Westjordanland gegen Gottes Gebot. Um diesem "Verrat" Einhalt zu gebieten, seien "alle Mittel" legitim, hetzen anonyme Scharfmacher. Die Siedlersprecher geben sich unterdessen als Unschuldslämmer und behaupten, sie seien gegen physische Gewalt. Dass ihre Hetzreden jedoch auch eine Form der Gewalt darstellen, leugnen sie.

In der Generalstaatsanwaltschaft wird nun die Verhängung von Vorbeugehaft gegen jene erwogen, die zu offenem Widerstand aufrufen. Bislang wurde die Praxis hauptsächlich gegen Palästinenser angewandt, denen vorgeworfen wird, unmittelbar an einem bevorstehenden Terroranschlag teilnehmen zu wollen. Gegen Israelis wurde die nicht unumstrittene Vorbeugehaft kaum angewandt.

Vorbeugehaft für Aktivisten

In die brodelnde Stimmung hat sich nun auch Präsident Mosche Katzav eingemischt und sich für die vorbeugende Haft ausgesprochen: "Um die Demokratie zu sichern, muss sich der Staat mitunter undemokratischer Mittel bedienen." Der für die öffentliche Sicherheit zuständige Minister Gideon Ezra hat einen ersten Kandidaten für die Vorbeugehaft ausgemacht - den Kahane-Anhänger Gvir. Dieser sei gefährlich, weil er "die Jugend aufhetzt, gegen das Gesetz zu verstoßen". Menschen wie Gvir erteilten in nicht-öffentlichen Sitzungen Instruktionen, "dagegen sind wir machtlos". Die einzig effektive Maßnahme, "auch wenn ich sie nicht mag", sei da Vorbeugehaft. Gvir wiederum erschien dieser Tage auf einer Pressekonferenz vor einem Banner, auf dem geschrieben stand: "Vorbeugehaft ist politischer Terrorismus".

Scharon selbst meint zu dem Hass, der ihm entgegenschlägt, er könne die Wut der Siedler nachvollziehen. Schließlich lebten sie bereits in dritter Generation im Gaza-Streifen. Er zollte ihnen für ihren Einsatz Respekt und nannte die Kabinettsentscheidung zum Rückzug "keinen Tag der Freude". Aufrufe zur Gewalt jedoch könne er nicht gutheißen, da ende jedes Verständnis: "All mein Leben habe ich für das jüdische Volk gekämpft", sagte Scharon unlängst, "heute muss ich vor Juden beschützt werden."

Ansichten aus Israel

hagalil.com 28-02-05

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