Siedlungspolitik:
Ein Traum wurde aus den Regalen genommen
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 15.03.2005
Übersetzung Daniela Marcus
Israel ist wie das FDA –das US-amerikanische
Amt, das für die Zulassung von Lebensmittelzusätzen und
Arzneimitteln zuständig ist-, das manchmal herausfindet, dass ein
sich schon lange im Umlauf befindendes Medikament Herzinfarkt oder
Schlaganfall verursachen kann, weshalb das FDA anordnet, dieses
Medikament aus den Regalen zu nehmen. Die Tatsache, dass dieses Amt
selbst das Medikament genehmigte, ist nicht gegen es anzuwenden,
solange das Amt seine Augen offen hält und fähig ist, Fehler
zuzugeben und sie zu korrigieren bevor eine Katastrophe geschieht.
Es hat sich herausgestellt, dass die Siedlungspolitik in den
Territorien, die einst als Wundermittel für die Schaffung einer
Verbindung zwischen dem Staat Israel und dem Land Israel betrachtet
wurde, ein schädliches Mittel ist. Doch historisch betrachtet ist es
falsch zu sagen, der Likud und die Rechte seien allein Schuld an den
Siedlungen. Die israelische Rechte war nicht der Förderer der
Siedlungspolitik. Sondern dies war die Arbeiterparteibewegung.
Während die frühere links gerichtete Arbeiterpartei Mapai hart
arbeitete, um die Wüste zum Blühen zu bringen, konnte man die Zahl
der Siedlungen der rechts gerichteten Cherutpartei an einer Hand
abzählen. Die Menschen machten Witze darüber, dass die
Arbeiterparteibewegung mit Bauen und die Cherutpartei mit Reden
beschäftigt sei. Die Wahrheit ist also, dass es nach 1967 die Linke
war, die den Grundstein für die Siedlungspolitik in den Territorien
legte.
Menschen wie Jitzchak Tabenkin, das legendäre Oberhaupt der
Kibbutzbewegung, wie der Dichter Natan Alterman oder wie der
Politiker Eliezer Livna von der Arbeiterpartei waren die Pioniere
der Großisrael-Bewegung. Jisrael Galili, der das Ministerialkomitee
für Siedlungsangelegenheiten während der Regierungen Levi Eshkol und
Golda Meir leitete, weigerte sich, irgendeine politische Plattform
zu unterstützen, die den weiterführenden Siedlungsbau nicht
erwähnte.
Im Jahr 1956 war es nicht Begin sondern Ben Gurion, der das "dritte
Königreich Israel" ausrief. Nach dem Sechstagekrieg begannen die
Arbeiterpartei-Regierungen damit, die eroberten Gebiete zu
besiedeln. Beit-El, Elkana, Kirjat Arba, Kedumim – diese Siedlungen
und andere waren das Werk der Arbeiterpartei. Heutzutage mag es kaum
zu glauben sein, doch es war in der Tat Shimon Peres in seiner
Funktion als Rabins Verteidigungsminister, der dem Vorhaben "Gush
Emunim" nachgab und somit das Lager in Sebastija in eine genehmigte
Siedlung verwandelte und den Präzedenzfall der Siedlungen schuf, die
die Anerkennung der Regierung durch Druck herauspresste.
Es ist unnötig zu sagen, dass während der Zeit des Likud, als dieser
1977 an die Macht kam, Dutzende von Siedlungen –genehmigt vor und
nach den Gründungen- und außerdem Hunderte von ungenehmigten
Außenposten ins Leben gerufen wurden. Während der Zeit zwischen den
Regierungen Peres-Shamir und Barak, nämlich während der ersten
Sharon-Regierung, der auch die Arbeiterpartei angehörte, und auch
heute, wuchsen die illegalen Außenposten in den Territorien weiter.
Keiner befreite sich von dem Staat-Israel-Land-Israel-Bazillus, der
nach dem Sechstage-Krieg aufgekommen war. Geld floss in die
Territorien und fütterte die Siedlungen –genehmigte wie
ungenehmigte- im Geist der Tage vor der Staatsgründung, als das Land
Dunam für Dunam eingenommen wurde. Illegale Außenposten wurden mit
einem Augenzwinkern verlassen, hauptsächlich, um die Amerikaner zu
besänftigen. In all den Jahren haben die Regierungen Israels immer
genau gewusst, wer wo was hinsichtlich der Siedlungen tat.
Nach dem Jom-Kippur-Krieg kam die Lüge "Wir sind alle Schuld" auf.
Doch die Öffentlichkeit weigerte sich, ein Partner der Fehler der
Regierung zu werden, die blind für die Tatsache war, dass die
Besatzung nur ein kurzes Leben haben kann und dass der Siedlungsbau
im Sinai und das Festhalten am Suezkanal Ägypten nicht davon
abhalten würde, die vorhandenen Tatsachen durch Gewalt ändern zu
wollen. Das gleiche gilt für die Siedlungen in der Westbank und im
Gazastreifen. Wir sind nicht alle Schuld. Die Schuldigen sind die
Regierungen und Staatsoberhäupter, die dachten, die Siedlungen und
die Anwendung von militärischer Stärke könnten eine unveränderliche
Situation schaffen.
Jahre des Terrors, zwei Intifadas, globaler Druck und amerikanische
Überredungskunst insbesondere brachten diesen unberechenbaren Mann,
der als Vater der Siedlungen bezeichnet wird, dazu, seinen Azimut zu
ändern. Zuerst dachten die Menschen, die Abkoppelung vom
Gazastreifen sei ein Trick. Dann sagten sie, es sei der erste und
letzte Schritt hinsichtlich des Rückzugs aus den Territorien. Doch
nun hat sich das Bild erneut gewandelt.
Der Bericht, der von Talia Sasson übergeben wurde, beweist, dass
Ariel Sharon einen solideren und langfristigeren Plan hat, als jeder
angenommen hat. Wie ein Rechtsanwalt, der niemals eine Frage stellt,
auf die er keine Antwort weiß, so wusste Sharon genau Bescheid über
das, was der Sasson-Bericht herausfinden würde. Nun hat er diese 105
illegalen Außenposten auf die nationale Agenda gesetzt, als nächste
Stufe hinsichtlich des Rückzugs aus Gaza. Indem er dies tat, machte
Sharon klar, dass Israel bei einer Zwei-Staaten-Lösung des Konflikts
nicht länger im Gazastreifen sein wird. Der Traum wurde aus den
Regalen genommen.
hagalil.com
15-03-2005 |