Alle Alternativen sind schlecht:
Texanische Nerven
Ausz. Chemi Shalev
Sharon hat offenbar die reizbaren texanischen Nerven des
amerikanischen Präsidenten nicht in Betracht gezogen, als er beschloss,
‘auf ihn zu pfeifen’. Jetzt steckt er in einem heiklen Dilemma. Die
Armee ist mit Schwung in die palästinensischen Städte eingerückt, hat
sich aber offenbar nicht allzu viel Gedanken darüber gemacht, wie sie
dort wieder herauskommt.
Alle Alternativen sind schlecht. Sharon muss Bush mehr als
einen Knochen hinwerfen, um der gegenwärtigen schlimmen Krise im
außenpolitischen, wirtschaftlichen und auch im militärischen Bereich
Herr zu werden. Die ersten Risse in der bisher geschlossenen
amerikanisch-israelischen Front haben schon zu einem Anschwellen der
weltweiten Protestwelle gegen Israel geführt, die Israels Feinden in die
Hände spielt.
Israel kann sich keinen Bruch mit Washington erlauben. Der
wirkliche ‘Schutzwall’ Israels ist nicht in der Kasba von Nablus,
sondern in den Korridoren der Regierung und des Kongresses in Washington
zu suchen.
Sharon und die Armee haben zwei Kardinalfehler begangen,
die den zeitlichen Spielraum, den die Welt Israel für den Krieg gegen
den Terror konzediert, erheblich verringert hat, und beide stehen im
Zeichen einer unklugen, symbolischen Demütigung Arafats: erstens hat
Israel Arafat daran gehindert, der Christmette in Bethlehem beizuwohnen,
zweitens hat es ihn in Ramallah gefangen gesetzt.
Das waren zwei propagandistische, außenpolitische und
letztlich auch militärische Eigentore. Man kann Sharon darin Recht
geben, dass dieser Krieg so gerechtfertigt ist wie kaum ein anderer in
der Geschichte des Staates Israel, doch auch im Krieg genügt es nicht,
im Recht zu sein. Man braucht auch Klugheit, eine Eigenschaft, die
unsere Führung in den letzten Tagen schmerzlich vermissen lässt.
Am Montag erklärte Sharon in der Knesset, Israel werde
nicht nachgeben, doch schon am Nachmittag begann er sich dem Diktat der
Realität zu beugen, in der Hoffnung, dass sein Einlenken nicht zu
halbherzig und zu spät ist. Doch jetzt hat er ein neues Problem: er muss
seinem neuen rechtsradikalen Koalitionspartner Effi Eitam die Realitäten
des Lebens erklären...
Auf Effi Eitam geht auch Nachum Barnea
in einem Kommentar in Jedioth ein:
Zum Rechtsruck der Regierung:
Auf diesen Messias haben wir nicht gewartet
Israel und Sharon brauchen heute mehr denn je ein moderates
Image. Daher ließ Sharon zu, dass die gemäßigten Minister - vor allem
Meridor und Vilnay - bei der Kabinettsdebatte über eine Reaktion auf die
Angriffe der Hisbollah im Norden ihn zweimal überstimmten. Sharon wurde
hitzig, verlangte eine Militäraktion gegen syrische Ziele und beruhigte
sich sehr bald wieder. Wenn die Hisbollah so weiter macht, ist eine
Reaktion der Armee ohnehin unvermeidlich.
Dasselbe gilt für den massiven amerikanischen Druck, den
Sharon zwar in seiner Knessetrede zurückwies, aber wenig später mit dem
Abzug der Armee von Tulkarem und Kalkiliya beantwortete.
Dass Sharon in seiner Rede auf die saudiarabische
Initiative einging und zu einer internationalen Friedenskonferenz à la
Madrid aufrief, hat weniger mit konkreten Absichten als mit den
Ratschlägen seiner PR-Berater zu tun. Die IDF-Aktion und der
Regierungsbeitritt der NRP haben Sharons Position im Likud verbessert.
Jetzt kann er sich dem zweiten Punkt auf seiner Prioritätenliste
zuwenden: dem Ausland.
haGalil onLine 12-04-2002 |