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Jüdische und palästinensische Flüchtlinge:
Rückkehrrecht

Von Eetta Prince-Gibson, Jerusalem Post, 07.08.2003
Übersetzung von Daniela Marcus

In den Jahren 1945 bis 1952 flohen 850.000 bis 900.000 Juden aus arabischen Ländern wegen der Feindschaft und der Unterdrückung, die aufgrund der Entstehung des Staates Israel hervorgerufen wurden.

Die 66jährige Victoria ist pensionierte Krankenschwester und lebt im Raum Tel Aviv. Sie erinnert sich an die "Farhud", das zwei Tage andauernde Pogrom, das im Jahr 1941 stattfand, als sie noch ein kleines Mädchen war. Dabei wurden beinahe 200 Juden ermordet, mehr als 2.000 wurden verletzt, etwa 1.000 Häuser wurden geplündert. Der Schaden an Häusern, Geschäften und Warenhäusern betrug mehrere hunderttausend Dinar.

"Auf meinen Onkel wurde mit einem Messer eingestochen, direkt neben unserem Haus. Ich sehe noch immer all das Blut vor mir", erinnert sich Victoria. "Jeder hatte Angst... jeder schrie."

Später erfuhr Victoria, dass ihre Familie die Genehmigung beantragt hatte, den Irak zu verlassen. Doch diese wurde verweigert. Sie lebten weiterhin in Bagdad. Mit den Jahren verschlechterte sich die Situation der Juden dort.

"Ich verstand nicht sehr viel, doch ich wusste, dass wir immer in Gefahr waren. Ich wusste, dass es gefährlich war, Jude zu sein, und ich konnte niemandem vertrauen. Ich ging kaum nach draußen, und ich ging kaum zur Schule."

Sie erinnert sich lebhaft daran, wie Shafiq Adas, ein bekanntes Mitglied der wohlhabenden jüdischen Gemeinde in Bagdad, im September 1948 nicht weit entfernt von ihrem Haus gehängt wurde.

"Meine Mutter wollte nicht, dass ich den hängenden Körper sah, doch ich spähte hinaus. Ich musste mich beinahe übergeben. Und die Araber lachten. Da waren Massen von lachenden und feiernden Männern."

Zwei Jahre später, im Januar 1952, wurden Victoria und ihre Familie zusammen mit dem Großteil der irakischen Juden auf dem Luftweg nach Israel gebracht. Sie wurden gezwungen beinahe alles, was ihnen gehörte, zurückzulassen.

"In Israel brachte man uns in eine "Ma'abarah" (ein Übergangslager). In Bagdad waren wir reich. Wir hatten ein großes Haus, ich hatte mein eigenes Zimmer. Wir hatten Dienstpersonal. Im Übergangslager lebten wir in einem Zelt und alles war nass und schmutzig. Meine Mutter weinte die ganze Zeit."

Schließlich fanden Victorias Eltern Arbeit und konnten sich finanziell auf eigenen Füße stellen und erlangten gesellschaftliches Ansehen. Sie erreichten jedoch niemals mehr ihren früheren Lebensstandard.

"Wir sprachen nie über das, was geschehen war. Auch nicht im Übergangslager", sagt sie. "Jeder in unserer Familie war unglücklich, doch meine Eltern konnten nicht über das sprechen, was ihnen passiert war."

"Ich denke, sie waren zu sehr traumatisiert. Sie waren so oft Opfer gewesen. Opfer der Iraker. Opfer der israelischen Regierung, die uns in Lager geschickt hat und unsere Geschichte nicht hören wollte. Opfer der Welt, die sich nicht darum schert, was ihnen geschehen ist, sondern nur über die palästinensischen Flüchtlinge spricht. Opfer der Juden aus Europa, die sich nicht um sie gekümmert haben."

Alle paar Jahre rückt die Not der jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Ländern für einige Zeit in das öffentliche Blickfeld und verschwindet dann wieder. Der frühere UN-Botschafter der USA, Richard Holbrooke, bemerkte vor kurzem, das Thema werde "unter den 'persischen Teppich' gekehrt".

Doch in den vergangenen vier Jahren hat sich die israelische Regierung, unterstützt von jüdischen Organisationen in Nordamerika und in Europa, darum bemüht, das Thema direkt auf den Tisch der internationalen Öffentlichkeit zu bringen und es dort zu lassen. Diese Bemühungen haben zu wachsender internationaler Unterstützung für die Anerkennung des Flüchtlingsstatus dieser Juden und zur offensichtlichen und bewussten Verbindung zwischen dem "Rückkehrrecht" der palästinensischen Flüchtlinge und dem Recht der jüdischen Flüchtlinge geführt.

"Weil wir selbst die Geschichte der Juden aus arabischen Ländern nie aufgeschrieben haben, haben sie die arabischen Staaten und die Palästinenser geschrieben", sagt Jean-Claude Nidam, Leiter der Abteilung für rechtliche Unterstützung im israelischen Justizministerium. "Doch nun ändert sich die Lage."

Gleichzeitig ließen diese Bemühungen jedoch auch ernsthafte Fragen darüber aufkommen, wer die jüdischen Flüchtlinge vertreten soll, zu welchem Zweck dies alles getan werden soll, und was mit irgendwelchem Vermögen, das eines Tages eingefordert werden könnte, geschehen soll.

Moshe Karif, Mitglied einer Aktivistengruppe orientalischer Juden, die den Namen "Democratic Misrachi Rainbow" trägt, äußert folgende düstere Prophezeiung: "Die Not der jüdischen und der palästinensischen Flüchtlinge war immer ein zentrales Problem für den israelisch-palästinensischen Konflikt und für den Staat Israel. Indem die israelische Regierung und die jüdischen Organisationen außerhalb Israels diese Nöte miteinander verbinden, beseitigen sie diese nicht sondern halten sie aufrecht. Die orientalischen Juden werden in Israel Bürger zweiter Klasse und die Palästinenser werden über Generationen hinweg in Flüchtlingslagern bleiben."

Die Ursprünge der Verbindung zwischen dem palästinensischen Flüchtlingsproblem und den Juden, die aus arabischen Staaten nach Israel kamen, sind zurückzuführen auf die Anfänge des israelischen Staates.

Während der Lausanne-Konferenz im Jahr 1949 stimmte Israel der Rückkehr von 100.000 palästinensischen Flüchtlingen zu. Die arabischen Staaten wiesen dieses Angebot jedoch zurück und verlangten stattdessen "territoriale Entschädigung", damit die Palästinenser nicht unter israelischer Herrschaft leben müssten.

Laut Professor Yehuda Shenhav von der Universität Tel Aviv war Israel in den Jahren 1948 bis 1951 gefangen zwischen der Forderung nach Entschädigung der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 durch Israel, und der gleichzeitigen Forderung von in Israel niedergelassenen irakischen Juden nach Entschädigung für die Vermögenswerte, die sie zurückgelassen hatten.

Da eine Rückführung der Juden in arabisches Land niemals als Möglichkeit bestand, wurde durch die Verknüpfung beider Angelegenheiten auch das Thema der palästinensischen Rückführung nach Israel wirksam "aufgehoben".

Im Jahr 1969 führte die israelische Regierung ein großes Projekt durch, in dessen Rahmen die potenziellen Millionen Dollar des verlorenen Eigentums der Juden, die ihre ursprünglich arabische Heimat verlassen hatten, dokumentiert wurden. Tausende von originalen Eigentums- und anderen Dokumenten wurden gesammelt. Doch das Projekt führte zu nichts.

Im Jahr 1975 gründete Mordechai Ben-Porat die "Weltorganisation der Juden aus arabischen Ländern" (World Organization of Jews from Arab Countries, WOJAC), ebenfalls, um jüdische Eigentumsforderungen an die arabische Welt zu registrieren und das Thema auf die nationale und internationale Agenda zu bringen. Doch auch dadurch wurde nur wenig erreicht.

Im Rahmen des Camp-David-Abkommens und des ägyptisch-israelischen Friedensvertrags wurde das Thema der ägyptischen Juden, die Vermögen und Eigentum zurückgelassen hatten, diskutiert. Im Oktober 1977 sagte der US-amerikanische Präsident Jimmy Carter sogar: "Offensichtlich gibt es jüdische Flüchtlinge. Sie haben die selben Rechte wie andere."

Doch die israelische Regierung war nicht aktiv genug, um die jüdischen Forderungen nach dem zurückgelassenen Eigentum in Ägypten zu verfolgen.

Im Jahr 1999 wurde klar, dass die Palästinenser ihre Forderung nach dem Recht auf Rückkehr nicht aufgeben wollten. Die israelische Regierung startete einen neuen, weltweiten Versuch, Informationen über kommunales und privates jüdisches Vermögen, das in den arabischen Ländern verloren gegangen war, zu sammeln.

Innerhalb der Abteilung für rechtliche Unterstützung wurde eine Abteilung für Rechte der Juden aus arabischen Ländern geschaffen, um Israel und seine Bürger bei allen Kontakten mit der palästinensischen Autonomiebehörde oder mit arabischen Ländern zu vertreten. Kürzlich wurde diese Abteilung erweitert und bekam zusätzliche Geldmittel zur Verfügung gestellt.

Der Jüdische Weltkongress (World Jewish Congress, WJC) hat in den vergangenen drei Jahren zahlreiche Konferenzen in aller Welt unterstützt, bei denen über das Vermögen und das Eigentum der jüdischen Flüchtlinge diskutiert wurde.

Nächsten Monat wird der Jüdische Weltkongress eine weitere Konferenz in London unterstützen. Von dieser wird erwartet, dass sie vor allem von ausgewiesenen irakischen Juden besucht werden wird, die über ihre Verfolgung und Unterdrückung berichten.

Während des gescheiterten Camp-David-Gipfels im Juli 2002 kündigte der US-amerikanische Präsident Bill Clinton an: "Es wird eine Art internationalen Fonds für die Flüchtlinge geben müssen.... einen Fonds, der (auch) die Israelis, die durch den Krieg nach der Gründung des Staates Israel zu Flüchtlingen geworden sind, entschädigt."

Bis heute ist die im September 2002 vonstatten gegangene Gründung von "Gerechtigkeit für Juden aus arabischen Ländern" (Justice for Jews from Arab Countries, JJAC) die bedeutendste Entwicklung. JJAC ist eine Koalition aus beinahe zwei Dutzend nordamerikanischer und weltweiter jüdischer Organisationen. Gemäß ihrer Charta ist sie "dazu bestimmt, die Rechte und die Entschädigung jüdischer Flüchtlinge zu sichern". Diese neue Gruppe ist sehr bedeutend und einflussreich.

Zu ihren ehrenamtlichen Vorsitzenden gehören neben Holbrooke auch Irwin Cotler, Mitglied des kanadischen Parlaments und internationaler Menschenrechtsanwalt, Lord George Weidenfeld vom britischen House of Lords, der frühere Knessetsprecher Shlomo Hillel, und Leon Levy von der amerikanischen Föderation sephardischer (i. e. spanisch-portugiesischer) Juden.

Ende Mai 2003 präsentierte JJAC den Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Israels einen umfassenden Bericht. Er wurde vom geschäftsführenden Vorsitzenden Stanley Urman und vom kanadischen Menschenrechtsanwalt David Matas vorbereitet. Der 26-seitige Bericht betont, dass die arabischen Staaten verantwortlich sind für die gegen die Juden gerichtete ethnische Säuberung in ihren Ländern. Der Bericht ruft zur Wiedergutmachung und Entschädigung für Hunderttausende von Juden auf, die in zehn arabischen Ländern ihr Heim, ihre Ersparnisse, ihr Vermögen und ihr Eigentum verloren haben, und spricht sich dafür aus, dass die Form der Wiedergutmachung bei den israelisch-palästinensischen Friedensgesprächen entschieden werden soll.

Bis dahin wird JJAC eine Kampagne koordinieren, um Forderungen jüdischer Flüchtlinge zu sammeln, und ein juristisches Komitee gründen, um diese Forderungen zu dokumentieren. Man wird Staatshäupter und internationale Körperschaften informieren und versuchen zu überzeugen, gemeinsame, jüdische Unterstützung mobilisieren und ein öffentliches Bildungsprogramm unterhalten.

JJAC macht von sich hören. Laut Dr. Avi Becker, dem Leiter des Jüdischen Weltkongresses, ist die kürzlich verabschiedete Resolution des 55-köpfigen europäischen Rates die erste von einem internationalen Gremium herausgebrachte Resolution, die den Ausdruck "Umsiedelung der Palästinenser in ihre Gastländer" beinhaltet und die erklärt, dass das Thema "Flüchtlinge", im Gegensatz zur konventionellen Meinung, nicht auf das Ende des Friedensprozesses verschoben werden kann.

In den Vereinigten Staaten werden die Bemühungen von JJAC wahrscheinlich von anti-arabischen Meinungen begleitet werden. Letzten Monat war Becker im nahöstlichen und zentral-asiatischen Unterausschuss des Komitees für Internationale Beziehungen.

Er sagte, dass "der jüdische Exodus aus arabischen Ländern die Verantwortung der arabischen Staaten für die Ausübung antisemitischer Politik vor der Gründung des Staates Israel unterstreicht. Dies zeigt ihre Weigerung, die Existenz Israels anzuerkennen... Und dies demonstriert, wie das Thema der palästinensischen Flüchtlinge auf zynische Art ausgenutzt wurde, um diese Strategie voranzubringen."

US-amerikanische Kongressabgeordnete und Senatoren haben zu offiziellen Anhörungen aufgerufen. Der Republikaner Frank Pallone, unter dessen Wählern in New Jersey eine bedeutende Anzahl orientalischer Juden ist, initiierte Anhörungen im US-amerikanischen Repräsentantenhaus.

In Gesprächen mit der "Jerusalem Post" hoben Sprecher hervor, dass es in den vergangenen fünf Jahrzehnten beinahe 700 Resolutionen gegeben hat, die mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt zu tun hatten. Mehr als einhundert davon setzten sich mit den palästinensischen Flüchtlingen auseinander, doch nicht einmal eine mit den jüdischen Flüchtlingen.

Und, so betont Nidam, die UN-Resolution 242, die im November 1967 verabschiedet wurde, behandelt das Thema "Flüchtlinge", ohne die Palästinenser besonders einzuschließen bzw. die Juden auszuschließen.

"Die Welt und auch der Staat Israel haben die jüdischen Flüchtlinge aus arabischem Ländern vernachlässigt", sagt Becker. "Dies möchte JJAC ändern."

Nimrod Barkan, Direktor des Büros für jüdische Weltangelegenheiten des israelischen Außenministeriums, stimmt zu.

"Bis 1999 investierte die Regierung nicht genügend Mühe bezüglich der Frage der jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Ländern. Doch seit die Palästinenser darauf bestehen, das sogenannte "Rückkehrrecht" der Palästinenser auf den Tisch zu bringen, werden wir nicht vom Thema "Gerechtigkeit für die jüdischen Flüchtlinge" ablassen."

Die meisten Sprecher verweisen auch auf die schädliche Rolle, die die UN diesbezüglich spielt, insbesondere die Flüchtlingshilfsorganisation UNRWA, die den katastrophalen, entrechteten Zustand der palästinensischen Flüchtlinge aufrecht erhalten hat.

Ihre Botschaften betonen außerdem, der Hauptunterschied zwischen arabischen und jüdischen Flüchtlingen bestehe darin, dass die meisten Juden innerhalb eines Jahrzehnts seit Staatsgründung von Israel als vollständige Staatsbürger aufgenommen worden sind und dass den Arabern, die geblieben oder die zurückgekehrt sind, die israelische Staatsbürgerschaft (selbst wenn nachträglich) de jure bewilligt wurde. Und einige von ihnen wurden für die Beschlagnahmung oder Enteignung ihres Landes entschädigt. Im Gegensatz dazu blieben palästinensische Flüchtlinge in den meisten arabischen Ländern in verwahrlosten Flüchtlingslagern. Bis auf den heutigen Tag sind die meisten von ihnen staatenlos, ihre Zahl beträgt laut palästinensischen Quellen etwa vier Millionen.

Berichte verschiedener Agenturen heben hervor, dass die Zahl der jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Ländern die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge weit übersteigt.

Besonders bemerkenswert ist die Benutzung des Ausdrucks "ethnische Säuberung" in offiziellen Dokumenten, die sowohl von der israelischen Regierung wie von jüdischen Organisationen herausgegeben wurden. Die Benutzung dieses Ausdrucks bezüglich der jüdischen Flüchtlinge ist neu, gibt Cotler zu. Er fügt an, er sei sich der "emotionalen und evokativen Art" dieses Ausdrucks bewusst und sagt, "in einer Welt, in der Menschen um die Anerkennung als Flüchtlinge kämpfen, ist es in Ordnung, emotionale und evokative Ausdrücke zu benutzen".

Er betont, dass er den Ausdruck rechtmäßig gebraucht. "Ich bin mir dessen voll bewusst, dass es vom Staat gelenkte Sanktionen und Repressionen gegen die Juden gab, die diese zum Verlassen des Landes gezwungen haben."

Die koordinierten, gut vorbereiteten Bemühungen sind auf alle Fälle eine Verbesserung der Anstrengungen, das jüdische Volk und den Rest der Welt auf den Fall der jüdischen Flüchtlinge aufmerksam zu machen. Warum geschieht dies gerade jetzt? Was werden die Folgen sein – für die einzelnen Flüchtlinge, für die Gemeinschaft der orientalischen Juden und für die Verhandlungen mit den Palästinensern?

Cotler nennt mehrere Gründe. Erstens, sagt er, besteht eine gewisse Dringlichkeit: die älteren Menschen, die sich daran erinnern, was sie verloren haben und zurückließen, sterben aus. Wie Victorias Eltern haben viele von ihnen niemals ihre Geschichte erzählt.

Me'ir, der wie Victoria nicht seinen vollständigen Namen genannt haben möchte, erzählt, dass auch seine Eltern nie über ihre Erfahrungen gesprochen haben. Nur wenige Monate nach den gewalttätigen Ausschreitungen des Mobs gegen die Juden in Tunis, brachen Me'ir und seine Familie mit nur wenigen Habseligkeiten nach Frankreich auf.

"In Tunis war mein Vater Juwelier. Er hatte zwei Geschäfte und wir hatten ein gutes Leben. Doch nach den Ausschreitungen gegen die Juden in Tunis merkten meine Eltern, dass sie nicht dort bleiben konnten, obwohl niemand getötet worden war. Es war nicht sicher in Tunis. Und so gingen sie, ohne es jemandem zu erzählen. Sie baten sogar den Nachbarn, unsere Pflanzen zu gießen, damit nicht der Verdacht aufkommen würde, wir wären weggelaufen."

"Wir kamen nach Frankreich, und wir hatten nichts. Vom Wohlstand zum Nichts. Wir hatten kaum genug zu essen. Wir hatten keine Möbel. Unsere Hausaufgaben machten wir auf Kisten, die wir umdrehten, damit wir sie als Tische benutzen konnten."

"Meine Eltern wollten Tunis nicht verlassen. Doch sie hatten keine andere Wahl. Wie alle Juden waren auch sie voller Angst. Nach einigen Jahren kamen wir nach Israel. Doch sie sprachen nie darüber, was das für sie bedeutete. Sie sprachen nie über ihre Ängste. Und sie sprachen nie darüber, wie bitter und traurig ihr Leben war. Doch als ein Kind konnte ich darüber reden."

"Wir waren Flüchtlinge. Damals verstand ich es nicht. Und als wir nach Israel kamen, versuchten wir zu verbergen, wie arm wir waren. Nun verstehe ich es. Meine Eltern wollen nicht darüber reden, doch ich möchte unsere Geschichte erzählen."

Becker glaubt, dass die Geschichten der jüdischen Flüchtlinge nun erzählt werden, weil ein gewisser Reifungsprozess stattgefunden hat.

"So wie die Überlebenden der Shoah konnten auch die jüdischen Flüchtlinge ihre Geschichte zunächst nicht erzählen. Sie brauchten Abstand. Erst die zweiten und dritten Generationen haben begonnen, über das Erlebte zu reden."

Cotler ist der Meinung, dass dieser Reifungsprozess auch von internationalen Tendenzen unterstützt wird.

"Flüchtlinge sind der Spiegel, in dem Konflikte betrachtet werden. Sie sind der Rahmen, innerhalb dessen moralische Grundsätze und Ansprüche beurteilt werden", sagt er. "Bis jetzt wurden die jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Ländern aus den Geschichtsbüchern gestrichen, während die Palästinenser in der Mitte der Bühne stehen. Dies ist eine Fallstudie im nahöstlichen Revisionismus. Auch die jüdische Schilderung muss gehört werden."

In der neuen Agenda der Menschenrechte gibt es ein Recht auf Erinnerung und eine Pflicht des Gedenkens. Weiterhin, so fährt er fort, ist es entscheidend, das die arabischen Staaten die Verantwortung für die Schaffung des jüdischen Flüchtlingsproblems und für die Aufrechterhaltung des palästinensischen Flüchtlingsproblems akzeptieren.

"In der neuen Kultur der Menschenrechte betonen wir die Wichtigkeit der Verantwortlichkeit, nicht der Straffreiheit", sagt er.

Becker glaubt, dass Veränderungen im politischen Klima Israels die Flüchtlinge dazu ermutigt haben, sich zu äußern.

"Weder die politische Linke noch die Rechte in Israel konnten mit den jüdischen Flüchtlingen umgehen", hat er beobachtet. "Die Linke hatte immer ein gewisses Schuldgefühl gegenüber den palästinensischen Flüchtlingen, somit war sie unfähig, die Position der jüdischen Flüchtlinge anzuerkennen, die moralisch gesehen eigentlich näher liegen sollte. Die Rechte wollte den Flüchtlingsstatus nicht anerkennen, sie bestand darauf, diese Menschen als "Olim" (Einwanderer) zu bezeichnen, die von der zionistischen Ideologie motiviert waren."

Becker fährt fort: "Es gab natürlich einige, die von dieser Ideologie motiviert waren. Und es gab auch einige, die von tiefen religiösen Gefühlen und von ihrem Glauben motiviert waren. Doch dies war die Minderheit. Mehrheitlich kamen die Juden aus Europa und den arabischen Ländern deshalb, weil sie dazu gezwungen worden waren. Der Staat Israel wurde von Juden aufgebaut, die aus Europa und aus arabischen Ländern kamen, weil sie dort unterdrückt und ausgewiesen worden waren."

Zusätzlich zu diesen psycho-politischen Gründen kann es keinen Zweifel daran geben, dass der Erfolg der palästinensischen Kampagne in Sachen "Rückkehrrecht" die am meisten motivierende Kraft hinter dem neu erwachten Interesse für die jüdischen Rechte ist. Dem Prinzip "Wenn du sie nicht schlagen kannst, tu dich mit ihnen zusammen" folgend, sind die Regierung und die jüdischen Organisationen zur Strategie zurückgekehrt, eine Symmetrie zwischen den palästinensischen und den jüdischen Flüchtlingen zu schaffen.

Wie hoch sind die Vermögenswerte? Man kann sie nur schätzen, weil bisher keine umfassende Untersuchung durchgeführt wurde und weil die Zahlen bekanntlich schwer zu berechnen sind und Vergleiche über Jahrzehnte und Länder hinweg beinhalten. Gemäß einiger Schätzungen könnte die Summe mehrere Hundertmillionen Dollar betragen.

Wer sollte sie vertreten?

Cotler antwortet: "Vom juristischen Standpunkt aus gesehen, hat der Staat Israel das legale Recht, seine Bürger zu vertreten, besonders in Sachen erbenloses oder kommunales Eigentum. Man nimmt natürlich an, dass der Staat dieses Vermögen zum Wohl derer benutzt, die gelitten haben. Auf der Wahrheit zu bestehen ist eine Voraussetzung für das Verständnis von Verantwortung – diese Wahrheit gibt den arabischen Regierungen und der Regierung von Israel nicht das Recht, die Verantwortung für ihre Bürger unter den Teppich zu kehren."

Auch Nidam glaubt, dass der Staat Israel die kollektiven Forderungen der Juden vertreten sollte.

"Wenn wir erst in das Stadium der Verhandlungen eintreten, so bin ich überzeugt, dass der Staat Israel den richtigen Weg finden wird, die Rechte der Juden in bestem Sinne zu wahren und zu verteidigen."

Doch Karif von der Aktivistengruppe "Democratic Mizrahi Rainbow" ist nicht der Meinung, dass der Staat der Vertreter sein sollte.

"Ich denke, dass einer der Gründe, warum die Anstrengungen des WOJAC und der Regierung nicht erfolgreich waren, derjenige war, dass die Leute ihnen nicht vertraut haben. Meine Eltern, die hierher kamen, wurden sehr schlecht behandelt, so erging es auch anderen orientalischen Juden. Die Gesellschaft und staatliche Institutionen wollten nicht anerkennen, dass sie eine Kultur, einen Lebensstandard, Gebräuche und Traditionen hatten."

"Nach allem", fügt er in einer bitteren Nebenbemerkung hinzu, "wurden sie als "menschlicher Staub" betrachtet", wobei er auf eine berühmt-berüchtigte abfällige Bemerkung Bezug nimmt, die dem damaligen Premierminister David Ben Gurion zugeschrieben wird.

Und was ist mit den jüdischen Flüchtlingen, die sich nicht in Israel niedergelassen haben? Viele nehmen an, dass die reichsten Juden, vor allem diejenigen aus Nordafrika, nicht nach Israel gegangen sind, sondern nach Frankreich oder in andere Länder flohen. In gelegentlichen Briefen an die "Jerusalem Post" besteht Hezkel Haddad, ein aus dem Irak geflohener Arzt in New York City, darauf, dass er und viele seinesgleichen "Teil der Diskussionen um die Flüchtlinge sein sollten, denn wir repräsentieren die 1,5 Millionen Juden aus arabischen Ländern, die außerhalb Israels leben und für die die israelische Regierung nicht bemächtigt ist, sie zu vertreten".

Becker ist der Meinung, dass "JJAC und WJC dazu verpflichtet sind, das Thema der jüdischen Flüchtlinge auf die internationale Agenda zu bringen. Doch wir werden keine Forderungen aufstellen, bevor wir nicht von der israelischen Regierung darum gebeten werden, dies zu tun. Wir werden keine internationale Kampagne für die Entschädigung starten, weil dies nicht unsere Aufgabe ist. Wir sprechen von Menschenrechten, und wir wollen die Geschichte erzählen, die bisher nicht erzählt wurde, doch mit Eigentumsverhältnissen und dem Thema der Entschädigung werden wir uns nicht befassen".

Die Geldsummen sind so enorm hoch, dass es einigen sehr vernünftig erscheint, wenn sich die arabischen und die jüdischen Forderungen einfach "gegenseitig aufheben", wie es in der Vergangenheit der Fall war. Auf den Formularen für die Zeugenaussagen und für die Dokumentationen der israelischen Regierung war zu lesen, dass die Informationen für zukünftige Verhandlungen bezüglich der Lösung des Konflikts benutzt werden sollten (inzwischen erscheint dieser Text nicht mehr auf den Formularen).

Weder Becker noch Barkan schließen die Möglichkeit der "gegenseitigen Aufhebung" aus.

Barkan sagt: "Wir müssen eine Grenze zwischen der Vergangenheit und der Zukunft ziehen. Der Staat Israel hat bereits eine riesige Summe investiert, um die jüdischen Flüchtlinge anzusiedeln, und eigentlich erwarten wir, dass die Palästinenser und die arabischen Ländern dasselbe für ihre eigenen Flüchtlinge tun. Einzelne mögen natürlich Forderungen stellen, doch ich sehe nicht, dass der Staat Israel dies tun sollte. Internationale Fonds werden gegründet werden, um die Flüchtlinge anzusiedeln. Wenn dies bedeutet, dass sich die Forderungen "gegenseitig aufheben" werden, dann ist das in Ordnung."

Nidam sagt schlicht und einfach: "Wenn wir das Stadium der "gegenseitigen Aufhebung" erreichen können, wird das ein großer Erfolg sein. Dann können wir spezifische Modelle dafür ausarbeiten, was wie bereitgestellt wird."

Me'ir und Victoria sind der Meinung, dass die "gegenseitige Aufhebung" eine akzeptable Lösung ist. "Ich glaube nicht, dass ich jemals etwas bekommen werde", sagt Me'ir. "Also sollten die Palästinenser auch nichts bekommen. Wir sollten einen Strich unter die Vergangenheit ziehen."

Diese Haltung ärgert Karif.

"Warum soll das bescheidene Vermögen meiner Großeltern den jüdischen Weltorganisationen als Entschuldigung dafür dienen, den Palästinensern nichts zu zahlen? Wer gab dem Jüdischen Weltkongress, JJAC oder dem Staat Israel die Autorität oder das Recht, über das Eigentum meiner Familie zu verhandeln?"

Karif sagt, dass die Reparationszahlungen Deutschlands und der Achsenmächte (i. e. Gegner der Alliierten im 2. Weltkrieg) dazu beigetragen haben, Israels europäisch-jüdische Mittelklasse zu schaffen.

"Sowohl die europäischen wie die orientalischen Juden kamen hier in diesem Land als Flüchtlinge an, mit nichts. Denjenigen, die Reparationen bekamen, war es möglich, für sich selbst eine finanzielle Basis zu schaffen, während die orientalischen Juden, die ohne etwas ankamen, bis heute in der unteren Gesellschaftsklasse geblieben sind. Nach allem, was wir gelitten haben, wird von uns nun erwartet, dass wir diejenigen sein sollen, die die Palästinenser "ausbezahlen"? Ist das gerecht?", fragt er.

"Man braucht eine Menge Arroganz, Frechheit und Rassismus, um die Vermögenswerte der orientalischen Juden an denen der Palästinenser zu messen. Warum macht das niemand mit den Reparationen aus Deutschland? Wenn man diesbezüglich die gleiche verdrehte Logik anwendet, so hätte das Geld von Deutschland direkt an die Palästinenser fließen können, die ihr Eigentum und ihre eigene kleine Welt während des jüdischen nationalen Kampfes verloren haben. Natürlich wäre dies nicht akzeptabel – doch warum soll es dann für die orientalischen Juden akzeptabel sein? Wir möchten auch, dass unsere historischen Rechnungen beglichen werden. Und es ist nicht in unserem Sinn, dass uns irgendwer von diesen Diskussionen ausschließt", sagt er.

Offiziell sagen die Palästinenser, dass es keine Verbindung zwischen den palästinensischen und den jüdischen Flüchtlingen gibt. Und kein arabischer Staat hat irgendeine Neigung gezeigt, die jüdischen Flüchtlinge zu entschädigen.

Becker sagt: "Die Flüchtlingsfrage wird der ultimative Test dafür sein, ob sich die Palästinenser und die arabischen Staaten tatsächlich geändert haben. Wenn sie wirklich meinen, was sie über die Lösung des Konfliktes sagen, werden sie die Palästinenser ansiedeln, so wie Israel dies mit unseren Flüchtlingen getan hat. Ansonsten werden wir wissen, dass sie immer noch versuchen, den Staat Israel durch ihre eigenen Flüchtlinge zu ersetzen."

Karif präsentiert eine hoffnungsvollere Zukunft: "Man hat die Palästinenser in den Flüchtlingslagern verkommen lassen. Und die orientalischen Juden wurden in strukturschwaches Gebiet geschickt. Man stelle sich vor, wie die Region blühen würde, wenn internationale Fonds genutzt würden, um die Palästinenser in den libanesischen Lagern und die Juden in den strukturschwachen Gebieten im Negev einzugliedern. Es könnte der Beginn einer historischen Versöhnung sein, wobei zugegeben wird, dass beide Seiten falsch gehandelt haben."

hagalil.com 27-08-2003

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