Reuven Rivlin:
Parlamentspräsident mit Sinn für den Ausgleich
Von Thorsten Schmitz
Dem israelischen Parlamentspräsidenten Reuven
Rivlin eilt der Ruf voraus, ein Clown zu sein. Stets zu Scherzen
aufgelegt, weiß der 64 Jahre alte vierfache Vater auch Gegner für
sich zu gewinnen. Deutlich wurde seine Popularität bei der Wahl im
Februar vor zwei Jahren zum Knesset-Sprecher: Kein Abgeordneter
stimmte gegen ihn.
Rivlin, der in Israel nur unter dem Spitznamen
Ruby firmiert, gehört zu den engsten politischen Weggefährten von
Regierungschef Ariel Scharon. Ebenso wie Scharon, der erst als
Premierminister die hohe Schule der Diplomatie erlernte, galt auch
Rivlin vor der Übernahme des Amtes als Parlamentssprecher als
rechter Wadenbeißer. Doch seitdem der gebürtige Jerusalemer dem
Parlament vorsteht und dessen oftmals chaotisch anmutende Sitzungen
leitet, hat er sich den Ruf eines fairen und unbestechlichen
Schlichters erworben.
Er behandelt rechte Parteifreunde mit dem selben
Gerechtigkeitssinn wie linke Abgeordnete. Manchmal setzt er sich
auch für politische Gegner mit Verve ein, was ihm in den eigenen
Reihen auch Kritik einbringt. Als mehrere Dutzend
Universitätsprofessoren gegen eine geplante Rede des linken früheren
Justizministers Jossi Beilin an der Universität in Beer Schewa
protestierten und den Friedensaktivisten als "Oslo-Kriminellen"
beschimpften, setzte sich Rivlin für das Rederecht des politischen
Rivalen ein. Mit dem selben Sinn für Gleichberechtigung gesteht
Rivlin nun auch Bundespräsident Horst Köhler zu, Anfang Februar eine
Rede in der Knesset auf Deutsch zu halten.
Gegen den Proteststurm von Parteifreunden und
Mitgliedern der säkularen "Schinui"-Fraktion erklärt Rivlin nun,
Deutschland sei ein großer Freund Israels, und selbstverständlich
sei es undenkbar, dass der deutsche Bundespräsident als Gast Israels
nicht in seiner Landessprache reden dürfe.
Köhlers Besuch in Israel stellt den Auftakt dar
zum Beginn der Feiern zum 40-jährigen Bestehen der
deutsch-israelischen Beziehungen. In den kommenden Monaten werden
israelische Theater- und Tanzgruppen sowie Musiker nach Deutschland
reisen und umgekehrt deutsche Künstler in Israel auf der Bühne
stehen, um die Verbundenheit der beiden Staaten zu demonstrieren.
Das Jubiläum soll nach dem Willen von Rivlin nicht schon zu Beginn
bei Köhlers Besuch getrübt werden. Wem eine auf Deutsch gehaltene
Rede in der Knesset nicht passe, der solle dem Ereignis eben
fernbleiben.
Was Rivlin von anderen verlangt, tut er auch sich
selbst an. Anstatt bei der Kabinettsbildung vor anderthalb Jahren
von Scharon einen angesehenen Ministerposten zu verlangen (den ihm
der Duz-Freund sicherlich übertragen hätte), verzichtete Rivlin und
strebte das neutrale Amt des Parlamentspräsidenten an. Denn
"niemals", so der Jurist, hätte er als Minister in der Regierung
Scharons sitzen können, die den Gaza-Streifen aufgeben will. Er
wollte nicht in die Bredouille geraten, im Kabinett gegen den
Regierungschef stimmen zu müssen. Wenn er für die Auflösung der
Siedlungen stimmen müsse, dann sei das so, als serviere man einem
religiösen Juden Schweinefleisch.
hagalil.com
21-01-04 |