Gerade jetzt:
Scharons Timing wirft Fragen auf
Von Simcha Kadmon, Jedioth Achronoth, 03.02.04
Man kann es nicht anders sagen, Sharon ist ein
Künstler bei der Gestaltung der öffentlichen Meinung, ein Maestro bei
der Schaffung der nächsten Schlagzeile, die die vorherige verdrängt.
Er glaubt tatsächlich an seine Fähigkeit, die
aktuellen Themen ändern und die öffentliche Tagesordnung festlegen zu
können. Auch wer das Upgrade befürwortet, das er gestern dem politischen
Prozess verliehen hat, und das tut die Mehrheit der Öffentlichkeit, kann
man nicht umhin, sich über das Timing zu wundern. Denn so ist es nun
mal, wenn das juristische Schwert über dem Kopf des Ministerpräsidenten
schwebt: jede Entscheidung wird vor dem Hintergrund seiner persönlichen
Situation getroffen.
Das soll nicht heißen, dass Sharon nicht meint, was er
sagt. Das soll nicht heißen, dass er seine Meinung zum Gazastreifen
nicht geändert hat. Wahrscheinlich hat er sie wirklich geändert. Aber
der Zeitpunkt seiner Erklärung, drei Tage vor seinem polizeilichen
Verhör, wirft natürlich einige Fragen auf.
In den letzten Wochen, seitdem die Anklageschrift
gegen David Appel eingereicht wurde, hätte sich die gesamte öffentliche
Aufmerksamkeit auf den MP richten sollen, sie richtete sich jedoch auf
den Gefangenenaustausch. Jetzt richtet sie sich auf die Räumung des
Gazastreifens. Ein beachtlicher Erfolg für jemanden, der die Abnahme
seiner öffentlichen Unterstützung als sein größtes Problem erkannt hat.
Wenn man die Äußerungen Sharons untersucht, sollte man
sich also auf das konzentrieren, was er nicht gesagt hat. Er nicht
gesagt, welche Siedlungen genau geräumt werden, er hat keinen Zeitplan
genannt, es gibt keinen Beschluss der zuständigen Stellen- Regierung und
Knesset- es gibt kein definiertes Programm und noch keine Übereinkunft
mit den Amerikanern. Die an sich dramatische Erklärung ist deshalb keine
konkrete Maßnahme. Denn wenn es noch kein Programm gibt, warum spricht
man darüber?... Warum lässt Sharon es schon zu einem so frühen Zeitpunkt
auf eine Konfrontation mit den Siedlern und mit seinen
Koalitionspartnern ankommen?
Vor seiner Reise nach Washington muss Sharon gar
nichts tun, außer ein attraktives Päckchen für Präsident Bush
vorzubereiten, um ihm sein Ablösungsprogramm schmackhaft zu machen.
Genau das hat Sharon getan. Er bereitet ein Päckchen
für Bush vor: "Gaza-komplett" könnte man es nennen. Wenn die Amerikaner
bisher über Sharons Programm nicht gerade begeistert waren, so werden
sie jetzt ihre Meinung vielleicht ändern. Sharon kann Bush erklären,
dass sein Programm keinen Widerspruch zur Roadmap darstellt. Es ist eine
einseitige Umsetzung eines Teils davon.
Die Probleme könnten nach seiner Rückkehr beginnen,
wenn er den Amerikanern zeigen muss, dass er sein Programm auch umsetzen
wird. Gestern in der Knesset musste er bereits einen kleinen Preis
zahlen: zum ersten Mal seit der Gründung seiner Regierung zeichnete sich
ihr Sturz ab. Die NRP und der Ichud Leumi enthielten sich gestern der
Abstimmung, so auch einige Abgeordnete des Likud, die "die Rebellen"
genannt werden. Das war ein klares Signal an den MP.
In der Zwischenzeit beabsichtigt die Rechte jedoch
nicht, Shinui und der Avoda in die Hände zu spielen, und hat sich
deshalb nur enthalten. Sie differenzieren noch immer zwischen Gerede und
Taten, zwischen Erklärungen und Räumung. Bei der gestrigen Abstimmung
sagten sie jedoch zu Sharon: die kleine Mehrheit ist kein Zufall, und
mit Sicherheit nicht endgültig.
hagalil.com
04-02-2004 |