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Worte und Taten:
Der doppelte Scharon

Von Thorsten Schmitz

Auch nach drei Jahren im Amt bleibt die meist gestellte Frage in Israel: Was eigentlich will Regierungschef Ariel Scharon? Denn es gibt zwei Scharons: einen, der redet, und einen, der handelt. Beide haben miteinander nichts zu tun, sie widersprechen sich ständig. Der eine Scharon hat zum Amtsantritt vor drei Jahren das Ende der Intifada versprochen, die ihm via Tempelberg-Visite zur Macht verholfen hatte. Derselbe Scharon spricht zum Entsetzen seiner Klientel von einem palästinensischen Staat und davon, dass Israel "nicht an all den Orten bleiben kann, an denen es sich zur Zeit aufhält".

Das sind geradezu revolutionäre Worte für einen Mann, dem seit dem von ihm initiierten Libanonfeldzug 1982 das Image eines Bulldozers anhaftet und der als Vater der Siedlerbewegung gilt. Es war dieser Scharon, der dem Friedensfahrplan des Nahost-Quartetts zugestimmt hat, in dem Israel zum Baustopp für jüdische Siedlungen aufgefordert wird. Seltsam nur, dass bei all der Konzilianz Scharons die auf dem Anspruch eines Groß-Israel basierende Koalition nicht längst zerplatzt ist. Als Chef der Likud-Partei, deren Zentralkomitee mehrheitlich gegen die Bildung eines Palästinenserstaates votiert hat, stellt Scharon gerade diesen Staat in Aussicht – ohne dass er gestürzt würde.

Tatsächlich lässt Scharon seinen Worten keine Taten folgen. Es scheint, als habe er von seinen Koalitionspartnern eine rhetorische Narrenfreiheit erhalten, um das politische Zentrum zu besetzen und um die ungeduldige israelische Öffentlichkeit und die US-Regierung zu besänftigen. Dabei betreibt Scharon Augenwischerei, wenn er die Auflösung jüdischer Siedlungen in Aussicht stellt. Allein in diesem Jahr hat Scharon den Bau von 1627 neuen Wohnungen und Häusern in den besetzten Gebieten verfügt. Gegenüber US-Außenminister Colin Powell rechtfertigte er dies damit, dass er schwangere Siedlerinnen ja wohl nicht zur Abtreibung auffordern könne. Dies ist also der andere Scharon, der Siedlungen (aus)bauen lässt und glaubt, mit Gewalt die Gewalt der Palästinenser beenden zu können.

In all den Jahren im Amt hat Scharon nicht eine einzige diplomatische Initiative verfolgt. Stattdessen hat er über das palästinensische Volk eine Kollektivstrafe verhängt, weil es den blutigen Terror seiner Landsleute und seines Präsidenten Jassir Arafat duldet. Westjordanland und Gaza-Streifen werden von der israelischen Armee besetzt und kontrolliert wie vor Beginn der Osloer Friedensphase vor zehn Jahren. In seiner Autobiographie "Krieger" bezeichnet es Scharon als sein Ziel, in den Köpfen der Araber eine "Psychologie der Niederlage" zu kreieren, sie ständig zu schlagen, bis sie zur Überzeugung gelangten, "dass sie niemals siegreich" sein könnten.

Das ausschließliche Vertrauen auf Stärke rächt sich nun. Die Opposition wächst, Soldaten, Luftwaffenpiloten und der Generalstabschef fordern eine politische Lösung des Konflikts. Diese Lösung gibt es bereits: Die "Genfer Vereinbarung" israelischer und palästinensischer Politiker deklariert ein (virtuelles) Ende des Nahost-Konflikts.

Scharon und seine Regierung reagieren hysterisch auf die Initiative. Sie verdammen den Vorschlag wie sie den Friedensvertrag von Oslo verdammen. Es ist die Hysterie einer Regierung, die sich als kompromissunfähig entlarvt fühlt. Scharons Strategie ist einfach zu durchschauen: Anstatt den palästinensischen Terrorismus mit einer Zwei-Staaten-Lösung einzudämmen, will er die palästinensischen Autonomiegebiete in kleine kontrollierbare Kantone zerstückeln, Siedlungen vergrößern und gleichzeitig die Grüne Linie, die Waffenstillstandsgrenze vom Sechs-Tage-Krieg, verwischen.

Dies sei ein "Rezept für ein Ghetto, nicht für einen freien Staat", kritisiert der israelische Politikwissenschaftler Avi Schlaim. Scharon kleidet seine Absichten in Olivenzweige und Friedensrhetorik, während er – ungerührt vom amerikanischen Zorn – einen Sperrwall durchs Westjordanland zieht, den er Sicherheitswall nennt. Dieser Zaun soll Israel und seinen 230 000 jüdischen Siedlern Sicherheit vor den Palästinensern geben und Israels Hoheit über die Grundwasserreserven garantieren.

Einerseits bedient Scharon also eine Stimmung in der israelischen Gesellschaft, wenn er vom Rückzug aus den völkerrechtswidrig besiedelten palästinensischen Gebieten spricht. Da zeigt er sich als Populist, der seine Macht sichern will. Die Zustimmung der Zweifler ist ihm wichtig, denn er will die dunklen Flecken aus seiner Vita tilgen, um das Image eines Kriegers loszuwerden; er möchte in einem Atemzug genannt werden mit Menachem Begin etwa, der einen (wenn auch kalten) Frieden mit Ägypten und die Räumung jüdischer Siedlungen aus der Sinai-Halbinsel zuließ.

Der andere Scharon indes, jener, der an seinen Taten gemessen wird, ist die alte, authentische Figur. Die Besatzung ist seiner Meinung nach ganz im Sinne von Israels strategischem Interesse. Die Ansicht beruht auf einem in all den arabisch-israelischen Kriegen geprägten tiefen Misstrauen gegenüber der arabischen Welt. Scharon vergisst dabei, dass er für einen Frieden mit den Palästinensern die Palästinenser braucht. Als gespaltene Person wird er keine Politik machen können.

Ansichten aus Israel

hagalil.com 01-12-03

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