Scharons Konzessionen sind zunächst nichts als schöne Worte:
Friedensgruß vom Bulldozer
Von Thorsten Schmitz
Jerusalem – In Israel macht sich vorsichtiger
Optimismus breit, dass mit Saddam Husseins Verschwinden nun eine Ära
beginnen werde, in der die arabischen Nachbarstaaten den Ausgleich
mit dem jüdischen Staat suchen. So feiern die Israelis in diesem
Jahr das jüdische Pessach-Fest in einer zuversichtlichen Stimmung,
die zusätzlich genährt wird von Regierungschef Ariel Scharon. Es
entspricht israelischer Tradition, dass die Premierminister an
Pessach und Rosch Haschana (Neujahr) in großen Interviews von der
tagesaktuellen Politik Abstand nehmen und einen Blick auf die Lage
des jüdischen Staates werfen. Dass der gegenüber Medien im
Allgemeinen wortkarge Scharon sich nun in den letzten Tagen
ausführlich äußert, ist keine Sensation. Verwirrend sind vielmehr
die versöhnlich stimmenden Töne eines Regierungschefs, der seit
Beginn seiner ersten Amtszeit vor drei Jahren ausschließlich
militärisch auf palästinensischen Terror reagiert.
Scharon sagt, sollten die Palästinenser Gewalt und
Aufhetzung gegen Israel stoppen, ihre Regierungsapparate inklusive
der Sicherheitsdienste reformieren und Palästinenserpräsident Jassir
Arafat vom Thron stoßen, sei er zu einer Auflösung jüdischer
Siedlungen bereit. Auf Änderungen am Friedensfahrplan des
Nahost-Quartetts werde nicht mehr bestanden, und zudem wolle er sich
mit dem neuen Palästinenserpräsidenten Machmud Abbas (alias Abu
Mazen) treffen, sobald dieser – voraussichtlich in der Woche nach
Ostern – in seinem Amt vereidigt werde. Scharon wolle nicht erst auf
"irgendwelche Vermittler" warten.
In Israels politischen Kreisen hat nun das
Rätselraten um Scharon begonnen. Wird der als Bulldozer verschrieene
Regierungschef nun doch noch im Alter von 75 Jahren zum politischen
Lamm, fragen Kommentatoren und Talkshow- Moderatoren. Es ist das
erste Mal seit Scharons Amtsantritt überhaupt, dass er namentlich
jüdische Siedlungen erwähnt hat (Schilo und Beit El im
Westjordanland), die im Rahmen eines Friedensschlusses mit den
Palästinensern evakuiert würden. Bislang hatte er sich vage in die
Floskel geflüchtet, er sei bereit, "schmerzhafte Kompromisse"
einzugehen. Zudem begeht Scharon verbales Harakiri, denn seiner
Regierungskoalition gehören zwei ultra-rechte Parteien an, die
sofort die Regierungsbank verlassen würden, tastete Scharon auch nur
eine Siedlung an.
Scharons Äußerungen deuten zwar Konzessionen an,
doch bis zu ihrer Realisierung können noch Jahrzehnte vergehen. Denn
der Regierungschef hat viele Bedingungen an die Evakuierung
jüdischer Siedlungen geknüpft. Die Palästinenser sollen zuallererst
die Gewalt völlig stoppen, doch damit wird es jedem Terroristen
ermöglicht, durch einen Anschlag den Friedensprozess zu bremsen.
Zudem erwähnte Scharon nur zwei kleinere Siedlungen – im gesamten
Westjordanland leben aber 200000 jüdische Siedler.
Israel hofft auf US-Kredite
Scharons Äußerungen sind bestimmt für die Ohren
der US- Administration, die um ihrer Glaubwürdigkeit willen
gegenüber der arabischen Welt versucht, im Nahost-Konflikt
intensiver als bisher zu vermitteln. Israel will eine Konfrontation
mit den USA vermeiden. Zumal erwartet Jerusalem mehrere Milliarden
an US-Krediten zur Aufpäppelung der katastrophalen Wirtschaftslage.
Gleichzeitig bastelt sich der Taktiker Scharon ein
Netz aus den Worten: Sollten die rechten Parteien seiner Koalition
vor lauter Empörung über Scharons verbalen Frieden aussteigen, würde
er elegant die Arbeitspartei "Awoda" zum Mitregieren auffordern.
Diese könnte das Angebot dann nicht wie zuvor mit der Begründung
ablehnen, dass Scharon keine Siedlungen evakuieren wolle.
hagalil.com
20-04-03 |