Schimon Peres:
Israelischer Visionär aus vergangenen Zeiten
Von Thorsten Schmitz
Die Hartnäckigkeit, mit der Israels
Noch-Oppositionsführer Schimon Peres nach Ämtern Ausschau hält, hat
ihm zu Hause viel Spott eingebracht. In Karikaturen wird er stets
als eitel und arrogant oder als Verlierer gezeigt. Zum Ruf der
Unnahbarkeit trägt bei, dass er sich über sein Privatleben
beharrlich ausschweigt. Nie lässt er sich mit seiner Frau Sonja, mit
der er seit 1945 verheiratet ist, in der Öffentlichkeit blicken. Und
in einem Gespräch mit der SZ blaffte er einmal auf die Frage, wann
und wie er den Urlaub verbringe: "Ich brauche keinen Urlaub, ich
wüsste nicht, was ich am Strand verloren habe."
Als Vorsitzender der Arbeitspartei "Awoda" will
der 81 Jahre alte Peres nun der Regierung von Ariel Scharon
beitreten, allein: nicht um jeden Preis. Auf das Amt des
Außenministers musste er bereits verzichten, weil Scharon auf keinen
Fall den Amtsinhaber Silvan Schalom opfern will, der in seiner
Likud-Partei zu den Gegnern des geplanten Rückzugs aus dem
Gaza-Streifen gehört. Also versprach der Premier seinem Duzfreund
Peres das Amt des zweiten stellvertretenden Regierungschefs, das
allerdings einen Haken hat: Es war im israelischen Gesetz bisher
nicht vorgesehen.
Bislang also konnte der Koalitionsvertrag, der
ursprünglich bereits am Sonntag unterzeichnet werden sollte, nicht
in Kraft treten. Vorläufig ohne Ministeramt in die Regierung
Scharons einzutreten, kommt für Peres nicht in Frage. Eingeschnappt
wehrte er sich in der Nacht zum Montag gegen die Vorwürfe der
israelischen Medien, nur wegen seiner eigenen Ambitionen verzögere
sich die Regierungsbildung: "Warum werde ich attackiert? Ich habe
bereits die Konzession gemacht, nicht auf den Posten des
Außenministers zu bestehen."
Auch parteiinterne Kritiker werfen Peres vor, die
Seele der Partei nicht mehr zu repräsentieren. Wegen ihres
Zickzackkurses hat sie in den vergangenen Jahren viele Wähler
verloren. Anstatt aus der Opposition heraus Scharons Gaza-Plan zu
unterstützen, habe Peres in die Regierung gedrängt, wirft ihm etwa
Jossi Beilin vor, der früher Justizminister der Arbeitspartei war
und heute die linke "Jachad"-Partei anführt.
Ein neues Amt in der Regierung dürfte für Peres,
der zwar schon als Nachrücker Regierungschef war, aber noch nie eine
Wahl gewann, der letzte Auftritt auf der politischen Weltbühne
werden. Er will dabei sein, wenn Scharon mit den
Siedlungsauflösungen im Gaza-Streifen Geschichte schreibt. Viel
lieber allerdings wäre er wohl in die Annalen eingegangen mit seiner
Vision vom "Neuen Nahen Osten" , über die er 1993 ein ganzes Buch
verfasst hat - einen Ladenhüter allerdings. Aber der starrsinnige
Palästinenserpräsident Jassir Arafat, mit dem er sich 1994 den
Friedensnobelpreis für die Oslo-Verträge teilte, hatte ihm einen
Strich durch die Rechnung gemacht.
Vielleicht aber betrachtet Peres ein letztes
Regierungsamt auch als eine Art Wiedergutmachung. Schließlich hat
der im Ausland weit mehr als zu Hause geschätzte Vollblutpolitiker
selbst Dutzende jüdischer Siedlungen mit gegründet. Heute aber zeigt
er sich überzeugt, "dass der Siedlungsbau ein historischer Irrtum
gewesen ist".
hagalil.com
22-12-04 |