Politik aus der Trickkiste
Israels Premier
Scharon will seinen Rivalen Netanjahu einbinden, doch der will ganz
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Von Thorsten Schmitz
Für Israels Premier Ariel Scharon könnte sich
die Offerte an seinen innerparteilichen Rivalen Benjamin Netanjahu,
dieser möge das Außenministerium übernehmen, als selbst gestellte
Falle entpuppen. Denn Scharon hat, nicht zum ersten Mal, die
Bauernschläue Netanjahus unterschätzt. Um diesen von Versuchen
abzuhalten, die derzeitige Minderheits-Regierung zu torpedieren und
zu Neuwahlen zu drängen, kam Scharon auf die Idee mit dem
Kabinettsposten.
Netanjahu spricht im Gegensatz zu vielen anderen
Ministern perfektes Englisch und ist Israels bester Anwalt auf der
diplomatischen Bühne. Auch ist der erst 52 Jahre alte Ex-Premier
nach dem vorzeitigen Zusammenbruch seiner Regierung vor drei Jahren
unausgelastet. Für Scharon also wäre ein unter ihm dienender
Netanjahu die beste Lösung: Indem er seinen innerparteilichen Feind
in die Regierung einbindet, stellt er ihn ruhig. Zugleich muss
Netanjahu die Offerte annehmen, will er nicht als ein eigennütziger
Politiker gebrandmarkt werden, der seine persönlichen Ambitionen
über das Interesse Israels stellt – eines Landes, das sich in der
existentiellsten Krise seit Jahrzehnten befindet.
Doch Scharon hat Netanjahu offenbar unterschätzt.
Dieser ist zwar bereit, das Außenministerium zu führen – aber nur,
wenn vorzeitige Wahlen ausgerufen werden. Denn mit dieser
ultrarechten, religiösen Koalition könne nicht vernünftig regiert
werden. Die Retourkutsche Netanjahus stellt Scharon vor ein Dilemma:
Sollte er sich gegen Neuwahlen aussprechen – was er bislang aus
Angst vor einer Kandidatur Netanjahu getan hat –, steht der
74-Jährige selbst als ein Mann da, der verzweifelt an der Macht
klebt.
Wie das Ringen zwischen den beiden Likud-Rivalen
ausgehen mag, ist derzeit noch ungewiss. Tatsächlich aber könnte der
Auszug der Arbeitspartei "Awoda" die letzten Tage der Koalition
Scharons eingeleitet haben. Denn der Premierminister, der seinem
Volk fast hypnotisch anderthalb Jahre lang die Vorzüge einer großen
Koalition nahe gelegt und potentielle Gegner mit Posten und Zulagen
mundtot gemacht hat, kann als Büttel einzig rechter und religiöser
Parteien politisch nicht überleben. Diese haben in der Vergangenheit
immer wieder ihren Status als Zünglein an der Waage missbraucht, um
die Regierungschefs für ihre Partikularinteressen zu erpressen.
Neuwahlen in Israel scheinen unvermeidlich zu sein, um das Land vor
einer innenpolitischen Lähmung zu bewahren.
Sollte Netanjahu das Sterben der Koalition
hinauszögern und der Regierung beitreten, ist das für die
Außenpolitik kein Gewinn. Als Premierminister hat er durch seine
konfrontative und ignorante Führung die guten Beziehungen zu den USA
mehrmals aufs Spiel gesetzt. Zudem will Netanjahu
Palästinenserpräsident Jassir Arafat ins Exil schicken, was auch
Scharon am liebsten täte, hätte er US-Präsident George W. Bush nicht
das Versprechen gegeben, Arafat unversehrt zu lassen. Die USA
betrachten den verzweifelten Versuch Scharons, an der Macht zu
bleiben, am Vorabend eines Militärschlags gegen den Irak mit Sorge.
hagalil.com
05-11-02 |