Der optimistische Skeptiker:
Shaul Mofas und die zwei Fahnen
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz,
18.07.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Nach der erfolgreichen Rettung des Taxifahrers
Eliyahu Gurel (Anmerkung: der Taxifahrer wurde letzten Freitag
von Palästinensern entführt und konnte am Dienstag in der Nähe von
Ramallah von einer israelischen Eliteeinheit befreit werden.)
sagte der israelische Verteidigungsminister Shaul Mofas in privatem
Rahmen, dass "auf palästinensischer Seite positive Dinge geschehen,
die wir nicht durch unsere Finger gleiten lassen sollten". Weil der
Premierminister, der Minister für Öffentliche Sicherheit, der
Generalstabschef und der Chef der Polizei außerhalb des Landes
waren, war Mofas der Mann an der Spitze und traf die Entscheidungen
in der Angelegenheit "Gurel". Die Anrufe, die er von
palästinensischer Seite erhielt, waren voller Betroffenheit und
Hilfsbereitschaft und auch voller Bestreben, die Sache nicht
abzublasen. Diese Anrufe hinterließen ihn beeindruckt.
Die Gespräche mit den Palästinensern über den
Fahrplan haben Mofas verändert. Er wandelte sich von einem
vollkommenen Skeptiker in einen optimistischen Skeptiker. Der Mann,
der den Kampf gegen die Al-Aqsa-Intifada mit eiserner Faust führte
und eine Spur der Zerstörung und Tausende von Toten und Verwundeten
hinterließ, spricht nun von "positiven Zeichen" aus dem
palästinensischen Lager. Er spricht über einen drastischen Rückgang
der Hetze und der Terrorwarnungen und über den wirklichen Wunsch der
neuen palästinensischen Führung, nicht zur Intifada zurückzukehren.
Dahlan sagte öffentlich: "Von unserer Perspektive aus gesehen ist
die Intifada vorbei."
Mofas nannte in einem Interview mit NBC zwei
Gründe für seinen Optimismus: amerikanische Einmischung und die
Tatsache, dass beide Seiten zu dem Schluss gelangt sind, dass ein
militärischer Sieg unmöglich ist. Er sieht Dahlan als Schlüssel zum
Erfolg des Fahrplans. Inmitten eines Treffens mit Sharon und seinen
Ministern, überbrachte ihm Sharons Sekretär eine Nachricht. "Was ist
das? Noch ein Terroranschlag?" fragte einer der Minister. "Nein,
kein Anschlag", sagte Dahlan schnell wie ein Augenzwinkern.
"Die kommenden Wochen werden kritisch sein", sagt
Mofas. "Wir wissen, dass die Feuerpause den Terrororganisationen
Zeit gibt, um sich mit Waffen einzudecken. Und zwei
(palästinensische) Führungszentren haben zu einer Situation geführt,
in der Arafat das Leben Abu Mazens schwer machen kann. Doch wir
erkennen auch an, dass die Palästinenser Zeit brauchen."
Die Dinge mögen sich zum Besseren gewandt haben,
sagt Mofas, doch wir müssen unsere Augen weit geöffnet halten. Zur
gleichen Zeit wird er nie müde zu sagen, dass wir der gegenwärtigen
Initiative eine Chance geben müssen. Denn wenn sie misslingt, wird
die Rückkehr zu dem, was wir vor der Feuerpause hatten, sehr
mühevoll werden.
Abu Mazen hat das Ziel eines palästinensischen
Staates nicht geändert, sondern nur den Weg, der dorthin führt.
Mofas glaubt, dass "wir den Palästinensern das Bewusstsein geben
müssen, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt. Wir müssen manche
Dinge entspannen, um ihnen das Gefühl einer Veränderung der
Stimmungslage zu geben. Zum Beispiel, indem man eine bessere Lösung
hinsichtlich der Freilassung von Gefangenen findet. Das ist ein
Punkt, der sehr wichtig für sie ist."
Beim Treffen am Erez-Kontrollpunkt, das letzte
Woche stattfand, beklagte sich Dahlan bei Mofas über die geringe
Anzahl der Gefangenen, die Israel bereit war freizulassen. "Sagen
Sie Abu Mazen, er soll sich mit dem Premierminister treffen", schlug
Mofas vor und ließ so mit der Zartheit eines Vorschlaghammers den
Hinweis fallen, dass er nicht mit leeren Händen gehen würde. "Sagen
Sie es ihm", erwiderte Dahlan und überreichte ihm das Handy mit Abu
Mazen am anderen Ende der Leitung. So wurde letzte Woche das Treffen
mit Sharon arrangiert.
Die Freilassung der Gefangenen benötigt nicht
länger die Zustimmung der Regierung, da einem Komitee aus fünf
Mitgliedern, das von Sharon und Mofas angeführt wird, die Aufgabe
übertragen wurde, eine Entscheidung zu treffen. "Alles, was in
unseren Zuständigkeitsbereich fällt, lohnt sich zu tun.", sagt
Mofas. "Restriktionen erleichtern, die Verantwortung für mehr Städte
übergeben, die Zahl der Arbeiter erhöhen, Vorposten entfernen."
Dahlans Spitzname für Mofas lautet "Mister
Results" (Herr Ergebnisse), weil Mofas immer sagt, dass alles von
den Ergebnissen abhängt. Dahlan mag den Druck auf Abu Mazen, die
Hamas zu entwaffnen, nicht. "Gebt uns Zeit", sagt er, "lasst mich
auf meine Art damit umgehen. Schließlich sind es die Ergebnisse, die
zählen, oder nicht?"
"Wenn es so einfach ist, warum habt ihr es dann
nicht geschafft, die Hamas loszuwerden?" brach es bei einem der
Treffen ärgerlich aus Dahlan heraus. Trotz seinem Optimismus glaubt
Mofas, dass die erste Stufe mehrere Monate in Anspruch nehmen wird.
Mittlerweile ist die Wirtschaft am Brennen. Im
Jahr 1971 sagte Moshe Dayan, es sei unmöglich, die Fahnen der
Verteidigung und der sozialen Reformen gleichzeitig zu hissen. 32
Jahre später sagt Mofas, dass die Wirtschaft ein Derivat der
Verteidigungssituation ist und deshalb ist ein Abkommen in unserem
eigensten Interesse.
Vicki Knafo und ihre Bewunderer können von einer
Seite des Landes zu anderen marschieren. (Anmerkung: Vicki Knafo
ist eine alleinerziehende Mutter, die letzte Woche von Mitzpeh Ramon
(in der Negev-Wüste) nach Jerusalem gelaufen ist, um gegen
vorgesehene Kürzungen bei den Sozialleistungen zu protestieren.)
Doch wenn man nach unserem Ex-Generalstabschef geht, der zu einem
Politiker mit nationalen Führungsambitionen heranreift, dann lautet
die Bilanz unter dem Strich, dass die Verteidigungssituation
entscheidet, ob die sozio-ökonomische Flagge entrollt werden kann.
hagalil.com
18-07-2003 |