Mazuz' mutiges Auftreten:
Je erhabener der Freispruch
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 18.06.2004
Übersetzung Daniela Marcus
Ich leugne es nicht: Die Pressekonferenz und
die Schlussfolgerungen von Menny Mazuz ließen mich vor Glück
zerfließen. Der Grund dafür ist vor allem, dass einem das Schließen
der Akte Scharon einen großen Stein vom Herzen fallen lässt. Denn
wer möchte in einem Land leben, in dem der Premierminister wegen
Korruption und Bestechung angeklagt ist, während das politische
System Purzelbäume schlägt?
Ein zweiter Grund ist, dass Mazuz das, was er zu
sagen hatte, klar und deutlich vortrug. Seine Bemerkungen konnten
von jedermann verstanden werden. Man musste nicht durch einen Sumpf
juristischer Ausdrücke waten. Man hörte nichts von "vielleicht", von
"andererseits" oder von "dem Anschein nach". Mazuz kam direkt auf
den Punkt und zerpflückte eins nach dem anderen die Argumente der
Staatsanwaltschaft. Er machte den Zuhörern klar, dass es keine
Schuld gäbe und dass deshalb keine Anklage gegen Ariel Scharon
erhoben werde.
Mazuz' mutiges Auftreten hat sein Image aufpoliert
und ihn als eine neue Art von Generalstaatsanwalt ausgezeichnet –
außen weich und innen fest, um ein altes lateinisches Sprichwort zu
zitieren. Die Mikrophone auf dem Podium waren technisch nicht ganz
in Ordnung und schufen dadurch den Eindruck, Mazuz stottere – doch
es gab kein Stottern. Auf Grund seiner entschiedenen Art und seiner
Fähigkeit, die einzelnen Punkte gut zu vermitteln, war es eine
Wohltat, Mazuz zuzuhören.
Jeder, der die Schließung der Akte
"Griechische-Insel-Affäre" als Schwäche oder als Nachgeben gegenüber
der Regierung betrachtet, handelt unbesonnen. Die Tatsache, dass
Mazuz wie ein bescheidener und zurückhaltender Mann aussieht,
bedeutet nicht, dass er irgendeine Art von Unentschlossenheit an den
Tag legen wird, sollte es auf Grund genügender Beweise zu einer
Anklage in der "Cyril-Kern-Affäre" kommen. Die Politiker sollten
sich nicht von Mazuz' bescheidenem Auftreten täuschen lassen. Er ist
einer der Menschen, über die man sagen kann: "Stille Wasser gründen
tief."
Eine der Kritiken an Mazuz war, dass sein Bericht
nichts über die öffentliche Ethik sagt. Er enthält keine
Moralpredigt, keine Zitate aus der Mischna, dem Talmud oder dem
Koran. Keinen psychologischen Kommentar von der Art, wie sie die
Berichte von Mazuz' Vorgängern füllten. Nicht, dass es nichts über
die übel riechende Allianz zwischen Tycoons und ranghohen Politikern
zu sagen gäbe. Doch Mazuz verfolgt die richtige Spur. Ein
Generalstaatsanwalt ist kein Prediger und kein Psychologe. Sein Job
ist es zu entscheiden, ob es Beweise für eine Anklage gibt oder
nicht.
Die Argumentation, nach der Mazuz den Text über
die Meinung der früheren Staatsanwältin und deren Anklageentwurf
gemeinsam mit seinem eigenen Bericht hätte veröffentlichen sollen,
ist lächerlich. Denn sein 76seitiger Bericht zählt die Argumentation
der Staatsanwaltschaft Punkt für Punkt auf und fasst alle
Hauptargumente zusammen. Wenn man dem Gesetz Geltung verschaffen
will, zählt vor allem eines: Gibt es genügend Beweise, um eine
Anklage zu erheben oder nicht? Denn es handelt sich hier nicht um
eine Auktion, bei der zwei Entscheidungen zur Auswahl stehen und das
höchste Angebot entscheidet.
Mazuz' einziger grober Fehler während der
Pressekonferenz war sein persönlicher Angriff auf das Büro der
Staatsanwaltschaft. Das war unnötig und unfair – selbst wenn er
tatsächlich denkt, dass Edna Arbel ein schmutziges Spiel gespielt
hat, als sie die Empfehlung gab, Scharon anzuklagen. Deshalb tat
Mazuz das richtige, als er sich schleunigst für dieses Fehlverhalten
entschuldigte.
Durch den Freispruch wurde Scharon, der seinen
politischen Stand schwinden sah, eine große Last von den Schultern
genommen. Ab sofort kann er damit beginnen in dieser politisch
chaotischen Situation etwas zu tun. Es ist eine Situation, in der
ein Premierminister seinen eigenen Leuten in der Partei und in der
Regierung nicht trauen kann. Sie machten sich trotzig aus dem Staub,
als sich die Knesset zur Stellung der Vertrauensfrage versammelte.
Nur 25 der 40 Likud-Abgeordneten unterstützen die
Regierung. Und Scharon wird öffentlich verspottet, dass er seine
Karriere ruiniere und nicht den Mut habe, diejenigen Minister zu
feuern, die ihre eigene Regierung nicht unterstützen. Während sie
dagegen kämpfen, dass die Arbeiterpartei der Koalitionsregierung
beitritt, bereiten sich Gegner des Abkopplungsplans darauf vor,
einen einseitigen Rückzug aus Gaza zu sabotieren, indem sie Scharon
stürzen wollen.
Mazuz' Entscheidung hat den Weg für Scharon
geebnet, bis nach 2005 im Amt zu bleiben und durch Umstrukturierung
in der Koalition eine politische Auferstehung zu erleben. Im Moment
kann Netanyahu seinen besten Anzug in den Schrank zurückhängen. Wenn
Scharon das Bauen und Einzäunen von Siedlungen nicht mehr ertragen
kann und eine Einheitsregierung hinter sich hat, kann er nach vorne
durchstarten. Seine Grabredner werden mit der Tatsache fertig werden
müssen, dass er den Rubikon überquert hat und beabsichtigt, an
seiner Verpflichtung gegenüber der Abkopplung festzuhalten.
All diejenigen, die herumliefen und sagten "Je
tief gehender die polizeiliche Untersuchung, desto tief greifender
der Rückzug", werden ihre Melodie ändern müssen in: "Je erhabener
der Freispruch, desto tief greifender die Räumung."
hagalil.com
18-06-2004 |