Scharons Pläne zum Rückzug aus Gaza:
Die Loslösung - das vollständige Programm
Maariv enthüllt: Eine detaillierte
Kopie des Entwurfs des Loslösungsprogramms, das vom Rat für nationale
Sicherheit ausgearbeitet wurde
Ben Caspit, Maariv v. 11.03.2004
Der Gazastreifen wird voll und ganz geräumt, mit
Ausnahme der drei nördlichen Siedlungen und der Philadelphia-Achse, die
erweitert wird. Darüber hinaus werden nach der Räumung keine
militärischen Einheiten im Gazastreifen belassen. Die Infrastrukturen
der geräumten israelischen Siedlungen werden nicht zerstört, sondern es
wird sich bemüht werden, sie an "irgendjemanden" zu übergeben. Dies ist
ein Teil der Empfehlungen, die im Entwurf des Loslösungsprogramms
erscheinen, den der Rat für nationale Sicherheit ausgearbeitet hat.
Maariv liegt eine Kopie des Entwurfs vor, den
Reservegeneral Giora Eiland auf Bitten Sharons aufgesetzt hat. In der
Einführung des Dokuments wurden die Anweisungen des Ministerpräsidenten
an das Team Eilands aufgeschrieben, unter dem Titel "Die
Herausforderungen".
Unter anderem steht dort: "Langfristige Verbesserung
der Sicherheitslage, Vermeidung eines großen Risses in der Bevölkerung,
internationale Unterstützung gewinnen, die palästinensische
Verpflichtung nicht verletzen, die erste Phase der Roadmap umzusetzen,
bei der palästinensischen Führung ein Gefühl der Niederlage erwirken,
die (zumindest passive) Zusammenarbeit Ägyptens und Jordaniens gewinnen,
nicht den Eindruck erwecken, man ziehe unter Beschuss ab, und all dies
zu einem vernünftigen wirtschaftlichen Preis."
Entsprechend dieser Anweisungen legte der Rat für
nationale Sicherheit einen nicht endgültigen Entwurf vor, der dem
Ministerpräsidenten die diversen Alternativen zu jedem Thema aufzeigt,
einschließlich einer Analyse der juristischen und wirtschaftlichen
Fragen, die aus der Loslösung entstehen. Die Bedeutung dieses Entwurfs
liegt darin, dass er Empfehlungen für alle Bereiche enthält.
In Gaza empfahl der Rat eine vollständige Räumung des
gesamten Streifens, mit Ausnahme der drei nördlichen Siedlungen und der
Philadelphia-Achse. Die drei Siedlungen sind Nissanit, Dugit und Alei
Sinai. Es wird empfohlen, die Philadelphia-Achse nicht nur nicht zu
räumen, sondern sogar zu erweitern. Weiter wird empfohlen, nach der
Räumung keine Truppen im Gazastreifen zu belassen, die Infrastrukturen
der Siedlungen nicht zu zerstören und den gesamten Gush Katif zu räumen.
In dem Entwurf heißt es auch: "Es muss stets mit heftigen Widerstand der
Siedler gerechnet werden."
Zu den militärischen Bedrohungen, welchen sich Israel
mit Umsetzung des Programms aussetzen würde, heißt es in dem Entwurf:
"Eskalation des Terrors (als Folge von Übermotivation der Terroristen),
Erschütterung des palästinensischen Regimes (könnte auch ein Vorteil
sein), Übernahme der Kontrolle über den Gazastreifen durch Hamas,
Verbesserung des Potenzials, Kassam-Raketen abzuschießen, eine
humanitäre Krise in den palästinensischen Gebieten, in die Israel
hineingezogen wird, Anpassung des Terrors an die neue Situation und eine
daraus resultierende verstärkte Wiederaufnahme von Terrorakten,
Verletzung des geheimdienstlichen Potenzials Israels als Folge des
Rückzugs aus dem Gazastreifen."
Im Zusammenhang mit dem Rückzug aus der Westbank
werden vier Alternativen präsentiert:
Nichts in den Siedlungen und vor Ort zu unternehmen.
Die Loslösung ist lediglich transport-technischer Art und ermöglicht den
Palästinensern eine bessere Bewegungsfreiheit in den Gebieten. Nicht
mehr.
Eine kleine Maßnahme, die die Räumung von nur vier Siedlungen im Norden
Samarias beinhaltet.
Eine große Maßnahme, mit der ausreichende Bedingungen für die Gründung
eines Palästinenserstaats geschaffen werden.
Eine "vollständige" Maßnahme, mit der die Realität für einen Finalstatus
geschaffen wird.
Was die "kleine Maßnahme" betrifft, wird in dem
Dokument erklärt, dass in den vier Siedlungen, die eventuell geräumt
werden, nur 566 Israelis leben. Diese Tatsache ermöglicht es, eine
Räumung vorzunehmen, die der Welt die guten Absichten Israels
signalisiert, ohne dafür einen hohen Preis zu bezahlen, und durch die
auch die Reibungspunkte zwischen Israelis und Palästinensern im Norden
Samarias deutlich reduziert werden.
Der Rat empfiehlt jedoch die dritte Alternative, die
"große Maßnahme". Der Rat meint, eine große, komplexe und schmerzliche
Maßnahme in der Westbank sei gerechtfertigt, wenn (und nur dann!) von
vorneherein eine internationale (nicht nur amerikanische) Übereinkunft
über folgende Punkte erzielt wurde:
Dass die israelische Maßnahme Bedingungen herstellt,
die die Gründung eines palästinensischen Staates in temporären Grenzen
entsprechend der Vision von Präsident Bush ermöglichen.
Dass die internationale Gemeinschaft von den Palästinensern fordert,
Verantwortung zu übernehmen und gegen den Terror und die
Terrororganisationen zu kämpfen.
Sollten die Palästinenser diese Bedingungen nicht erfüllen, muss Israel
keine weiteren Maßnahmen vornehmen, vor allem nicht auf dem
territorialen Bereich.
Die vierte Alternative (Räumung von Dutzenden
Siedlungen und großer Rückzug aus dem Gebiet, entsprechend des großen
Programms von Ehud Olmert) kann nur dann umgesetzt werden, "wenn die USA
die Linie der neuen Stationierung als permanente Grenzen des Staates
Israels anerkennen". Der Rat räumt jedoch ein, diese Maßnahme
verpflichte "zu einem langen Dialog mit den Amerikanern."
Es wird also wie gesagt empfohlen, "den Amerikanern
die Alternative 3 als Ziel zu präsentieren, und Verhandlungen über
formelle internationale Unterstützung der Maßnahme zu erzielen, wobei
sich dazu verpflichtet wird, dass keine weiteren politischen Forderungen
seitens Israels erfolgen werden, bis der entstehende Palästinenserstaat
die erste Phase der Vision Bush und der Roadmap umgesetzt haben wird."
In der Zwischenzeit muss Israel die vier Siedlungen in
Nordsamaria räumen, parallel zur Räumung des Gazastreifens, als
Vorbereitungsphase zu der Fortsetzung der Räumung in der Westbank. In
anderen Worten: in der ersten Phase wird Israel aus Gaza abziehen und
vier Siedlungen im Norden Samarias räumen. In der nächsten Phase werden
weitere 15-20 Siedlungen in der Westbank geräumt, bis zum Abschluss der
"großen Maßnahme".
Das Dokument beinhaltet auch eine Analyse der
"unmittelbaren Reaktionen der Palästinenser auf das Programm".
Es wird angenommen, dass die Palästinensische
Autonomiebehörde versuchen wird, den israelischen Rückzug einerseits als
ihren Verdienst darzustellen, jedoch andererseits ihre Legitimität bei
den Terrororganisationen verlieren wird. Hamas wird einen
beeindruckenden Sieg feiern, und in der palästinensischen Straße wird
ebenfalls ein Gefühl des Sieges herrschen, wie auch das Gefühl, der
Terror mache sich bezahlt. Das Chaos und die Spannungen innerhalb der PA
werden zunehmen, auch die Spannungen zwischen PA und den
Terrororganisationen.
Unter dem Titel "noch zu klären" erscheinen in dem
Dokument einige Fragen: "Mit wem wird in Gaza gesprochen und worüber?
Was wird mit dem Flughafen und dem Hafen in Gaza geschehen? Wird
weiterhin zwischen "A", "B" und "C" Zonen differenziert? Welchen
Einfluss wird das Programm auf die israelischen Araber haben? Wie
verhält es sich mit der Passage zwischen Gaza und Westbank? Wie lässt
sich das Programm mit der Vision Bush und der Roadmap vereinbaren?"
In dem Dokument wird sich auch klar auf die
juristischen Fragen (wobei daran erinnert wird, dass Israel weiterhin
eine gewisse juristische Verantwortung für die Geschehnisse im
palästinensischen Gebiet tragen wird), wie auch die wirtschaftlichen
Fragen bezogen, einschließlich alternativer Infrastrukturen für die
palästinensischen Gebiete. "Es kann ein Erfolg für Israel erwartet
werden, vor allem, was internationale Legitimation betrifft", schreibt
der Rat für nationale Sicherheit. "Dies ist jedoch vorübergehend und
kann sofort zusammenbrechen, wenn sich die Bilder von Kindern und
Panzern etc. wiederholen."
Das Dokument bezieht sich auch darauf, was im Moment
getan werden sollte. "Vorbereitung der IDF auf die Räumung, Vorbereitung
des Geheimdiensts auf das Verlassen des Gazastreifens, Anpassung des
Trennzauns, u.a."
Es scheint, als neige der MP dazu, eine große
Räumungsmaßnahme in Gaza vorzunehmen, einschließlich einer dramatischen
Räumung in der Westbank. Sharon, der auch die Philadelphia-Achse räumen
wird, wird sich hier jedoch mit einigem Widerstand seitens des
Sicherheitsapparats auseinandersetzen müssen.
Neben dem Shabak und dem Großteil der IDF lehnt auch
der Rat für nationale Sicherheit die Räumung von "Philadelphia" ab, wie
auch die Absicht, den Ägyptern die Verantwortung zu übertragen. Sharon
sagte bei politischen Treffen, er ziehe in Erwägung, die Passagen
zwischen Gaza und Ägypten und zwischen der Westbank und Jordanien im
Rahmen der Umsetzung des Loslösungsprogramms für die Palästinenser zu
öffnen.
hagalil.com
12-03-2004 |