Streit über Haushalt:
Regierungskoalition vor der Auflösung?
In der israelischen Politik sind mal wieder
stürmische Zeiten angebrochen. Bei den Lesungen zur Absegnung des
Haushaltsplans für 2005 stellt sich für Scharon das Problem, dass er
über keine Mehrheit in der Knesseth verfügt. Die gestrigen
Misstrauensvoten konnte er nur überstehen, weil sich die linke
Jachad-Partei von Jossi Beilin der Stimme enthalten hatte.
Ärger macht Scharon derzeit vor allem sein
Koalitionspartner Schinui. Die anti-religiös eingestellte Partei
sieht den Zeitpunkt gekommen, endlich einmal wieder gegen orthodoxe
Parteien zu revoltieren. Avram Poraz verkündete dramatisch: "In 48
Stunden werde ich nicht mehr Innenminister sein." Scharon hat sich
die Stimmen einiger ultra-orthodoxen Abgeordneten erkauft, die er
wohl auch in eine neue Koalition einbinden möchte. Die Partei
"Vereinigtes Thora-Judentum" hat keine ideologischen Vorbehalte
gegen den Rückzug aus Gaza und besteht nicht auf bestimmten
Portfolios, der perfekte Koalitionspartner für Scharon also. Die
Zustimmung zum Haushalt hatte sich Scharon durch ein Abkommen
gesichert, das die Überweisung von 290 Millionen Schekel (ca. 50
Millionen Euro) vorsieht, die Institutionen der Partei wie etwa
Religionsschulen zugute kommen sollen. Die Thora-Partei hat dafür
ihre Unterstützung bei der Haushalts-Abstimmung zugesichert.
Bei Scharons Manövern könnte es sich jedoch auch
um ein bewusstes Taktieren handeln, um den Weg für eine große
Koalition mit der Arbeitspartei frei zu machen, gegen die es bisher
innerhalb des Likuds eine große Opposition gibt. Wenn Schinui gegen
den Haushalt stimmt, wird Scharon seine Drohung wahr machen und die
Schinui Minister entlassen. Daraufhin wird es sofort
Koalitionsverhandlungen mit der Arbeitspartei geben. Durch die
drohende Ablehnung des Budgets könnte Scharon die
Likud-Parteimitglieder davon überzeugen, dass es zur "Arbeitspartei
Plus"-Koalition keine Alternative gibt.
Neuwahlen sind für Scharon definitiv die
schlechteste Wahl. Auch wenn seine Popularität in der Öffentlichkeit
weiterhin hoch ist, wird er sich vor Neuwahlen der Opposition
innerhalb seiner eigenen Partei stellen müssen, mit ungewissem
Ausgang. Dennoch bleiben Neuwahlen natürlich eine Option, nämlich
dann, wenn beispielsweise die Koalitionsverhandlungen mit der
Arbeitspartei scheitern sollten.
hagalil.com
30-11-2004 |