Kein Referendum:
Scharon sucht neue Koalitionspartner
"Die derzeitige politische Situation kann nicht
weiterbestehen," so äußerte sich heute morgen Ministerpräsident
Ariel Sharon bei einem Treffen mit dem Vorsitzenden der
Shinui-Partei, Minister Joseph Lapid, einen Tag nach der
demütigenden Niederlage Sharons in der Knesset (53:44). Am Abend
hatte der Ministerpräsident alle Mitglieder der Likud-Fraktion
einberufen, die am Montag sein politisches Programm unterstützt
hatten.
"Es besteht kein Zweifel daran, dass uns die
Niederlage in der Knesset früher oder später zu Wahlen führt, deren
Hauptthema die Abkopplung sein wird," so die Einschätzung im Umfeld
des Ministerpräsidenten in Folge der einschneidenden Niederlage bei
der Eröffnung der neuen Sitzungsperiode der Knesset und der
Abstimmung über seine politische Grundsatzrede. Darin hatte sich
Ministerpräsident Sharon am Montag für den Abkoppelungsplan und für
den internationalen Friedensplan (road map) ausgesprochen. Details
über die Räumung des Gazastreifens und des nördlichen
Westjordanlands (Samaria) will Sharon am 25. Oktober vorstellen.
Am Dienstagmorgen trafen sich Ministerpräsident
Sharon und Innenminister Lapid zu einem Arbeitstreffen. Sharon
machte deutlich, dass man Schritte zur Veränderung der Koalition in
Erwägung ziehen müsse. Nach seinen Worten würden Wahlen nicht zu der
gewünschten Veränderung führen, da sie die politische Situation
nicht ändern werden. Lapid sagte, die Shinui-Partei gehe davon aus,
dass die Arbeitspartei in die Regierung eingebunden werden muss.
Seine bürgerlich-säkulare Partei sei auch zu Gesprächen mit der
Partei "Yahadut Hatorah" (Vereinigtes Torajudentum) bereit. Lapid
betonte aber nochmals, dass es keine Sitzung mit der
ultraorthodoxen, sephardischen Shas-Partei geben werde und wies
darauf hin, dass die Shinui-Partei trotz der
Koalitionsschwierigkeiten nicht auf die Änderung im Ehegesetz
verzichten wird.
Unterdessen versuchte Sharon am Dienstag den
Schaden so gering wie möglich zu halten und die Basis der Koalition
zu vergrößern. Für den kommenden Donnerstag hat er die Mitglieder
der Fraktion "Yahadut Hatorah" zu einem "politischen Treffen"
bestellt und auch die Fraktionsvorsitzende der oppositionellen
Arbeitspartei (Avoda), Daliah Itzik, wurde zu einem ähnlichen
Treffen eingeladen. Ein führender Minister des Likud sagte am Ende
der Abstimmung, dass man das Gefühl der totalen Zusammenbruchs habe,
dass selbst das Abstimmungssystem zusammengebrochen sei.
Im Umfeld Sharons hieß es: "In dem Moment, wo sich
die Regierung geschlagen gibt, kann man ein Gesetz oder einen
Haushalt nicht mehr durchbringen. Nur ein Volksentscheid hätte die
nun geschaffene Situation verhindern können. Ohne diesen steckt der
Ministerpräsident nun in tiefen Schwierigkeiten, und diese haben
gestern Abend begonnen."
Die gleichen Stellen gehen davon aus, dass sich
die Stimmen nach den Wahlen mehr oder weniger gleich verteilen
werden. Die Rechte wird weiterhin die Mehrheit erzielen und auch die
Abkopplung wird eine Mehrheit gewinnen. Da der Ministerpräsident
fest entschlossen ist, eine Entscheidung zu fällen, ist dies seine
politische Basis und sobald er dies in der Knesset durchbringt, wird
man beginnen, die Tage bis zu den nächsten Wahlen zu zählen.
"Die Abstimmung in der Knesset wird neue
Verhandlungen mit der Arbeitspartei mit sich bringen, doch wenn dies
nicht funktioniert, wird es Wahlen geben. Das Einzige, was uns heute
noch von den Wahlen trennt, sind die Knessetabgeordneten des Likud,
die wissen, dass 40 Prozent von ihnen in die neue Knesset nicht
zurückkehren werden."
Gleichzeitig drückten andere Stellen im Büro des
Ministerpräsidenten vorsichtigen Optimismus aus: "Wir haben die
Schlacht, aber nicht den gesamten Feldzug verloren." Sharons Leute
sind sich sicher, dass die Verhandlungen über die Erweiterung der
Koalitionsbasis dieses Mal Erfolg haben werden.
Die Stellen kritisierten die Vorgehensweise der
abtrünnigen Mitglieder: "Bis heute haben sie behauptet, dass sie
Arik (Sharon) zwar lieben, aber gegen eine Abkopplung sind. Doch
heute haben sie einfach gegen Arik gestimmt. Die Abtrünnigen denken,
dass sie auf Wahlen zugehen, doch sie vergessen, dass die meisten
von ihnen nicht mehr in der nächsten Knesset sitzen werden."
Minister Uzi Landau versuchte, die Gruppe der
Abtrünnigen dazu zu bewegen, nicht gegen den Ministerpräsidenten zu
stimmen und sagte: "Die Abstimmung bedeutet, dass ein Volksentscheid
notwendig ist. Wir werden alle Kraft daran setzen, diesen
durchzuführen, denn nur ein Volksentscheid, verschafft der Regierung
ein Mandat zur Durchführung eines Prozesses, der bis jetzt zu heftig
ablief. Man muss verstehen, dass ein Großteil der Bevölkerung mit
dem Gefühl lebt, betrogen worden zu sein. Daher wird ein
Volksentscheid die Spannung verringern und einen tiefen Riss in der
Bevölkerung verhindern."
Über die Art und Weise der Abstimmung sagte
Minister Landau: "Wir wollten einen Kompromiss, doch der
Ministerpräsident stimmte dem nicht zu. Wir haben es nicht auf die
Spitze getrieben. Der wirklich harte Widerstand wird sich bei der
Abstimmung über die Regierungsentscheidung in zehn Tagen zeigen. Es
gibt Gerüchte, dass es außer der Gruppe der Rebellen im Likud
weitere Abgeordnete der Knesset gibt, die dagegen stimmen werden."
Quelle: ynet
© Botschaft des Staates Israel
hagalil.com
12-10-2004 |