Kontroverse zwischen Scharon und dem Generalstabschef:
Ja'alons Pech
Ben Caspit, Maariv 09.03.2004
Der Ministerpräsident braucht dringend einen
Führungsakt- so meinten seine Berater. Das Schicksal schickte ihm
ausgerechnet Generalstabschef Ja'alon und seine kritischen (jedoch
vorsichtigen) Äußerungen im Zusammenhang mit dem Loslösungsprogramm (von
Gaza). Sharon platzte lautstark vor Wut. Und Bugi wusste gar nicht,
warum.
Im Umfeld Scharons gibt es einige, die meinen, Sharon
habe falsch gehandelt. In Israel, einem der militaristischsten Staaten
der westlichen Welt, darf man sich nicht mit dem Generalstabschef
streiten. Die israelische Öffentlichkeit liebt ihren Generalstabschef,
und wenn dieser, wie jetzt, seinen Ministerpräsidenten nicht besonders
liebt, dann kann für Scharon nichts Gutes daraus entstehen.
Im Umfeld des Generalstabschefs breitet sich in der
letzten Zeit zunehmendes Unwohlsein aus. Die grundlegende Annahme der
Offiziere lautet: der Ministerpräsident hat bereits entschlossen. Er
wird ganz aus Gaza abziehen und die Verantwortung für ein einviertel
Millionen Palästinenser auf die Schwelle der Ägypter legen. Weiter
nehmen sie an, dass Sharon auch eine groß angelegte Maßnahme in der
Westbank eröffnen wird. Sehr empfindliche geheimdienstliche
Informationen besagen, Dov Weissglas, Leiter von Scharons Büro, habe den
Amerikanern bereits mitgeteilt, dass 15-17 Siedlungen in der Westbank
geräumt werden, plus ganz Gaza.
Sharon hofft, dass er dafür von den Amerikanern in
Ruhe gelassen wird und er in den restlichen Gebieten tun kann, was er
will. Im Generalstab ist man der Meinung, dass Sharon sich irrt. Die
Amerikaner werden Israel keinen einzigen Zentimeter annektieren lassen.
Bei Sharon sagt man, sie würden es aber auch nicht zulassen, dass die
Welt Israel die Hölle macht, wenn einige Siedlungsblocks verstärkt und
ein neuer Status Quo geschaffen wird. Es würde eine stabile, sichere
Interimslage entstehen, die weitaus besser ist als der gegenwärtige
Zustand. Das wäre dann eigentlich das langfristige Interimsabkommen, von
dem Sharon seit Leben lang träumt.
Der Shabak denkt anders. Dort warnt man lautstark vor
einer Räumung der Philadelphia-Achse. Nicht nur sollte diese
empfindliche Achse auf keinen Fall geräumt, sie sollte hingegen vor
einem Rückzug aus Gaza sogar verstärkt werden, um den Abschuss von
Raketen und das Eindringen von El-Quaida Leuten zu verhindern. Darüber
hinaus sollte keine Räumung in der Westbank stattfinden- so der Shabak.
Gaza muss der Pilot sein, das vorsichtige Experiment. Solange es keinen
Zaun in der Westbank gibt, und in den nächsten zwei Jahren wird es
keinen geben, darf das Experiment nicht dorthin ausgeweitet werden. So
der Shabak, so auch große Teile des Generalstabs. Nicht so im Amt des
Ministerpräsidenten.
Das ist der Grund für die zunehmenden Spannungen
zwischen den Seiten. Sharon, in seiner Ecke, ist entschlossen, seine
historische Maßnahme durchzuführen. In der anderen Ecke stehen ihm
Ja'alon und seine Generäle gegenüber. In Israel gibt es keine klare,
rote Grenze zwischen den beiden Ecken. In einem korrekten Staat bringt
der Generalstabschef seine Meinung in Arbeitsforen zum Ausdruck, nicht
vor Kameras. Aber Israel, das wissen unterdessen alle, ist kein
korrekter Staat.
In einem korrekten Staat würde Elchanan Tennenbaum
noch immer in der Gefangenschaft der Hisbollah verfaulen. In einem
korrekten Staat würde sich dem Staatskontrolleur ein Unterkomitee des
Außen- und Sicherheitskomitees anschließen, vielleicht sogar ein
staatliches Untersuchungskomitee. So sollte man sich also nicht über
Ja'alon beklagen. Man ist hier daran gewöhnt, dass jeder mit jedem
überall über alles spricht.
Wette: Es wird ein Treffen zwischen dem
Generalstabschef und dem Ministerpräsidenten stattfinden, eine klare
Erklärung veröffentlicht werden, die Kontroverse wird beigelegt und
alles wird wieder in Ordnung kommen- bis zum nächsten Mal. Eine
Loslösung zwischen den beiden, Bugi und Arik, ist derzeit ein Ding der
Unmöglichkeit.
hagalil.com
10-03-2004 |