Haushaltsdiskussionen:
Die Shakshuka-Regierung
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 19.09.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Minister Aharon Uzan sagte über die
kollabierende Regierung Menachem Begins: "Dies ist keine Regierung,
dies ist eine Shakshuka (i. e. Gemüse-Omelette), eine schludrige
Speise aus Eiern und Resten." Die unerträgliche Leichtigkeit, mit
der das Kabinett entschied, die Sozialversicherungszahlungen zu
kürzen, und Netanyahus eiliger Rückzug zeigen, dass diese Regierung
tatsächlich viel eher ein Slapstick denn eine Schludrigkeit ist. Es
ist diese Regierung, die unfähig ist, Scheich Ahmed Yassin zu töten.
Stattdessen weckt sie Yassir Arafat von den Toten auf. Und sie
diskutiert über den Haushalt, als würde sie auf einem persischen
Bazar feilschen.
Seit wann sagt ein Generalstabschef öffentlich,
dass die Kürzung des Verteidigungshaushalts einem Erdbeben in den
Proportionen eines Yom-Kippur-Krieges gleichkommt? Seit wann droht
ein Luftwaffenkommandant damit, Flugzeugen Flugverbot zu erteilen?
Seit wann drohen Offizielle der Verteidigung, Projekte wie das
Arrow-Missile-System (i. e. Raketenabwehrsystem), den
Spionagesatelliten und Merkava-V4 (i. e. Panzerproduktion) zu
stoppen? Und der Gesundheitsminister droht, dass Ärzte auswählen
müssen, welche der Krankenhauspatienten leben dürfen und welche
sterben müssen.
Was geht hier eigentlich vor? Ist dies ein
Aufstand? Oder ein Italowestern, in dem jeder auf jeden schießt?
Sharon selbst konnte sehen, wie lächerlich die Situation war, als er
mit seinem Finger auf die Hauptfrage wies und zu den Ministern
sagte: "Ihr hattet eine ganze Woche Zeit, den Haushaltsplan zu
studieren. Wo seid ihr gewesen?" Das ist in der Tat die wirklich
bedeutende Frage: Wo ist die Regierung?
Nächste Woche wird die Al-Aqsa-Intifada drei Jahre
alt sein und Sharon wird 30 Monate das Amt des Premierministers
innehaben. Nach dieser ganzen Zeit zeigen die Umfragen, dass das
Volk nicht länger Yehuda, den Makkabäer favorisiert. In den Medien
gibt es wachsende Kritik bezüglich der Schwäche der Regierung. Die
Dinge sind derzeit in jeder Hinsicht schlechter als zu der Zeit, da
Sharon zweimal mit großer Mehrheit gewählt wurde. Trotz seines
starken Images gibt es in seiner Fähigkeit zu regieren eine Art
"Bug" (i. e. Fehler im Computersystem). Anstatt einer nationalen
Agenda existiert ein nationales Durcheinander.
Die Kritik zielt natürlich auf Sharon.
Nichtsdestotrotz ist er nur der erste unter Gleichen und kein
alleiniger Herrscher, denn Israel ist keine Diktatur. Die Regierung
besteht aus Ministern und zwar nicht gerade wenigen, wenn sie alle
im Land sind. Doch die Frage ist, ob die Regierung überhaupt
funktioniert.
In den letzten zwei Jahren hat die Regierung keine
ernsthafte Debatte über irgendein Thema geführt. Wenn es um den
Haushalt geht, kämpft jeder Minister für seinen eigenen
Machtbereich. Und niemand fordert Sharon heraus und fragt ihn, wohin
er den Staat führt. In der Tat haben wir ein Schattenkabinett, das
formal an der Regierung ist, doch seine Minister agieren separat.
Die Regierung operiert mit unerklärlicher
Zurückhaltung als Bewilligungsstempel wenn es um Sharons Launen und
Wünsche geht. Das neuste Beispiel dieser Art von eigener
Zurückhaltung der Minister ist das Thema "Entfernung Arafats".
Zwischen dem Zeitpunkt, an dem Sharon von seinem Staatsbesuch in
Indien aufbrach und dem Zeitpunkt, an dem er zum Kabinett-Treffen
erschien, wurde er von Bush selbst und in Bushs Namen gewarnt und
ließ somit von seinem ursprünglichen Zorn ab.
Doch die Minister wussten nichts von seiner
Meinungsänderung. Sie wollten päpstlicher sein als der Papst und
forderten Arafats sofortige Liquidierung oder zumindest seine
Ausweisung. Als sie bemerkten, dass sich Sharon abgeregt hatte,
wurden auch sie ruhiger. Sie sagten, Arafat sollte eliminiert
werden? Ok, sie sagten es. Doch kein Minister forderte eine
Prinzipiendiskussion über den Schaden, der dem Staat dadurch in der
Welt entstehen könnte oder darüber, wie sich die Ausweisung auf die
Möglichkeiten des Erfolges des politischen Prozesses auswirken
könnte. Die Entscheidung über die Entfernung Arafats ist ein
charakteristisches Beispiel dafür, wie die Regierung vor Sharon
kapituliert.
Niemand kennt die langfristige Politik der
Regierung. Die gewählten Beamten, die den Exekutivzweig darstellen,
sagen, die Regierung habe niemals ein umfassendes Brainstorming
darüber gefordert oder abgehalten, ob die Politik der gezielten
Tötungen uns dem Frieden und der Sicherheit einen Schritt näher
gebracht hat.
Diese Regierung hat niemals untersucht, warum es
keinen Wert hat mit Arafat zu reden, wo er doch eigentlich das Ein
und Alles ist. Und warum ist kein einziger Minister aufgestanden und
hat gefragt, warum Sharon den Vorschlag eines Waffenstillstandes von
Jibril Rajoub und Abu Ala abgelehnt hat, ohne ihn der Regierung zur
Besprechung vorzulegen?
Moshe Dayan prägte seinerzeit den Ausdruck: "Ein
Volk kann nicht gleichzeitig die Fahne der Sicherheit und die
soziale Fahne hissen." Dies ist heute wahr. Solange die politische
Unsicherheit bleibt und Sharon sich als Alleinherrscher ohne
Opposition benimmt, an seiner Politik, Zeit zu gewinnen, festhält
und eine Massenevakuierung der Siedlungen ablehnt, legt er dem Land
eine Zukunft auf, die mehr Krieg, mehr Terror und mehr
wirtschaftliche Talfahrten, Arbeitslosigkeit und Armut bedeuten. Die
Frage ist: Wo ist die Regierung und deren Verantwortung gegenüber
der Öffentlichkeit?
hagalil.com
19-09-2003 |