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Die Geschichte der Woche ist wieder einmal Scharon:
Erdbeben in Israel

Von Andrea Livnat
Erschienen bei Telepolis, 12.02.2004

Um 10.30 Uhr Ortszeit bebte die Erde. In der Knesseth strömten die Abgeordneten und Anwesenden auf die Gänge, in vielen Büros brach Panik aus, die Schulen wurden evakuiert. Ein Erdbeben der Stärke 5 auf der Richterskala erschütterte gestern morgen Israel. Man könnte fast meinen, die Tektonik würde sich nach der Politik richten, so symptomatisch erscheint das gestrige Beben. Hatte doch Ministerpräsident Scharon mit seiner Ankündigung, die Siedlungen im Gaza-Streifen zu räumen, vor einigen Tagen bereits für ein politisches Beben gesorgt.

Seitdem steht das politische Leben in Israel Kopf. Die Kritik aus den eigenen Reihen prasselt hart auf Scharon nieder, wohingegen Yossi Beilin, Initiator der "Genfer Initiative", fürchtet, der einseitige Rückzug würde "Israel Schaden zufügen" und von der Hamas als Sieg verstanden werden. Während der Premier vorgestern im Krankenhaus lag und seine Nierensteine entfernen lassen musste, hatte seine Regierung nicht weniger als vier Misstrauensvoten in der Knesseth zu überstehen.

In Europa und der übrigen Welt scheint man sich einig, dass Scharons Plan nur dazu diene, ihn aus seinem jüngsten polizeilichen Untersuchungsschlamassel zu befreien (vgl. Die Schoranos). In Israel sieht man das ein wenig differenzierter, oder besser: nebensächlicher. Selbstverständlich wissen auch israelische Kommentatoren, dass Scharon seinen Worten schon oft keine Taten folgen ließ. Immer wieder liest man jedoch in diesen Tagen, dass auch Yitzhak Rabin einen Wandel durchgemacht habe, mit dem niemand gerechnet hatte. Die Tageszeitung Jedioth Achronoth erinnerte daran, dass es Rabin war, der einst der Armee die Anweisung erteilte, die Samthandschuhe auszuziehen, wenn sie gegen Palästinenser in der Intifada vorgehe, und dass es derselbe Rabin war, der später einsah, dass der Konflikt nicht mit militärischen Mitteln zu lösen sei. "Es kann also durchaus sein", so der Kommentar, "dass sich die ganze Welt, einschließlich der Palästinenser, irrt, wenn sie glaubt, dass es sich bei dem Räumungsprogramm Sharons um eine weitere in der langen Reihe der gemäßigten Äußerungen des israelischen MP handelt, denen jedoch keine Taten vor Ort folgen."

Auch Yoel Marcus, Kommentator bei der liberalen Tageszeitung Haaretz, sieht Gründe zur Annahme, dass es Scharon diesmal ernst meint. Entscheidend sei Scharons Plan, "Bush zu bitten, die immensen Ausgaben für die Verlegung der Siedlungen mit zu tragen." Es sei kein Zufall, dass Scharons eigenem Besuch in Washington ein Aufenthalt von Ehud Olmert vorangegangen sei, der sich als erster für eine "einseitige Trennung" Israels von den Palästinensern ausgesprochen hat. Scharon, so Marcus, sei ein hervorragender Taktiker. Zum gleichen Schluss kommt Sima Kadmon in Jedioth Achronoth, denn weder die Räumung des Gazastreifens, eine mögliche Regierungskrise, noch die Auseinandersetzungen innerhalb des Likuds seien die entscheidende Geschichte der Woche: "Die Geschichte der Woche ist wieder einmal Ariel Sharon. Der Mann und die Legende." Auch Kadmon ist von der Ernsthaftigkeit des Rückzugsplanes überzeugt, denn eines sei klar: "Sharon wird seinen Stuhl nicht riskieren, weder für Gaza noch für Um El Fachem. Solange er "sowohl als auch" machen kann- sowohl diverse Affären von sich weisen, als auch, sich als ein Mann darzustellen, der politische Maßnahmen einleitet und auch seinen Stuhl behält- wird er dies alles gleichzeitig tun."

Für die Veränderung spricht wohl auch die Reaktion von Scharons Wegbegleitern, die sich zwischen verhalten irritiert und völlig entsetzt äußerten. Etwa ein Viertel der Likud Abgeordneten behauptet bereits jetzt, bis zum bitteren Ende gegen Scharon zu stimmen. Die Tageszeitung haZofeh, Organ der National-Religiösen Bewegung, entnimmt aus den Äußerungen von Shimon Peres und anderen hohen Stellen in der Arbeitspartei, dass Sharon es diesmal ernst meint. Sie fordert eine sofortige Entlassung Scharons, "bevor Peres neben ihm am Regierungstisch Platz nimmt und die beiden die nächste Katastrophe über uns bringen." Gemeint ist damit natürlich die "Katastrophe" von Oslo, zählt man in jenen Kreisen Shimon Peres doch zu den "Verbrechern von Oslo". Mit diesem Slogan wurde "erfolgreich" gegen Yitzhak Rabin gehetzt. Er habe Israel und den Zionismus verraten und werde eine passende Antwort bekommen, Rabin sollte nicht mehr mit "Samthandschuhen" angefasst werden, sondern sei so "zu behandeln, wie er es verdient hat", tönte damals beispielsweise der rechte illegale Piratensender Arutz 7. Scharon wird, kaum dass er aus dem rechten Weltbild ausschert, mit diesen "Verbrechen" in Verbindung gebracht. Nicht umsonst ließ der israelische Inlandsgeheimdienst ShaBaK verlauten, er beabsichtige, die Bewachung des Ministerpräsidenten zu verschärfen, je näher die Umsetzung des politischen Programms rückt. Gegenüber der Tageszeitung Maariv äußerten rechte Stellen, man habe einen dreiteiligen Plan, um Scharons Vorhaben zum Scheitern zu bringen: Austritt aus der Regierung, sofern die Räumung des Gazastreifens angeordnet wird, Vorschlag zu Neuwahlen an die Opposition. Sollte dies scheitern, werde man im Likud versuchen, "eine Eigendynamik in Gang zu bringen, die zu einem Rücktritt Scharons und einer Ernennung Netanjahus führen wird".

Das gestrige reale Erdbeben hat wieder einmal gezeigt, wie sehr die Nerven blank liegen. Die meisten Israelis dachten, die Erschütterungen kämen durch die Detonation einer größeren Bombe, und gerieten in Panik. Der Terror ist in Israel so gegenwärtig, dass dies die nahe liegende Erklärung ist. So lange es keine Lösung für den Konflikt mit den Palästinensern gibt, so lange wird es auch keine Normalität in Israel geben. Sei es ein Erdbeben, Feuerwerkskörper oder harmlose Knaller für Kinder, die Traumatisierung durch den Terror macht Israel zu einer nervösen und kranken Nation, die bei jedem "Bum" an einen Anschlag mit Toten und Verletzten denkt. Ob Scharons Rückzugspläne die Richtung für eine Lösung aufzeigen, bleibt fraglich. Dass er es ernst meint, davon sollte man durchaus ausgehen.

hagalil.com 17-02-2004

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