Analyse:
Warum die Arbeiterpartei Mitzna ablehnte
Von Daniel Ben-Simon, Ha'aretz, 05.05.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Von dem Moment an, da sie ihn wählten, war er
ihnen suspekt und zuwider. Es ist nicht klar, was genau die
Mitglieder der Arbeiterpartei dazu bewegte, sich so sehr von ihrem
neuen Parteiführer zu distanzieren. Doch von Anfang an war er für
sie wie der Knochen, der im Hals stecken bleibt.
War es seine langsame, ausgefallene Art zu gehen?
War es sein Vollbart, der ihn wie den sachkundigen Führer
irgendeines Naturvereins aussehen ließ? War es seine didaktische Art
zu reden? Oder seine tiefe Ernsthaftigkeit, mit der er selbst
Nebensächlichkeiten behandelte?
Ob es nun dieses oder jenes war: die
Arbeiterpartei -oder besser gesagt ihre Bolschewiken- und
Abzocker-Mechanismen- lehnte den Mann aus Haifa ab. Der Hinauswurf
von Fuad Ben-Eliezer durch den neuen Parteiführer wurde in den Augen
dieser Mechaniker als Zwölf-Uhr-Mittags-Schießerei betrachtet und
nicht als fairer, demokratischer Vorgang.
Und so wurden auch die Versuche des neuen
Parteiführers betrachtet, eine Ideologie in die blutleeren Venen der
Partei zu injizieren.
Amram Mitzna sprach von einer Rückkehr zu den
Wurzeln, doch Parteimitglieder, die süchtig nach Macht waren,
fantasierten nur über die Rückkehr zu den Ministersesseln. Nach der
Aufstellung der Knessetliste lud Mitzna jeden Kandidaten dieser
Liste zu einem persönlichen, etwa einstündigen Gespräch ein. Während
dieser Unterhaltung trug Mitzna seine Vision der Zukunft vor.
Ein Parteimitglied sagte, er hätte sich gefühlt,
als ob er bei einer psychiatrischen Behandlung in Mitznas Praxis
sei. "Mich interessierten eigentlich nur zwei Dinge", murrte er.
"Wie er vorhatte, die Wahlen zu gewinnen und was meine Position im
Hauptsitz der Wahlkampagne sein würde. Stattdessen faselte er mir
den Kopf voll und sprach über die Territorien, die Siedlungen und
die soziale Kluft. Ich begann auf meine Uhr zu schauen, bis er den
Wink mit dem Zaunpfahl bemerkte und das Gespräch beendet wurde."
Shimon Peres gilt als Meister des
Schulterklopfens, des Sprücheklopfens und des Tratschens. Peres
bleibt bei jedem stehen, schüttelt Hände und fragt wie es geht. Auch
Ben-Eliezer war gut mit diesen Eigenschaften ausgestattet. Aber
nicht Mitzna. Derlei Eigenschaften blieben bei ihm besonders während
der Tage im Hauptsitz der Wahlkampagne in der Hatikva-Nachbarschaft
verborgen.
Er ging oft die gesamte Länge des dortigen Flures
auf und ab, ohne dass auch nur einer sich an ihn gewandt hätte. Es
war ein trauriger Anblick – besonders in diesen verschwitzten Hallen
israelischer Politik, wo man denkt, dass soziale Intelligenz zu den
wertvollsten Pluspunkten eines Politikers gehört.
Wer kümmerte sich um seine Intelligenz? Wer
kümmerte sich darum, ob er eine Vision hatte? Und was spielte es für
eine Rolle, dass er ehrlich war? Diese drei Merkmale waren Mitznas
politisches Werkzeug. Zu seinem Erstaunen entdeckte er, dass diese
Werkzeuge auf dem heutigen politischen Markt nicht verlangt wurden.
Auf seinen Reisen durchs Land war er zutiefst
enttäuscht von der Beständigkeit der Stammwählerschaft, der die
Logik fehlt und die keine Verbindung zwischen einer Aktion und deren
Ergebnis kennt. "Selbst wenn der Likud mich ausnimmt, werde ich
niemals diesen Taugenichts Mitzna wählen", wetterte ein Bürger in
Sderot, dessen Geschäft unter der Likud-Regierung Pleite gegangen
war. Das machte Mitzna fast verrückt.
"Wen werden Sie wählen?" fragte er. "Natürlich den
Likud", antwortete der Geschädigte. Mitznas Argumente verflogen im
Wind, gemeinsam mit seinem verzweifelten, misslungenen Versuch,
wieder Leben in die Partei zu bringen. "Es ist schwer für mich zu
verstehen, dass sie mit meinen Perspektiven übereinstimmen aber
dennoch den Likud wählen."
Wenn er mit Parteimitgliedern zusammenkam,
schlugen sie ihm vor, weniger offen, weniger fair, weniger ehrlich
und weniger idealistisch zu sein. "Er eignet sich nicht für die
Partei", sagte einer. Ein Kollege korrigierte ihn und drückte
Zweifel darüber aus, ob Mitzna sich überhaupt für das politische
Leben an sich eigne. "Er ist zu naiv", sagte er mit Überzeugung.
hagalil.com
06-05-2003 |