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Text in English

"Joining Hearts in Arts":
Eine Reise durch den Galil

Von Andrea Übelhack

In mitten eines Sprachengewirrs, wie es nur hier in Israel entstehen kann, stehe ich staunend und versuche ein paar der kichernden Mädchen zu fotografieren. Hebräisch, Arabisch, Russisch und Englisch flirrt im Raum, ungefähr 30 Frauen und Mädchen sitzen, rennen durcheinander, lachen miteinander, kneten, basteln und formen. Ich bin in Mrar, einem drusisch-arabischen Dorf im Norden Israels, zu Gast bei einem Projekt der Stiftung Raz Ram.

Unter all den Frauen nur ein Mann, Aviv, mit dem ich diese Reise in den Galil angetreten habe und der für das wunderschöne Durcheinander "verantwortlich" ist. Er hat die Stiftung Raz Ram ins Leben gerufen und ist Kopf und Seele der Projekte. Aviv ist Musiker, ich habe ihn vor zwei Jahren in Prag kennen gelernt, wo er mit seinem Bruder Arik auftrat. In Prag hörte ich auch von der Stiftung, die damals bereits ein Jahr bestand. Raz Ram widmet sich Waisenkindern in ganz Israel, Waisen aus allen Gesellschaftsgruppen des Landes, Juden, Palästinensern, Drusen und Beduinen. Aviv und Arik sind selbst Halbwaisen. Ihr Vater war Pilot und fiel am ersten Tag des Sechs-Tage-Krieges. Aviv war damals drei Jahre alt, Arik wurde einen Monat später geboren. Durch die Erfahrung in der eigenen Familie ist für Aviv die Dringlichkeit der Betreuung von Kindern aus zerbrochenen Familien erwachsen.

Der Tag hat früh begonnen, wir sind von Tel Aviv aus gestartet. Auf der Fahrt hatten wir etwas Zeit über die Stiftung allgemein zu sprechen. Die Projekte im Norden des Landes sind nur ein Teil der Arbeit von Raz Ram. Weitere Projekte laufen in Jerusalem, Rahat, Kirijat Gat, Rehovoth, Nes Ziona, Tel Aviv und Jaffa. Künstler der verschiedensten Richtungen sind an den einzelnen Projekten beteiligt, aber auch Studenten der Universität Tel Aviv, Museen und andere öffentliche Einrichtungen.

Das Fehlen eines Menschen
als Quelle für Agonie und Schmerz

Warum aber ist Kunst die richtige Dialogform für Projekte mit Waisenkindern, wie kann aus Aktivitäten mit Theater, Musik, plastischer Kunst, ein Heilungsprozess angestoßen werden? Aviv antwortet mit einer Gegenfrage: "Kennst Du das Wort "Chalal" im Hebräischen?" "Chalal" hat verschiedene Bedeutungen, es ist die Bezeichnung für einen Toten, aber auch das hebräische Wort für "Raum", das "All", gleichzeitig aber auch "Raum" als Loch, als Hohlraum. "Chalal" ist nicht nur der Verstorbene, sondern auch die Bezeichnung für den Hohlraum, den dieser hinterlässt. Ein Hohlraum im Herzen der Kinder, aber auch in der Familie, der Gemeinschaft, des Landes. "Dieses Loch kann niemals gefüllt werden", fügt Aviv an. "Es wird die Quelle für Agonie und Schmerz im Leben des Kindes sein, aber ich glaube, dass es durch eine Transformation auch zu einer Energiequelle für schöpferische Tätigkeit werden kann."

In Mrar sind erstmals auch die Mütter der Kinder in das Projekt eingebunden. Ursprünglich war das nicht geplant, aber bei den Vorbesprechungen wurde klar, dass die Mütter sehr gerne auch teilnehmen würden. Aviv hält die Arbeit der Stiftung flexibel und stimmte sofort zu. Eine gute Entscheidung, denn auf diese Weise ist eine besondere Begegnung entstanden. Die Aktivitäten in Mrar finden im dortigen Jugendzentrum statt und werden von Nada betreut. Nada ist die gute Seele des Zentrums. Sie ist selbst Witwe und widmet ihre Energie der Gemeindearbeit und der Arbeit mit den Frauen des Ortes. Kein anderes Jugend- und Gemeindezentrum im arabischen Sektor bietet derart viele Aktivitäten, Vorträge, spezielle Kurse und Betreuung für Frauen an wie hier in Mrar. Für die Frauen, die meisten von ihnen sind Witwen, ist das Zentrum die einzige Möglichkeit der Begegnung außerhalb des familiären Rahmens.


Bei den Kleineren hilft Mila ein wenig...

Und so kommen in Mrar einmal die Woche etwa 30 drusische, arabische (muslimische und christliche) Frauen und Kinder zusammen. Nada erzählt mir, dass sie alle immer überpünktlich kommen und es nicht abwarten können bis auch Mila eintrifft. Mila ist die Künstlerin, die von Raz Ram mit der Betreuung des Projektes beauftragt wurde. Sie stammt aus Rußland und kam vor 10 Jahren nach Israel. Nur kurz darauf fiel ihre Tochter einem Anschlag in einem Bus in Tel Aviv zum Opfer. Mila ist Keramikerin und zeigt den Mädchen und Frauen verschiedene Techniken. Teller, Tassen, Chamsoth, Glocken, mit Eifer arbeiten alle gemeinsam mit Ton, Farben und Perlen.

Nada befürchtete anfangs, dass es Probleme mit der Verständigung geben könnte. Mila spricht nicht sonderlich gut Hebräisch, ihr Mann Vladimir übersetzt viel aus dem Russischen, die Mädchen aus dem Ort sprechen nur Arabisch, nur einige Mütter sprechen auch Hebräisch. Doch überraschenderweise geschah das genaue Gegenteil, die Gruppe versteht sich mit Mila ausgesprochen gut, die Sprache und die unterschiedliche Kulturen zeigen sich eher als Ansporn, denn als Hindernis. Viele andere Frauen haben bereits angefragt, ob es eine Fortsetzung des Projektes geben wird und wollen ebenfalls teilnehmen.

Ein Baum des Lebens

Aviv möchte die Aktivitäten in Mrar auf jeden Fall fortsetzen. Dieses Projekt soll jedoch zunächst einen besonderen Abschluss finden. Aviv schlug vor, einen bestimmten Baum im Dorf zu finden, der mit den Keramik-Glocken der Gruppe geschmückt wird und zum "Baum des Lebens" werden soll. In Mrar ist eine solche Idee noch symbolträchtiger als man es auf den ersten Blick annehmen möchte. Die Frauen wurden nicht nur zu Witwen, weil die Männer im Dienst in der Armee fielen, in Mrar geschahen auch außergewöhnlich viele Autounfälle. Außerdem haben sich im Ort innerhalb relativ kurzer Zeit zehn junge Männer das Leben genommen und sich eben an den Bäumen im Ort aufgehängt, erzählt uns Nada. Sie war daher von der Idee eines "Baum des Lebens" mit den Glocken der Waisen und Witwen von Beginn an überzeugt.

Leider ist die Zeit bereits viel zu schnell vergangen und wir müssen uns auf den Weg zur nächsten Station machen. Aviv und Nada vereinbaren noch einen Termin, um nach einem geeigneten Baum zu suchen. Nach einer herzlichen Verabschiedung brechen wir auf und fahren weiter nach Rama, etwa 20 min Autofahrt von Mrar.

"Das nächste mal stehen wir auf der Bühne"

In Rama, erzählt Aviv, hat es lange gedauert bis er ein Projekt auf den Weg bringen konnte. Dort finden die Aktivitäten in einem Waisenhaus, dem "House of Love and Peace" statt, das von George und seiner Frau, einem christlichen Ehepaar, seit etwa zehn Jahren geführt wird. Mittlerweile wohnen 40 Kinder jeden Alters dort, Waisen, aber auch Kinder aus schwierigen Familieverhältnissen, die ansonsten in Armut, Gewalt oder schlicht auf der Straße leben würden.

Hier arbeitet Ahmed mit einer Gruppe von 15 Kindern. Ahmed stammt aus Nazareth und hat Theater und Darstellende Kunst in Frankreich studiert. Die Arbeit mit den Kindern ist für ihn nicht nur eine große Herausforderung, sondern auch eine neue Erfahrung, genauso wie für die Kinder selbst. Sie waren vor einem Jahr zu Gast bei einem Empfang der Stiftung Raz Ram bei Staatspräsident Moshe Kazaw. Dort sahen sie auch ein Theaterstück, das sie sehr beeindruckte. "Das nächste mal stehen wir auf der Bühne", hat einer der Jungs daraufhin beschlossen. Aviv hat lange nach dem richtigen Betreuer gesucht, bis er schließlich auf Ahmed stieß. Ahmed arbeitet mittlerweile vier Monate mit den Kindern und ist von ihrem Willen und ihrem Talent überrascht.

Dabei wissen sie gar nicht wirklich, was das ist, Theater. Sie haben nur dieses eine Mal vor einem Jahr ein kurzes Theaterstück gesehen, sie wissen nicht, was eine Bühne ist und sie fürchten sich auch davor, selbst auf der Bühne zu stehen, können sich nicht vorstellen, dass das wirklich passieren wird. Aviv hat sie gefragt, ob sie eine richtige Aufführung mit ihrem Stück, das sie mit Ahmed ausarbeiten, organisieren möchten, hier in Rama und vielleicht auch in anderen Orten. Klar, auf jeden Fall, unbedingt, war die Antwort. Vor ihnen liegt noch ein hartes Stück Arbeit, meint Ahmed, aber sie können es schaffen.

Ahmed arbeitet mit wenig Text und viel Pantomime. Er hat für die Kinder ein Stück zusammen gestellt, das die Freiheit als Grundthema hat, einen Diktator, der die Menschen unterdrückt und für sich arbeiten lässt, der schließlich besiegt wird, nur um ersetzt zu werden. Freiheit für alle Menschen, betont Ahmed, es ist kein politisches Stück, denn jedes der Kinder verkörpert eine andere Nation, Israel, Palästina, Amerika, Russland, Frankreich und Japan. Die Pantomime fordert viel von den Kindern, da sie ihre Fantasie in das Spiel mit einbringen müssen.



Das ganze Projekt hat hohe Ansprüche an die Kindern und bringt ihnen dadurch Momente des Glücks und der Bestätigung. Ahmed erzählt mir, dass einer der kleineren Jungen einmal zu weinen anfing, als ihm die Gruppe für eine gelungene Szene applaudierte. Nach der Stunde kam er zu Ahmed und erzählte, dass er zum ersten Mal in seinem Leben einen Applaus, eine derart große Anerkennung, bekommen habe. Seine Lehrerin in der Schule habe ihn überhaupt noch nie gelobt. Ahmed, das spürt man jeden Moment, ist nicht der "Lehrer", der "Erwachsene", der Anweisungen erteilt, er ist ein Freund und weiß, wie er mit den Kindern umgehen muss. Trotzdem setzt er ihnen Grenzen, damit ihnen bewusst wird, dass ihr Projekt ernst gemeint ist.

Aviv schlägt vor, die Kinder in den nächsten Wochen zu einer Aufführung in Haifa fahren zu lassen, damit sie einen Eindruck vom Theater bekommen, sehen, was eine richtige Bühne ist und die Atmosphäre des Theaters schnuppern können. Vielleicht lässt sich auch eine Begegnung mit den Schauspielern organisieren. Nachdem die weiteren technischen Dinge besprochen sind, müssen wir auch von Rama aufbrechen, denn der Tag ist noch nicht zu Ende.

Im Zentrum zur Erinnerung an die Gefallenen

Hurfeish, ein drusisches Dorf und die letzte Station unserer Reise, bildet quasi das Zentrum aller Projekte der Raz-Ram-Stiftung im Norden Israels. Dort besteht die Verbindung mit dem Zentrum zur Erinnerung an die Gefallenen, Jad leBanim. Das Projekt ist dort bereits beendet, etwa 30 Kinder haben Marionetten selbst gebastelt, angemalt und angezogen. Heute sind sie zusammen gekommen, um die Puppen feierlich entgegen zu nehmen. Auch hier sieht man, wie stolz die Kinder auf ihre Arbeit sind, aber dass sie es nicht gewohnt sind, fotografiert und gelobt zu werden. Die großen Jungs spielen genauso wie die kleinen Mädchen mit den Marionetten, drehen sich nur verschämt weg, wenn sie sehen, dass ich meine Kamera auf sie richte.


Sie ist stolz auf ihre Arbeit...



und er hofft, dass ich nicht gesehen habe,
wie er mit der Puppe spielt...

Der Abschluss dieses Projektes bedeutet keineswegs das Ende der Aktivitäten der Stiftung in Hurfeish. Ganz im Gegenteil, der Grundstein für das nächste Vorhaben ist im wahrsten Sinne des Wortes bereits gelegt. Hier in Hurfeish plant Raz Ram die Ausgestaltung eines kleinen Gartens, des "Gan haMa'ajan", Garten der Quelle. Auf der Suche nach einer Möglichkeit für ein Projekt im Freien, stieß Aviv auf den alten Brunnen in der Nähe des Dorfes. Drusen aus der Umgebung haben dort ihr Wasser geholt bevor es in den Dörfern Leitungen gab. Heute ist der Ort verfallen und fast vergessen.

Die Idee, den Ort wiederzubeleben und gemeinsam mit zu gestalten, wurde in Hurfeish begeistert aufgenommen. Bei einem von Raz Ram organisierten Nachmittag zeichneten knapp 300 Kinder der Umgebung ihre Vorstellungen vom "Quell-Garten" auf. Natürlich kann man die Ausgestaltung den Kindern nicht ganz alleine überlassen, aber auch hierfür gibt es bereits eine Lösung. Vor zwei Jahren, erzählt Aviv, kontaktierte ihn eine junge Frau, die selbst Waise ist, um nach einer Möglichkeit zu fragen, sich in der Stiftung zu engagieren. Lange Zeit ergab sich nichts Passendes, bis die Idee mit dem Garten aufkam. Denn die junge Frau ist Landschaftsarchitektin, eine Lektorin an der Technischen Universität Haifa, und sie ist von dem Projekt ebenfalls begeistert. Die Realisierung wird sicherlich noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen, die Weichen sind jedoch gestellt und das Projekt ist auf dem Weg.

haGalil:
Kultur der Erinnerung und des Friedens

Den Abschluss wird eine Konferenz unter dem Titel "haGalil, Kultur der Erinnerung und des Friedens" bilden, die eine internationale Einbindung in die Projekte der Stiftung fördern und vertiefen soll. Kooperation und Unterstützung, ideeller und finanzieller Art, sind für die Arbeit von Raz Ram, die in Israel etwas Einzigartiges ist, essentiell. Zwar gibt es teilweise eine Förderung aus den verschiedenen Ministerien der Regierung, die Finanzierung der Projekte gestaltet sich aber gerade in diesen schwierigen Zeiten von Budgetkürzungen und Einsparungen, nicht einfach. Manchmal ist die Finanzierung noch unklar, aber die Stiftung läßt die Projekte trotzdem starten oder weiterlaufen. Wie sollte man den Kindern, die sich den ganzen Sommer auf das nächste Treffen gefreut haben, auch absagen können? Und manchmal genügt bereits eine Spende, um ein Projekt erneuern zu können.

Auf dem Weg nach Hause, also nach Tel Aviv, versuche ich die verschiedenen Eindrücke des Tages zu sortieren. Erstaunlich ist vor allem das Vorgehen der Stiftung, die sich an Bürokratie, langen Anlaufzeiten und sperrigen Teilnahmebedingungen vorbei schlängelt. Hier werden nicht monatelang Pläne geschmiedet, hier wird ganz einfach gehandelt. Und dieses Handeln fügt sich ineinander, bringt zusammen und vereint. "Joining Hearts in Arts" ist das Motto der Stiftung, das in jedem Moment mit vollem Einsatz ausgelebt wird. Am meisten ist mir das Lachen und die Freude der Kinder präsent, denen in den zahlreichen Projekten der Stiftung wirklich etwas besonderes gegeben wird. Für einen Nachmittag tauchen sie in eine andere Welt ein, kreieren, schaffen, fantasieren und wachsen daran.

Kontakt:
Raz Ram Foundation
Tel/Fax: +972-3-5467246
Email: a-l@bezeqint.net
http://www.raz-ram.org

Text in English

hagalil.com 28-02-2003

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