Ohne Scharon:
Yitzhak Rabin zum Gedenken
Heute finden in ganz Israel Feierlichkeiten zum Gedenken an Yitzhak
Rabin statt. Die zentrale Staatsfeier wird am Mittag in Jerusalem an
Rabins Grab am Herzl Berg abgehalten. Einer wird nicht daran
teilnehmen, Ariel Scharon. Denn er ist zur Zeit nicht im Land,
sondern weilt in Washington. Ein Zufall, der nicht unbedingt zu
bedauern ist. War Scharon doch einer von jenen, die am Jerusalemer
Zionsplatz nicht dagegen protestierten, als Demonstranten Plakate
schwenkten, die Rabin in SS Uniform zeigten. Scharon war an der
Agitation gegen Rabin maßgeblich beteiligt und bezeichnete die Oslo
Abkommen als "Akt des Verrates".
Das Grab von Yitzhak und Leah Rabin am Herzl Berg in
Jerusalem
Heute ist Scharon
Ministerpräsident und sieht man sich seine Bilanz an, so steht er
nicht nur in Bezug auf den Friedensprozess im Schatten Rabins.
Während Rabins Amtszeit fiel die Arbeitslosenquote von 11,6% 1992
auf 6,6% Ende 1995. Der Wirtschaftswachstum erreichte 7%. Die
Aussichten auf eine friedliche Lösung des Nahostkonfliktes, die
durch Rabins mutige Verhandlungen entstanden waren, gaben für
ausländische Unternehmen den Anreiz, Billionen von Dollar zu
investieren. Die Wirtschaft florierte und die Zukunftsaussichten
schienen besser denn je. Mit den drei Schüssen auf Yitzhak Rabin kam
diese Phase zu einem abrupten Ende.
Heute, nach zwei Jahren
Ministerpräsident Ariel Scharon, befindet sich Israel in der
schwersten Krise seiner Geschichte, viele sprechen darüber, das Land
zu verlassen, breit angelegte Kampagnen werben auf Plakaten und im
Fernsehen für den Zusammenhalt, Smiley-Gesichter sollen über die
verheerende Wirtschaftslage hinweg trösten. Noch nie fiel die
Produktionskraft zwei Jahre in Folge, noch nie wurden so viele
Menschen entlassen, Löhne gestrichen und Firmen geschlossen wie im
Moment. Noch nie waren die Aussichten für das kommende Jahr so
schlecht wie heute. Und trotzdem genießt Ariel Scharon relativ große
Popularität.
Bei der Eröffnung der Knesseth Wintersitzung am
vergangenen Montag gab er eine Kostprobe seiner Ansichten. Es wäre
unmöglich, schmerzhafte Konzessionen an die Palästinenser zu machen,
aber nicht bereit zu sein, Zugeständnisse für das eigene Wohl und
den eigenen Lebensstandard zu machen. Doch von welchen
Zugeständnissen ist dabei die Rede? Denn Scharon ist zu überhaupt
gar keinen Konzessionen bereit. Und wäre der Rückzug aus den
besetzten Gebieten dabei wirklich ein Zugeständnis? Scharon zieht es
vor, den Krieg fortzuführen, mit Unterstützung radikaler Siedler in
Hebron und den Siedlungen, denn das ist, was er kann, was er gelernt
hat.
Damit täuscht er auch über seine Unfähigkeiten in
der Innenpolitik hinweg. Die Probleme im Sozial- und
Arbeitsmarktbereich haben sich seit seinem Regierungsantritt massiv
verschlechtert. Publikumswirksam hat er einmal der religiösen
ShaS-Partei bei einem der üblichen Gelderpress-Abstimmungen
widerstanden, seitdem scheinen ihm mehr Menschen als es gut wäre
eine gewisse Kompetenz zuzutrauen. Dabei vergibt er Gelder so, wie
sie für die nächste Abstimmung um den Parteivorsitz am nützlichsten
sind und führt einen Zickzack-Kurs, der für die wirtschaftliche
Entwicklung des Landes fatal ist.
Auch Yitzhak Rabin war ein Mann des Militärs,
jedoch nicht ausschließlich. Er hatte verstanden, dass die Zukunft
des Landes in den friedlichen Beziehungen mit seinen Nachbarn liegt.
aue /
hagalil.com
17-10-02 |