Protest-Brief von Piloten:
Schwache Stelle in der harten Haltung
27
israelische Reservepiloten weigern sich, Einsätze für gezielte
Liquidierungen zu fliegen
Von Thorsten Schmitz
Der Brief ist kurz, der Aufschrei aus dem
Regierungslager dafür umso lauter. 27 Reservepiloten der
israelischen Luftwaffe (IDF) haben am Mittwochabend dem IDF-Chef
Generalmajor Dan Chalutz eine Petition überreicht, in der sie sich
weigern, die weltweit kritisierten Liquidierungen vorzunehmen. Diese
werden von Israels Regierung als "präventive Tötungen" bezeichnet
und sollen Anschläge palästinensischer Terroristen verhindern.
Die Kampfpiloten, die nur dem zweiten israelischen
Fernsehen und dem Massenblatt Jediot Achronot Interviews geben,
nicht aber ausländischen Medienvertretern, klassifizieren die
Tötungen in ihrem Verweigerungs-Schreiben als "unmoralisch" und
"illegal". Prompt suspendierte der Kommandeur der israelischen
Luftwaffe Chalutz am Donnerstag neun Piloten vorläufig vom Dienst,
die übrigen 18 sind Veteranen und schon lange nicht mehr zu
Flugdiensten einberufen worden.
Bildungsministerin Limor Livnat warf den Piloten
vor, die israelische Luftwaffe für "eigene politische Ansichten zu
missbrauchen". Andere Minister sehen in dem kollektiven Nein der 27
Piloten eine "Gefährdung der Demokratie" und verlangen, die
IDF-Verweigerer als "Verräter" zu behandeln. Verteidigungsminister
Schaul Mofaz hatte kurz vor der Veröffentlichung der Petition die
gezielten Tötungen noch gerechtfertigt mit dem Hinweis auf die
vergleichsweise gewaltarmen vergangenen zwei Wochen. Dies sei darauf
zurückzuführen, dass sich Führungsspitzen und Kommandoebenen der
Terrorgruppen aus Furcht vor gezielten Tötungen versteckten. Anstatt
mit der Vorbereitung von Anschlägen beschäftigt zu sein, würden die
Terroristen von Unterschlupf zu Unterschlupf jagen.
Prominentestes Mitglied unter den 27 Piloten ist
der 63 Jahre alte Jiftach Spector, der bereits 1981 bei der
Bombardierung des damals im Bau befindlichen irakischen Atomreaktors
teilgenommen (und als einziger Pilot das Ziel verfehlt) hatte.
Jiftach, der seit 15 Jahren keinen Einsatz mehr geflogen ist,
begründet im Namen der 26 Kollegen das Aufbegehren mit "der großen
Anzahl an toten Zivilisten", die mit den Liquidierungen verbunden
seien. Ab Juni dieses Jahres hätten sich die Piloten in eine
mehrmonatige Klausur begeben, deren Ergebnis die Verweigerung sei.
Anlaß war der Abwurf einer schweren Bombe auf das Haus des
Hamas-Führers Saleh Schahade im Juni in Gaza-Stadt, bei dem das
Mitglied der palästinensischen Terror-Organisation getötet worden
war - aber auch dessen Ehefrau sowie 14 Zivilisten, darunter neun
Kinder und Jugendliche.
In ihrem Brief, der kurz vor Beginn des jüdischen
Neujahrfestes Rosch Ha'Schana am heutigen Freitag die Nachrichten in
Israel beherrschte, erklären die Piloten unter anderem: "Wir weigern
uns, die illegalen und unmoralischen Aufträge auszuführen. Wir, die
wir erzogen worden sind, Israel zu lieben und zum zionistischen
Projekt beizutragen, weigern uns, Luftangriffe auf dicht bevölkerte,
zivile Zentren auszuführen." Weiter heißt es: "Die andauernde
Besatzung gefährdet Israels Sicherheit." Die Initiative der Piloten
ähnelt der Unterschriftsaktion von rund 500 israelischen Soldaten
vor eineinhalb Jahren, die den Einsatz im Gaza-Streifen und im
Westjordanland verweigert hatten. Einige waren deshalb zu
Gefängnisstrafen verurteilt worden in der Länge, in der sie hätten
Dienst leisten sollen.
hagalil.com
26-09-03 |