Außenminister Shimon Peres im Europarat Strassburg:
Schwarze Wolken am Himmel über Jerusalem und Israel
Außenminister Shimon Peres wandte sich am Mittwoch,
den 23. Januar 2002 an die parlamentarische Versammlung des Europarates
in Strassburg
Er sagte in seinen Eröffnungsworten: "Gestern früh
verließen wir Jerusalem, eine sehr traurige Stadt, in der viele Familien
mit den Schrecken des Terrors und dem Verlust ihrer Lieben konfrontiert
sind. Und wieder ziehen schwarze Wolken am Himmel über Jerusalem und
Israel empor. Es entspricht weder unserem Wunsch, noch sind wir bereit,
diesen Zustand als Lebensnorm oder festen Brauch in unseren Beziehungen
mit den Palästinensern zu akzeptieren. Grundsätzlich wünschen wir
friedliche Beziehungen zwischen dem palästinensischen Volk, den
arabischen Ländern und Israel.
Wir streben nicht nach Krieg, wir streben nicht nach
Siegen. Tief in unseren Herzen wissen wir, dass gute Nachbarn besser
sind als gute Waffen. Und in der Tat haben wir mit zwei Ländern Frieden
geschlossen. Wir haben das Gebiet eines dritten Staates geräumt und
einem vierten Land einen Frieden angeboten. Wir haben den Ägyptern das
gesamte Land, Wasser und Öl zurückgegeben, ohne dass es dafür eines Bin
Laden oder irgendwelcher Terroraktionen bedurfte. Wir haben Jordanien
das gesamte Land und das gesamte Wasser zurückgegeben, wiederum ohne
dass durch Bomben oder Gewehre Druck ausgeübt werden musste. Übrigens
haben wir dies getan, nachdem wir einen Krieg gewonnen, nicht nachdem
wir einen verloren haben.
Wenn die Rede auf die Palästinenser kommt, weiß ich, dass
Leute sagen: "Setzt der Besetzung ein Ende, gebt ihnen das Land zurück
und schließt Frieden." Tatsächlich haben wir auch das versucht. In Camp
David haben unser ehemaliger Premierminister Barak und Präsident Clinton
den Palästinensern nicht die Rückgabe ihres gesamten Landes, sondern von
96% bis 97% dessen angeboten. Über die übrigen 2% bis 3% hätten sie
verhandeln können. Es fällt Israel und den Israelis schwer zu verstehen,
warum die Palästinenser dieses Angebot abgelehnt haben. Was ist falsch
gelaufen? Ich bin sicher, dass im Falle von Jordanien und Ägypten Terror
nicht notwendig war, doch im Falle der Palästinenser ist es der Terror,
der ein Abkommen verhindert hat und einem solchen bis zum heutigen Tag
im Wege steht.
Ich möchte so objektiv sprechen, wie ich nur kann. Ich
frage mich, warum es einen arabischen Terror gibt. Es gibt mehr als eine
Antwort auf diese Frage. Einige sagen, dass Arafat nicht zufrieden sein
wird, bis er alles erhält, was er möchte. Er stand kurz davor, viel von
dem zu erhalten, was er wollte. Auch Israel hat seine Probleme. Es geht
hier nicht darum, dass wir bestimmte Zugeständnisse machen wollen oder
nicht, doch möchten wir auch Sicherheit für unser eigenes Volk. Wir sind
zwei Völker, die auf einem kleinen Stück Land leben; wir sind
integriert, wir leben neben- und untereinander. Wir müssen Beziehungen
schaffen, die diesem Zustand gerecht werden.
Einige behaupten, Arafat sei nicht interessiert, einen
Krieg zu führen. Doch wenn Leute glauben, Arafat sei interessiert,
Frieden zu schließen, stellt sich die Frage, warum er es nicht tut. Hier
liegt das Problem für jemanden wie mich. Meine Antwort lautet , dass es
nicht wegen seiner Position ist, sondern wegen seiner Disposition. Es
besteht keine Chance, dass Arafat mit uns Frieden schließen kann oder
wir mit ihm Frieden schließen, sofern er nicht eine grundsätzliche Sache
tut, die für alle Staaten und Institutionen notwendig ist: Kontrolle
über alle bewaffneten Kräfte, über alle Waffen und alle Menschen
auszuüben, welche diese Waffen benutzen. Ich fürchte, dass, solange es
vier oder fünf Gruppen gibt, die alle eine unterschiedliche Agenda haben
und eigene Waffen und Bomben besitzen, Arafat mit ihnen Koalitionen
schließen muss. Sie werden ihre Waffen nicht aufgeben. Sie werden
weiterhin an diesen festhalten. Arafat wird nicht verantwortlich sein
und keine Kontrolle über se! in! Volk ausüben.
Einige Palästinenser, auch Arafat selbst, haben mir gesagt:
"In Ihrer Regierung bestehen auch unterschiedliche Ansichten." Das ist
richtig. Wir haben verschiedene Ansichten, aber nur ein Gewehr. Die
Palästinenser haben eine Ansicht, aber viele Gewehre. Es ist nichts
daran auszusetzen, dass die Palästinenser verschiedene Ansichten haben.
Wir sagen nicht, dass sie die Ansicht Arafats oder einer anderen Person
teilen müssen, doch wird es keinen Frieden geben, solange Gruppen
bestehen, die von Syrien oder dem Iran Befehle erhalten - gelegentlich
Befehle, die nichts mit dem palästinensischen Volk zu tun haben, sondern
mit dem Bestreben einiger Geistlicher in der islamischen Welt, alle
arabischen Länder zu kontrollieren.
Wir wollen mit den Palästinensern Frieden schließen. Wir
anerkennen ihre Rechte. Wir anerkennen ihr Recht, selbständig, mit
Anstand und in Wohlstand zu leben. Sie sind nicht unsere Feinde. Weder
ihre Religion noch ihr Staat sind unsere Feinde. Unser Feind ist auch
Ihr Feind, und das ist der Terror.
haGalil onLine
25-01-2002 |