EU-Erweiterung:
Die frohe Botschaft vom europäischen Pass
Wenn sich Anfang 2004 zehn neue
Mitgliedsstaaten der EU anschließen wird auch Israel plätzlich
weitaus näher an Europa heranrücken. Die Grenze zur EU wird nur noch
300 km von Haifa entfernt, in Zypern liegen. Neben
wirtschaftlichen Auswirkungen ist das für viele Israelis von
Bedeutung. Schätzungsweise eine Million israelische Staatsbürger
können einen europäischen Pass erhalten.
"In Israel
leben heute Hunderttausende Personen, die aus den neuen
Mitgliedstaaten stammen und deshalb Anspruch auf einen europäischen
Pass haben werden", erklärt Giancarlo Chevallard, der EU-Botschafter in Israel. Das bedeutet, dass 15% der Bürger
Israels in eineinviertel Jahren einen europäischen Pass erhalten
können. Ca. 280.000 Israelis, die aus europäischen Ländern stammen,
verfügen schon heute über einen europäischen Pass, und in den
letzten Jahren werden die Botschaften der europäischen Staaten von
Antragstellern auf Staatsbürgerschaft überschwemmt, berichtet die
Tageszeitung Maariv. Bei Beratungen der europäischen Botschafter in
Israel werden dieser Tage Pläne zur Evakuierung europäischer
Staatsbürger ausgearbeitet, für den Fall, dass sie aufgrund der
bevorstehenden Offensive im Irak in Gefahr geraten sollten. Bei
diesen Beratungen hieß es auch, dass jeder europäische Staatsbürger
berechtigt ist, falls er es wünscht in diese Pläne aufgenommen zu
werden.
Eine andere für Israel interessante
Entwicklung sei, so Botschafter Chevallard, die Tatsache, dass Tausende osteuropäische Arbeiter in Israel zu
europäischen Staatsbürgern werden. Die israelische Regierung werde
sich dann mit einer neuen Realität bezüglich dieser ausländischen
Arbeitnehmer auseinandersetzen müssen, da sie sich dem Schutz der
EU-Institutionen erfreuen werden.
Im wirtschaftlichen Bereich kommt
hinzu, dass viele israelische Firmen, die auf Zypern registriert
sind, europäische Firmen werden, mit allen damit verbundenen
Rechten, und der Import aus Zypern nach Israel wird völlig zollfrei
sein, entsprechend des Wirtschaftsabkommens zwischen Israel und der
EU.
Auf die Frage, ob es Aussichten gibt,
dass sich auch Israel der erweiterten EU anschließen kann,
antwortete Chevallard: "Auf kurze Sicht gibt es diese Möglichkeit
nicht, und das hat einige Gründe: zunächst hat Israel niemals
offiziell einen Beitritt beantragt. Zweitens: es ist unklar, in
welchem Maße die europäische Öffentlichkeit zu einer solchen
Maßnahme bereit wäre und drittens: Israel befindet sich nicht in
Europa. Aber ich weiß nicht, was in einigen Jahrzehnten passieren
wird. In diesem Zusammenhang schlug der Präsident der EU-Kommission,
Romano Prodi, vor, dass der erweiterte europäische Block alle
befreundeten Staaten in einem Netz umfassen soll, von Rußland bis
Marokko, einschließlich Israel, die sich aller Dinge erfreuen
können, jedoch keine Mitglieder sind. Die Tatsache, dass sich Israel
der EU nicht anschließt, verhindert jedoch die Vorantreibung der
bilateralen Beziehungen zwischen Israel und der EU nicht. Die EU ist
bereit, in neue Bereiche der Zusammenarbeit einzutreten, wie
Raumfahrt, Bildung, Kultur und soziale Belange."
Es sei auch klar, dass Israel
kein volles Mitglied des Euro-Blocks sein könne, vor allem nicht
über die europäische Zentralbank. Eine Eurobindung des Schekels sei
jedoch nicht ausgeschlossen. Israel werde eine bedeutende
Entscheidung treffen müssen, nämlich ob der Schekel an den Euro oder
den Dollar gebunden werden soll.
Die Möglichkeit, einen europäischen
Pass zu bekommen, wurde in Israel als frohe Botschaft aufgenommen.
Doch warum, fragt Gal Ochowsky in einem Kommentar in Maariv. "Wer
braucht einen ausländischen Pass?" Der einzige Vorteil sei, dass man
bei der Passkontrolle nicht so lange anstehen müsse. "Die freudige
Botschaft, dass bald jeder fünfter Israeli einen europäischen Pass
besitzen wird, hat also nur einen psychologischen Affekt. In der
gegenwärtigen Zeit der Verzweiflung vermittelt der Traum von einem
solchen Pass ein Gefühl der Sicherheit. Der europäische Botschafter
in Israel hat ja sogar gesagt, im Falle einer Katastrophe würden
alle Paßinhaber nach Europa evakuiert werden. Kann man sich im Falle
einer Katastrophe auf die Europäer verlassen? Diese Frage sollte man
im Spiegel der Geschichte überprüfen."
aue /
hagalil.com
20-12-2002 |