
Likud-Parteitag:
Bloß nicht ergeben!
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 20.08.2004
Übersetzung Daniela Marcus
Das Mikrophon war auf der linken Seite der
Bühne platziert, damit sich das Spektakel des Mikrophondiebstahls
von einst –mit dem Ruf "Wer ist dafür, den Terror zu liquidieren?"-
nicht wiederholen konnte. Auch die Stühle im Tel Aviver Mann
Auditorium waren fest im Boden verankert, damit sie niemand durch
die Gegend werfen konnte, wie es in den Zeiten von Gaston Malka der
Fall gewesen war. Doch der Geist war der gleiche. Nur die Charaktere
haben die Rollen getauscht.
Ariel Sharon betrat den Saal als König von Israel,
als "Herr Eine-Million-Stimmen", und verließ ihn als geprügelter
Funktionär. Die Abstimmung, die sich angeblich auf eine Zustimmung
oder Ablehnung bezüglich einer Koalition mit der Arbeiterpartei
konzentrierte, erinnerte an ein jiddisches Sprichwort, das sagt:
"Verpasse deiner Schwiegermutter einen Schlag anstatt deiner Frau."
Also verpassten sie der Arbeiterpartei einen Schlag, doch eigentlich
meinten sie den Abkoppelungsplan. Sharon kehrte als hinkender König
von Israel auf seine Ranch zurück, jedoch voller Andeutungen, dass
noch nichts vorbei sei und dass der Tag der Abrechnung sicher kommen
werde.
Die Likud-Versammlung ist ein trüber Versuch, die
bolschewistischen Organe aus vergangenen Zeiten wieder zu beleben
und dem Premierminister, der in allgemeinen Wahlen gewählt wurde,
die politische Agenda durch die Partei –das Politbüro, das
Sekretariat oder das Parteibüro- zu diktieren. Heutzutage hat die
Parteiversammlung in der freien Welt eigentlich nur die eine Rolle:
den Kandidaten für den Posten des Premierministers zu wählen,
basierend auf persönlichen und politischen Kriterien und auf der
Qualifikation das Land zu führen. Von dem Moment an, da der Kandidat
das Vertrauen des Volkes in der Wahlkabine erhält, ist er der
leitende Operateur und stellt sich der Politik, auf Grund derer er
vom Volk gewählt wurde. Er bleibt bis zum Ende seiner Zeit im Amt,
oder zumindest so lange, wie er die Mehrheit in der Knesset hat.
Die Bemühung, die Initiative des Premierministers
durch die Likud-Versammlung zu torpedieren, ist ein undemokratischer
und unmoralischer Akt und meiner Meinung nach auch ein skandalös
verfassungswidriger. Das dreimalige Intervenieren durch die
Versammlung in dem Versuch, Sharon eine Politik aufzuzwingen, die
das Gegenteil von dem ist, wofür er von der Mehrheit der Nation
gewählt wurde, stellt die Unterdrückung einer geordneten Regierung
und den Weg zur Anarchie dar.
Wenn das Zentralkomitee des Likud denkt, Sharon
strebe nach der Vision eines Groß-Israels, wo war es dann während
der Wahlkampagne, als der Slogan, dass Sharon Frieden bringen würde,
an jede Wand geklebt wurde? Was dachten sie, als Sharon über
"schmerzhafte Zugeständnisse" sprach? Dass er zum Zahnarzt ginge?
Und warum waren sie ruhig, als sich Sharon zur Bildung einer
Einheitsregierung verpflichtete? Dachten sie, das beträfe nur den
strategischen Berater Arthur Finkelstein? Sharon verdoppelte die
Stärke des Likud, weil die Wähler glaubten, er sei der einzige
Mensch, der ausführen könne, was er versprochen hatte.
Der Oberbefehlshaber Sharon kam zu der
Schlussfolgerung, dass Terror nicht mit militärischer Stärke
ausradiert werden kann. Der Staatsmann Sharon verstand, dass die
größte Großmacht die Welt in Gute und Böse einteilt und dass wir
unseren Beitrag leisten müssen, um den Konflikt nach George Bushs
Willen zu beenden, denn die Alternative wäre eine Lösung, die Israel
aufgezwungen werden würde. Als Führungskraft des Landes erkannte er,
dass unsere Sicherheit, unsere politische und wirtschaftliche Lage
einen "Akt" fordert, nämlich den Beginn der Abkoppelung von den
palästinensischen Gebieten – zunächst vom Gazastreifen und seinen
Siedlungen. "Es war schwer für mich, diesen Weg zu akzeptieren, doch
verantwortliche Führung zwingt zu schwierigen Entscheidungen", sagte
Sharon.
Sharon hat den Punkt überschritten, von dem aus es
keine Rückkehr mehr gibt. Er hat über eine Zukunft von zwei Staaten
für zwei Nationen gesprochen, über die demographische Gefahr, über
das inakzeptable Regieren eines anderen Volkes. Er hat nicht nur
darüber gesprochen, sondern er hat auch eine Entscheidung im
Kabinett durchgebracht und bereits vor acht Monaten Richtlinien für
die Durchführung dieser Politik herausgegeben. Innerhalb von zwei
Wochen nach Informationserhalt können die Institutionen der
Verteidigung bereit sein, die Siedlungen zu evakuieren. "Eine
verantwortungsvolle Führung muss das Gute für die Nation vor alles
andere stellen, und dies ist einer dieser Momente", wiederholte
Sharon.
Was am Mittwoch geschah, war der Versuch, eine
gezielte Tötung auf den Abkoppelungsplan durchzuführen. Die
Weiterführung wird zweifellos in Form von häufigeren
Vorbeugungsmaßnahmen kommen. Doch Sharon muss sich nicht abschrecken
lassen, denn die große Mehrheit der Nation steht hinter ihm. Auch
viele Likud-Wähler unterstützen seinen Schritt. Er muss mit seinen
Bemühungen weiter machen und die Mehrheit in jeder Form, unter jeder
Bedrohung und mit jeder möglichen Regierungszusammensetzung, die er
finden kann, sichern. Wenn eine Minderheit von Fanatikern im
Zentralkomitee des Likud das gesamte Land zu internationaler
Isolation und zu politischem, ökonomischem, sozialem und
militärischem Tod verurteilen will, müssen wir zu Ariel Sharon
sagen: "Ergib dich bloß nicht!"
hagalil.com
20-08-2004 |