Nach dem Bruch:
Über den Zustand der israelischen Rechten
Ofer Shelach
Was in dieser Woche vernichtet wurde ist nicht die
Ideologie der Rechten sondern ihre Ersatzideologie, ihr hauptsächliches
Vermarktungsinstrument, mit dem sie sich verkauft hat: die Behauptung,
daß zwischen dem Festhalten an den Gebieten und der Sicherheit eine
Verbindung besteht.
Mittels dieser Botschaft hatten es die Siedler
geschafft, die Verbindung zum grundsätzlichen Unwillen Verzichte
einzugehen, und dem völlig fehlenden Vertrauen zu Arabern und der
psychologischen Notwendigkeit nach Raum zu vertiefen - selbst bei den
Leuten, die die Gebiete nicht als heiliges Mutterland betrachteten.
Diese Botschaft hatte auch dazu geführt, jedwedes Bestreben nach der
Erstellung bzw. Präsentation von einer Friedensvision des Staates Israel
zu unterbinden. Dieses Vermarktungsinstrument hat - ausgerechnet - Ariel
Sharon irreparabel kaputt gemacht.
Dies alles hat nicht erst mit der Annahme der road map
begonnen. Seit Monaten buddeln die Bulldozer, errichten den Trennzaun
und untergraben das Fundament der Verbindung zwischen Gebieten und
Sicherheit. Zu Beginn begrüßten viele der Siedleranführer die Idee des
Trennzauns, zumindest nachdem sie wiederholten Überredungen und Druck
ausgesetzt wurden. Anfänglich meinten sie, nichts gehe über jedwedes
Mittel zur Absicherung der Juden, jedoch allmählich wurde ihnen klar,
daß der Zaun einen tiefen Einschnitt bedeutet, daß der Bulldozer in
seiner gleichgültigen Art und Weise nicht vor Ideologie halt macht,
sondern sich allein nur nach einem Zeitplan der Durchführung richtet und
eine wahrhaftige Grenze schafft. Damit änderte sich die Einstellung
unter den Siedleranführern.
Aber der Trennzaun war lediglich das physische Stadium
der Zerstörung des Vermarktungsinstruments. Die Worte Sharons haben
endgültig alles begraben: wenn Herr Sicherheit, Herr Besiedlung, über
die Schäden der Besatzung spricht und eine Verbindung zwischen der
Kontrolle über ein anderes Volk und der Unsicherheit innerhalb Israels
herstellt, dann ist selbst den letzten Optimisten in den Siedlungen
eindeutig klar, daß sich diese Botschaft nicht mehr weiter vermarkten
läßt.
Und so bleibt der Rechten noch die große Frage: was
kann sie nun noch verkaufen, wenn es nicht Bedrohung und Angst ist. In
den Worten Moshe Faiglins, dem Mann der "jüdischen Führerschaft" im
Likud: "Bis heute war das nationale Lager darum bemüht, einen
Friedensplan auf taktischem Niveau vorzulegen, in dem man den Fragen der
strategischen Bedeutung auswich. Das Ergebnis: alle Pläne des nationalen
Lagers wurde letztendlich gemäß einer umfassenden Strategie der Linken
ausgelegt, die diese förderten."
Kein Wunder, daß Elon, Faiglin und Kollegen im
Jesha-Rat sich in dieser Woche beeilten - und zwar jeder auf seine Weise
- Dokumente vorzulegen, die sie als "Friedensplan" bezeichneten. Auch
kein Wunder, daß Faiglin heute über Elon sagt, der früher einmal sein
Freund bei "Su Artzenu" war, das Einzige, was sie beide verbinde, sei,
daß sie beide morgens die Gebetsgürtel anlegen, aber mehr auch nicht. So
kommt es, wenn man im politischen Kampf Linien überschreitet, um einen
ideologischen Abgrund zu füllen. So sieht es in der israelischen Rechten
nach dem Bruch aus.
Hier geht es um eine Debatte, die im rechten Lager
bereits seit einigen Jahren läuft. Leute wie Effi Eitam haben z.B.
lautstark darüber gesprochen, aber wurden bisher nicht dazu
aufgefordert, die Debatte in einen praktischen Plan zu verwandeln. Die
Behauptung Faiglins oder Eitams besagt, daß der Zionismus dem Versuch
Ausdruck gab, das jüdische Volk auf zwei Ebenen zu normalisieren: es in
ein Volk wie jedes andere verwandeln und das Problem der Welt mit den
Juden durch die Gründung eines "normalen" Staates, der in Frieden mit
seinen Nachbarn lebt, zu lösen. Dies habe nach Oslo geführt ("Das kein
anti-zionistischer Akt war, sondern eine vom Zionismus angestrebte
Fortsetzung", sagt Faiglin.) Als der Oslo-Prozess zusammenbrach, kam
auch die Annahme zum Sturz, daß es so etwas wie einen normalen,
jüdischen Staat gibt.
Eretz Israel war gemäß dieser Ansicht niemals das Ziel
des Zionismus sondern nur ein Mittel zum Zweck. Auf dieser Grundlage
unterscheidet sich Sharon gar nicht von Yossi Beilin, sondern sie beide
benutzen lediglich verschiedene Mittel. Die sicherheitsbestrebte Rechte,
die in den Eretz-Israel-Gebieten einen Besitz sieht, der zur Wahrung
eines normalen Staates dient, unterscheidet sich von der Linken
lediglich in den taktischen Maßstäben. Alles, was sich in dieser Woche
unter amerikanischem Druck ereignet hat, ist, daß sich die taktischen
Maßstäben Sharons denen der Labour-Partei genähert haben.
Und der Rechten bleibt nun die folgende Wahl: die
Behauptung, daß der einzige Weg um hier zu existieren eine stete
Unnormalität ist, was dazu führen wird, daß der Rechten die
nicht-ideologische Anhängerschaft geraubt wird oder aber daß sie dank
der Unklarheit, in die sich Sharon hüllt, auf bessere Zeiten hofft, und
darauf, daß die Araber ohnehin stets den ersten Fehler machen werden.
Daran zu glauben, daß in langfristiger Sicht alle den Fehler im
Zionismus entdecken werden ("Der Prozess hätte bereits vor zwanzig
Jahren, nach der Räumung von Yamit beginnen müssen," sagt Faiglin), oder
aber an der Hoffnung festhalten, daß alles nicht ernst gemeint ist.
Praktisch gesehen reden alle Strömungen in den
Siedlungen von "Zumud" (arab.= Bedeutung in etwa festhalten, nahe
dranbleiben), d.h. das Festhalten an Grund und Boden schafft Tatsachen.
Elon, der darum bemüht ist, politischen Manövrierraum zu behalten,
spricht davon, daß es in der Regierung über jeden Abschnitt zu einem
Kampf kommen wird ("Es gibt etwa dreißig Stationen, bei denen wir den
Amerikanern gegenüberstehen werden"). Er will die rote Linie nicht
festlegen, aber klar ist, wenn es eine solche gibt, wird diese durch die
physische Räumung von Siedlungen verlaufen. Die Siedlungen sind ja
schließlich der Vorwand für die IDF-Präsenz in den Gebieten, selbst wenn
es vereinsamte Plätze wie Netzarim sind. Solange Netzarim vorhanden
bleibt - und solange Sharon sich weigert, über eine Räumung Netzarims zu
sprechen - werden die IDF dort bleiben und damit wird jedwede Chance zur
Entstehung eines dauerhaften palästinensischen Gebildes zerstört.
Die road map, sagen alle in einer Mischung aus Analyse
und Hoffnung, wird sich selbst vernichten. Sie beinhaltet zu viele
Bedingungen, zu viele Punkte, denen jemand - die Palästinenser, Sharon
oder die IDF - ein Bein stellen kann. Aber selbst wenn dies geschieht,
ist dennoch allen klar, die Zeiten der weichen, leicht verdaulichen
Rechten, die sich aus einer Feindschaft gegenüber Arabern und den Linken
nährt, sind vorbei. "Man kann nicht den ganzen Tag laut brüllen, was man
nicht tun soll," sagt Faiglin. "Leute wie Benni Elon sind heute, zwanzig
Jahre danach, noch immer damit beschäftigt, den Rückzug aus dem Sinai zu
bremsen. Man muß endlich mal sagen, was man ja getan werden soll."
Das "Was Ja" ist die Vision des jüdischen Staates von
Faiglin oder Eitam, aber es ist zweifelhaft, ob man den Massen wird
verkaufen lassen können, oder aber eine Idee eines neuen Kalibers, die
in dieser Woche allerdings noch nicht am Horizont zu sehen war. Momentan
herrscht dort unter den Rechten vor allem Schock. "Es gibt Dinge, die
man einfach nicht begreift," sagte Elon, der sich am vergangenen
Wochenende mit Sharon getroffen hatte und dem noch immer nicht klar ist,
was mit dem Mann eigentlich geschehen ist. "Ich habe einfach keine
Erklärung für diesen Verlust der Kontrolle. Arik Sharon benützt Worte
wie "Genug mit der Besatzung". Wer, selbst unter den Linken, benutzt
denn eigentlich überhaupt noch solche Begriffe?"
hagalil.com
11-06-03 |