Israelische Linke:
Nicht stören!
Kommentar von Gadi Taub, Maariv
Die Demonstration für das Loslösungsprogramm am
Samstag Abend in Tel Aviv war nicht groß, und das war voraussehbar.
Die Siedler haben uns auch gleich darauf hingewiesen, dass ihre
größer war, aber auch das war voraussehbar. Und das ist einer der
Gründe dafür, warum diese Demonstration überflüssig war: Sie half
der Siedlerpropaganda bei ihrem Versuch, das Bild der öffentlichen
Meinung auf den Kopf zu stellen.
Ein Großteil der israelischen Bevölkerung
befürwortet heute das Loslösungsprogramm, eine Minderheit will
dieses Programm stoppen. Das kann man jeden Freitag in den Umfragen
lesen. Deshalb muss man mit dieser Minderheit keinen Kampf um die
"Straße" führen. Das ist ein taktischer Punkt: Solange eine
Randgruppe an den Kreuzungen steht und schreit, sieht man, dass es
eine Randgruppe ist. Man sieht, dass die Demonstranten gegen die
Loslösung ein einheitliches Publikum mit gehäkelten Kippas ist, und
das genügt, um uns zu zeigen, um welchen kleinen Prozentsatz der
israelischen Bevölkerung es sich hier handelt.
Aber wenn man ihr eine andere Gruppe schreiender
Personen gegenüberstellt, dann soll irgendein Gefühl der Symmetrie
erzeugt werden. Die Mehrheit, deren Willen die Regierung derzeit
erfüllt, braucht nicht zu demonstrieren. Und deshalb ist sie auch
nicht erschienen. Sie hat nichts, wofür sie demonstrieren muss, und
sie muss nicht um die Straße kämpfen, wenn sie in der Regierung, in
der Knesset und in den Umfragen sowieso siegt.
Und das hat wohl der Großteil der Befürworter des
Programms verstanden und ist deshalb nicht erschienen. Die Leute
sind mit der Arbeit der Regierung zufrieden, und sie empfinden
keinen Drang, mit Schildern auf die Straße zu ziehen.
Das ist aber noch nicht alles. Es gibt hier noch
eine taktische Angelegenheit. Die Demonstration war trotz ihrer
Absichten eine Demonstration der Linken. Dieselben bekannten
Gesichter, die wir schon hundertmal am Rabin-Platz gesehen haben.
Die Vertreter der Rechten und der Mitte haben das vorausgesehen und
ihre Teilnahme abgesagt.
Man kann sie verstehen. Sie haben keinerlei
Absicht, eine von der Mitte geführte Maßnahme mit einem Schirm der
Linken zu bedecken. Das ist nicht gut für sie, vor allem weil der
Großteil ihrer Wähler gewöhnt ist, die Linken als zweifelhafte
Zionisten zu werten, als eine Bande von Schöngeistlern, die sich
mehr um den Feind als ihre eigenen Brüder sorgen. Das ist ein
falsches Image der linken Mehrheit, das sie einer Handvoll
brüllender Post- und Antizionisten zu verdanken hat. Aber obwohl das
Image falsch ist, ist es weit verbreitet.
Die Leute der Rechten und der Mitte, die die
Loslösung befürworten, wollen das Wesentliche nicht undeutlich
machen, nämlich dass die Loslösung eine durch und durch zionistische
Maßnahme ist. Deshalb wollen sie sich nicht mit der Linken
identifiziert werden. Es ist zwar richtig, dass der Großteil der
Linken einen Palästinenserstaat schon seit jeher aus zionistischen
Gründen befürwortet, aber jetzt, als dies zu einer Sache der
Mehrheit wurde, muss man nicht unbedingt wieder alle an die
Urheberrechte erinnern. Es hat wenig Sinn zu sagen: Wir haben es
euch ja gleich gesagt. Es stört sogar. Je fester die Linke Sharon
umarmt, desto leichter macht man es seinen Rivalen, ihn als "Linken"
darzustellen.
Hier also die Lehre: Die Minderheit muss
demonstrieren. Die Mehrheit muss Selbstbewusstsein demonstrieren und
sich ruhig verhalten. Die Linke ist nicht mehr gewöhnt, die Mehrheit
zu sein. Manchmal hat es sogar den Anschein, als gefalle es ihr
nicht, in der Mehrheit zu sein. Aber jetzt ist "Zwei Staaten für
zwei Völker" nun mal die Haltung des "Volkes", und die Linke findet
sich auf der Seite des "Volkes" wieder- sehr verwirrend für
jemanden, der daran gewöhnt ist, eine Minderheit zu sein, die recht
hat. Aber das war doch die ganze Zeit das Ziel, oder? Alles, was die
Linke jetzt tun muss, ist nicht zu stören.
Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv,
21.03.2005
hagalil.com
22-02-2005 |