Die Avodah vor dem Eintritt in die Regierung:
Gebt ihm keinen Blankoscheck
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 21.12.2004
Übersetzung Daniela Marcus
Der Automobilmagnat Henry Ford sagte einst: "Zu
fragen 'Wer soll der Chef sein?' ist das gleiche wie zu fragen: 'Wer
soll im Quartett der Tenor sein?' Wer sonst als der, der Tenor
singen kann?" In der neuen Koalition, die demnächst geformt wird,
wird Premierminister Ariel Scharon nicht nur der Tenor sondern auch
der Dirigent des Orchesters sein. Die anderen werden einfache
Musikanten sein, außer Peres, der vielleicht die erste Geige spielen
wird. Auf jeden Fall wird Peres nicht das Orchester leiten.
Im Verlauf der Verhandlungen über Ministerposten
sagte Außenminister Silvan Schalom: "Die Avodah muss verstehen, dass
die Regierung, der sie beitritt, eine Likud-Regierung ist." Und
Recht hat er. Dies ist keine nationale Einheitsregierung, diese ist
keine Notstandsregierung, diese ist keine Regierung mit neuen
Richtlinien. Eigentlich ist es ein Personalwechsel bei der
Zusammensetzung des Kabinetts. Um es kurz zu sagen: eine neue
Koalition. Es ist dasselbe Spiel, nur mit einigen kosmetischen
Veränderungen. Der Name des Spiels lautet "Abkoppelung und
Evakuierung der jüdischen Siedlungen im Gazastreifen". Als die Zeit
für die Umsetzung des Programms näher rückte, begann Scharon die
Unterstützung seiner Partei zu verlieren. Der Rest ist Geschichte.
Die Avodah tritt der Regierung bei, um dem Zahnarzt beim Füllen des
Lochs zu helfen. Eine Überbrückungsmaßnahme, die nicht auf Dauer
hält. Denn für eine tiefgehende Wurzelbehandlung gibt es keinen
Ersatz.
Dadurch, dass die Avodah Scharons Regierung
beitritt, wird sie zum Partner, der Kraft seines Amtes eine
kollektive Verantwortung trägt. Ihre Minister werden verantwortlich
sein für alles, was die Regierung tut oder nicht tut. Was den Likud
und die Avodah vorübergehend zusammenhalten wird, ist der
Abkoppelungsplan und die Partnerschaft, die dazu gedacht ist, ihn
vollständig auszuführen. Diese Partnerschaft wird ein
Sicherheitssystem zwischen den beiden Partien, die auf das gleiche
Ziel zugehen, schaffen. Die einzige Waffe, die die Avodah hat, ist
die Drohung, die Regierung zu verlassen. Und obwohl es schwierig
ist, von den feinen Lederbezügen der Ministersessel Abschied zu
nehmen, muss sich die Avodah darauf vorbereiten, die Regierung vom
einen auf den anderen Tag zu verlassen. Ihre Minister müssen den
Vorschlag von Ja'akov Schimschon Schapira annehmen. Schapira war der
Mapai-Politiker (Anmerkung: Mapai ist die Vorgängerpartei der
Avodah), der David Ben Gurions Ausschluss aus der Partei anführte.
Er war der Meinung, dass jeder Minister immer ein
Rücktrittsschreiben in seiner Tasche haben sollte. Der frühere
US-Präsident Jimmy Carter forderte, dass alle Mitglieder seines
Kabinetts bei ihrer Ernennung undatierte Rücktrittsschreiben
hinterlegen sollten.
Die Avodah muss verstehen, dass dies die letzte
Möglichkeit ist zu beweisen, dass sie den Wert einer bedeutenden
politischen Einheit besitzt. Und wenn sie in die Mitte der
politischen Bühne zurückkehren will, muss sie von Manövern, die
hinter dem Rücken des neuen Partners ausgeführt werden, Abstand
halten. Ihre Führung täte gut daran, nicht arrogant und machthungrig
zu sein und nicht mit einer Welle politischer Ernennungen und
Jobverteilungen zu starten. Sie muss die Wahlen zum Vorsitzenden bis
zur Vervollständigung des Abkoppelungsplans verschieben, was
wahrscheinlich bis 2006 dauern wird. Obwohl es der frühere
Premierminister Ehud Barak eilig hat, wäre es kein Desaster, falls
die Vorstandswahlen zum Beispiel erst im Juni 2006 abgehalten werden
würden, unter der Voraussetzung, dass man sich bei den
Parlamentswahlen an den normalen Termin hält, was geschehen könnte,
wenn die beiden Senioren Scharon und Peres harmonisch
zusammenarbeiten.
Die Aussage "Nur Scharon kann es tun", die selbst
vom ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak übernommen wurde, ist eine
Tatsache, die sich selbst bewiesen hat, im Guten wie im Schlechten.
Peres sollte nicht versuchen, die Show zu stehlen und hinter
Scharons Rücken zu arbeiten. Der Name ihres Spiels muss lauten
"Nummer 2's unerschütterliche Loyalität zu Nummer 1", unter der
Bedingung, dass die Worte von Scharons Berater Dov Weisglass, nach
denen die Abkoppelung vom Gazastreifen kein erster Schritt, sondern
ein Schritt zur Einfrierung des politischen Prozesses ist, nicht der
Wahrheit entsprechen.
Niemand weiß, ob Weisglass in seinem eigenen Namen
gesprochen oder Scharons tiefstes Geheimnis offenbart hat. Es ist
jedoch klar, dass mit dem Tod von Syriens Präsident Hafez Assad, mit
dem Tod von Palästinenserführer Jassir Arafat, mit der Beseitigung
von Saddam Husseins Regime und mit der Wiederwahl von George W. Bush
als dem Anführer des Krieges gegen den islamischen Terror und als
einem, der danach strebt, unserem Konflikt ein Ende zu setzen, ein
außergewöhnliches strategisches Fenster der Möglichkeiten geöffnet
wurde. Unter diesen Umständen muss der Abkoppelungsplan ein erster
Schritt sein, dem weitere folgen. Doch bisher haben wir kein Wort
von Scharon darüber gehört, wohin wir von hier aus gehen werden.
Bisher hat er sich nicht über die nächsten Stufen zu einem
Endstatus-Abkommen mit den Palästinensern, zu weiteren Plänen oder
zu Israels permanenten Grenzen geäußert.
Der Beitritt der Avodah zur Likud-Regierung ist
ein richtiger Schritt. Doch die Avodah wird im Schlepptau
erscheinen, wenn sie von Scharon keine detaillierte öffentliche
Zusage über die nächsten Schritte erhält. Wenn es die Avodah nach
politischem Leben gelüstet, sollte sie Scharon keinen Blankoscheck
geben.
hagalil.com
21-12-2004 |