Nachwuchssorgen: Das Institut mit dem
verblassten Mythos
Der einst legendäre israelische Geheimdienst
Mossad hat Nachwuchssorgen und sucht nach neuem Selbstverständnis
Von Thorsten Schmitz
Jerusalem – Nach den verheerenden Anschlägen auf Israelis in
Kenia hat Premierminister Ariel Scharon umgehend den Mossad beauftragt, nach den
Drahtziehern zu fahnden. Der Sagen umwobene israelische Geheimdienst unterhält
in Nairobi eine Zweigstelle mit mehr als einem Dutzend Mitarbeitern. Diese
unterhalten Kontakte zu mehreren ostafrikanischen Staaten. Die Zusammenarbeit
zwischen Kenia und Israel auf geheimdienstlicher Ebene funktioniert
hervorragend. Der Mossad (deutsch: „Institut“), der qua Statut für die
Informationsbeschaffung im Ausland zuständig und weltweit vertreten ist, hat
innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte eine enge Zusammenarbeit mit kenianischen
Sicherheitsdiensten entwickelt.
Ihr zu verdanken ist etwa die Verhinderung eines geplanten
Raketen- Anschlags auf eine Linienmaschine der staatlichen Fluggesellschaft El
Al 1976, die beim Starten vom Flughafen in Nairobi mit Raketen beschossen werden
sollte. Hinter der pro-palästinensischen Gruppe steckten zwei Deutsche und zwei
Palästinenser, die vor der Ausführung des Attentats von kenianischer Polizei
festgenommen und nach Israel ausgeliefert wurden. Kenianische Geheimdienste
halfen ein halbes Jahr später dem Mossad, an Informationen zu gelangen, die zur
Befreiung einer nach Entebbe in Uganda entführten Air-France-Maschine führte.
Deutsche und palästinensische Terroristen hatten mit der Entführung
palästinensische Gefangene in Israel freipressen wollen. Der Mossad nimmt an,
dass sich die Terrorstrategie des Al-Qaida-Führers Osama bin Laden nach den
Anschlägen vom 11. September auf Israel und Israelis im Ausland konzentriert.
Die Zusammenarbeit zwischen der Mossad-Zweigstelle in Nairobi und
den lokalen Sicherheitsdiensten mag funktionieren, der Mythos des einst
legendären Auslandsgeheimdienstes dagegen verblasst. Der Mossad hat
Nachwuchsprobleme. Eine Karriere in der Privatindustrie scheint Israelis
attraktiver als der schlecht bezahlte 24-Stunden-Job, bei dem man selbst engsten
Freunden gegenüber nichts über seine Arbeit verraten darf. Im Sommer vor zwei
Jahren war der Mossad so dünn besetzt, dass deren Spitze erstmals Nachwuchs per
Zeitungsannoncen suchte.
Der Mossad hat einst weltweit Aufsehen mit spektakulären Aktionen
erregt, die oftmals jedes Völkerrecht missachteten. 1960 entführten seine
Agenten den Naziverbrecher Adolf Eichmann aus dessen argentinischem Exil in
Buenos Aires nach Jerusalem, wo er in einem Prozess zum Tode verurteilt wurde.
1967 entwendete der Mossad französische U-Boote und brachte sie nach Israel. In
den achtziger Jahren zerstörten israelische Kampfflugzeuge einen im Bau
befindlichen Atomreaktor im Irak aufgrund von Informationen, die Mossad- Agenten
zusammengetragen hatten. Angestellte des Geheimdienstes verübten auch mehrere
Auftragsmorde im Ausland. Nach dem Attentat auf israelische Sportler bei den
Olympischen Spielen in München 1972 jagten – und liquidierten – Agenten die
palästinensischen Drahtzieher.
Der Ruf des Mossad ist in den vergangenen Jahren jedoch durch
Pannen und dilettantische Aktionen angekratzt worden. Dazu gehört etwa die
Pollard- Affäre. Der Agent Pollard hatte bis zu seiner Enttarnung jahrelang bei
der US- Marine Informationen über arabische Staaten an den Mossad weitergeleitet
und damit die Amerikaner brüskiert. In den neunziger Jahren missglückte Mossad-
Agenten die Ermordung des jordanischen Chefs der Terrororganisation Hamas, in
der Schweiz ließen sich vier Mossad-Agenten beim Anlegen von Wanzen an die
Telefonleitung eines Hisbollah-Funktionärs festnehmen.
Der neue Mossad-Chef Meir Dagan, der im Oktober sein Amt antrat,
versucht, das lädierte Image aufzupolieren. Er gilt als enger Freund Scharons.
Die Bürokratie in dem 1200 Mitarbeiter zählenden Apparat soll abgebaut, der
Dienst aus den negativen Schlagzeilen herausgehalten werden. Dazu gehört auch
eine ungewohnte PR. Dagans Amtsantritt wurde mit Foto und vollem Namen gefeiert.
Seit der Gründung des Mossad 1951 bis 1995 waren die Namen der Leiter
Staatsgeheimnis, in der Presse wurden sie nur mit ihren Initialen genannt.
hagalil.com
01-12-02 |