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Judentum und Israel
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Jüdische Weisheit
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Nach den Anschlägen in Istanbul:
Die glorreichen Tage sind vorbei

Von Yossi Melman, Ha'aretz, 17.11.2003
Übersetzung Daniela Marcus

Die beiden Terroranschläge auf zwei Synagogen in Istanbul am Samstag versetzen den Mossad –das israelische Institut für Geheimdienst- und Spezialaufgaben- in eine neue Zwangslage und verleihen ihm ein Gefühl der Frustration. Die Zwangslage besteht in der Frage, wie man jüdische Gemeinden rund um die Welt angesichts der Welle von antisemitischen Äußerungen und Terrordrohungen durch islamische Fundamentalisten, die ihre Inspiration durch Al-Qaida und Osama bin Laden bekommen, schützt.

Wie kann der Mossad sein Ziel mit optimalem Effekt erreichen, ohne die heikle Dreiecksbeziehung zwischen Israel, der örtlichen jüdischen Gemeinde und der Regierungsautorität der einzelnen Länder zu beschädigen? Die Frustration liegt in der Tatsache, dass die Mossadbeamten wissen, ihre Hände sind im Grunde genommen gebunden und sie haben nur begrenzten Handlungsspielraum, besonders wenn man diesen mit den Aufgaben –und Risiken- vergleicht, die die Vorgänger auf sich geladen hatten.

In der Vergangenheit handelte Israel durch seine Sicherheitsdienste in der Regel auf dreiste Art, um die jüdischen Gemeinden ohne Wissen der örtlichen Regierungsautorität zu schützen. Teilweise geschah dies sogar trotz Einwänden, selbst trotz Einwänden seitens des israelischen Außenministeriums. Israelische Sicherheitsdienste waren darauf vorbereitet, besondere Aktionen durchzuführen, wenn entschieden worden war, dass die Situation besondere Sicherheitsmaßnahmen rechtfertigte. Man tat dies selbst auf Kosten diplomatischer Beziehungen. Man zögerte nicht, eigenes Sicherheitspersonal –inklusive bewaffneter Wachen- zu schicken und bildete auch Juden in verschiedenen Ländern im Gebrauch von Waffen und Sicherheitstechniken aus. Doch die Zeiten haben sich geändert. Inzwischen würden viele Länder solch ein Vorgehen als Unterminierung ihrer eigenen Souveränität betrachten und würden Maßnahmen gegen israelisches Sicherheitspersonal vornehmen. Und doch wird diese Dreistigkeit vergangener Jahre in letzter Zeit immer häufiger gebraucht.

Seit dem 11. September wurde der Umgang mit Terrordrohungen des "globalen Dschihad" gegen jüdische und israelische Ziele außerhalb Israels zum Hauptthema auf der Agenda des Mossad im besonderen und anderer israelischer Geheimdienste im allgemeinen. Der Leiter des Mossad, Meir Dagan, betrachtet dieses Thema als eines der vier wichtigsten Ziele der Organisation. (Die anderen Ziele sind: Lieferung von Warnungen bezüglich von Kriegsausbrüchen; Überprüfung der Bemühungen arabischer Staaten, nicht konventionelle Waffen und weitere Raketenreichweiten zu erlangen, wozu auch die Bemühungen des Iran gehören, nukleare Waffen zu bekommen; der Kampf gegen den palästinensischen Terror.) Dass dieses Thema auf der Agenda auf die "kritische" Ebene gehoben wurde, bedeutet nicht automatisch, dass der Mossad präventive Aktivitäten vornehmen wird; das Hauptinteresse liegt im Bereich der Erkundung.

Hier gibt es ein zweifaches Paradox. Erstens geschah das Erwachen der israelischen Geheimdienste bezüglich des Gedankens des globalen Dschihad -ausgetüftelt von Bin Laden- langsam und spät. Zweitens ist Israels Fähigkeit zu handeln, nun, da die Ernsthaftigkeit der Drohungen und die Herausforderung erkannt sind, sehr begrenzt und kann mit der Situation in den ersten 20 Jahren der Existenz Israels verglichen werden.

Jüdischer Geheimdienst

Im Grunde genommen hat sich der israelische Geheimdienstverband praktisch von dem Moment an, da er gegründet wurde, nicht nur als israelische Organisationen betrachtet, sondern auch als Beschützer der gesamten jüdischen Welt. Diese Ansicht gründete sich auf das Argument, dass genau so wie Israel der Staat des jüdischen Volkes ist, auch der israelische Geheimdienst der Geheimdienst des jüdischen Volkes ist. Diese Ansicht geht hinaus über den Schutz und die Sicherheit israelischer Interessen, Büros (wie Botschaften und Firmen) und Bürger außerhalb Israels, die durch den Shin Bet geschützt werden. Das Prinzip wird auch auf Juden angewandt, die keine israelischen Staatsbürger sind, wie auch auf ihr Eigentum und ihre Institutionen.

Diese Anordnung war von Israels erstem Premierminister, David Ben Gurion, getroffen und von Mossadleiter Isser Harel (von 1952 an) uneingeschränkt übernommen worden. Die Politik wurde auch von Harels Nachfolgern, Meir Amit (von 1963 an) und Zvi Zamir (von 1968 an), übernommen, jedoch in etwas geringerem Ausmaß. Die politische Direktive wurde von Isser Harel in den ersten Jahren des Staates in Aktivitäten umgesetzt, die auf drei Ebenen stattfanden. Eine Ebene waren geheime Operationen, die durch den Mossad (gemeinsam mit der Jewish Agency und internationalen jüdischen Wohltätigkeitsorganisationen wie "Joint" und "HIAS") ausgeführt wurden, um Juden in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren aus Ländern, die die freie Immigration nicht erlaubten, nach Israel zu bringen.

Die zweite Ebene war der Schutz von jüdischen Gemeinden, wo auch immer sie Ziel von Drohungen örtlicher antisemitischer Organisationen waren, wie z. B. in südamerikanischen Ländern in den frühen 1960er-Jahren (besonders in Argentinien, infolge der Entführung von Adolf Eichmann im Jahr 1960). Zu diesem Zweck wurden israelische "Lehrer" (frühere Offiziere der israelischen Verteidigungsarmee) ausgesandt, um beim Aufbau von Sicherheitsprogrammen in jüdischen Gemeinden in Südamerika, wie auch in Westeuropa, zu helfen. Und jüdische Jugendliche kamen zur Ausbildung und zur Unterweisung aus der Diaspora nach Israel. Die dritte Ebene der Aktivität war die Kampagne zur Gefangennahme von Naziverbrechern. Diesbezüglich beendete der Mossad seine Aktivitäten in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre.

In Einklang mit Ben Gurions Entscheidung und auf der Basis der Aufgabenverteilung unter den verschiedenen Geheimdiensten (Militärischer Geheimdienst, Shin Bet und Nativ) hatte der Mossad die leitende Verantwortung für alle drei Bereiche. Zu diesem Zweck war bereits in den 1950er-Jahren eine Einheit des Mossad gegründet worden. Sie hieß "Bitzur" (Befestigung) und war im "Jüdischen Geheimdienst" engagiert.

Begin's Frustration

Im Lauf der Jahre nahm die Aktivität der Einheit ab (eine ihrer letzten Operationen war die Immigration der letzten jemenitischen Juden in den frühen 1990er Jahren). Gewisse Elemente innerhalb des Mossad versuchten in den 1990er-Jahren, die vollständige Zerlegung herbeizuführen. Die Einheit war geschwächt und operierte mehrere Jahre lang innerhalb eines brüchigen Rahmenwerks.

Der Ausgangspunkt im letzten Jahrzehnt war der, dass die Verantwortung für den Schutz der Juden und deren Institutionen an lokale Sicherheitsdienste übergeben wurde. Dieser Standpunkt breitete sich aus infolge verbesserter Kooperation zwischen israelischen Geheimdiensten und ihren Pendants in der ganzen Welt, und infolge des steigenden globalen Bewusstseins der Drohungen und Herausforderungen durch den internationalen Terror. Diese Kooperation findet sogar in Staaten statt, zu denen Israel keine diplomatischen Beziehungen unterhält. Als Teil der kooperativen Bemühungen wurden engere Bande zu lokalen Sicherheitskräften in jedem Land geknüpft, die nun für den Schutz jüdischer Institutionen verantwortlich sind.

Der letzte Staatsführer, der nicht zögerte, seinen inneren Gefühlen wie auch seiner Frustration öffentlich Ausdruck zu verleihen, war Premierminister Menachem Begin. Dies geschah nachdem Abu-Nidal-Terroristen im Jahr 1982 einen Angriff auf das jüdische Restaurant "Goldenberg" in Paris ausgeführt und dabei sechs Menschen getötet hatten. Begin warnte die französische Regierung, falls sie nicht fähig sein sollte, ihre jüdischen Bürger zu schützen, würde sich Israel gezwungen sehen, dies an ihrer Stelle tun.

Die Zunahme von Terrordrohungen durch islamische Fundamentalisten hebt das Gefühl der Frustration und der Ohnmacht israelischer Geheimdienste hervor. Seit dem 11. September gab es mindestens drei für jedermann sichtbare Anschläge gegen jüdische Ziele. Ein Selbstmordattentäter detonierte im April 2002 einen mit einem Sprengsatz versehenen Wagen neben der Synagoge auf der tunesischen Insel Djerba. Selbstmordattentäter ließen ein mit Sprengstoff versehenes Auto am Eingang des Hotels "Paradies" in Mombasa, Kenia, explodieren. Im vergangenen Mai gingen marokkanische Terroristen simultan gegen vier jüdische (bzw. sich in jüdischem Eigentum befindende) Institutionen in Casablanca vor. Nach den Anschlägen in New York und Washington erreichte die Spannung zwischen jüdischen und moslemischen Gemeinden ihren Höhepunkt. Vor diesem Hintergrund nimmt seit zwei Jahren der Antisemitismus zu, hauptsächlich ausgedrückt in der Schändung jüdischer Friedhöfe, in Brandstiftung von Synagogen und in Vandalismus und Angriffen, die gegen jüdische Schulen in Westeuropa, besonders in Frankreich und Belgien, gerichtet sind.

Diese Entwicklungen und die Bombenanschläge vom letzten Samstag in Istanbul bewegen den israelischen Geheimdienstverband dazu, eine schonungslose Selbstprüfung vorzunehmen. Der Geheimdienst (insbesondere der Mossad), ein Reflektor der Interessen des Staates Israel, betrachtet sich selbst als Verteidiger der jüdischen Welt. Doch im konkreten Fall ist er nicht länger fähig, jede Rettungsaktion durchzuführen.

hagalil.com 18-11-2003

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