Im Profil:
Amram Mitzna
Bürgermeister von Haifa und Hoffnung der Arbeitspartei
Von Thorsten Schmitz
Amram Mitzna lehrt Israels
Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser das Fürchten und wird von
den Medien als "Messias" der Arbeitspartei bezeichnet. Der
vollbärtige Bürgermeister der Hafenstadt Haifa hat vor drei Wochen
angekündigt, er werde sich um das Amt des Vorsitzenden der "Awoda"
bewerben. Sollte der 57-jährige Großvater gewählt werden, würde er
zum Herausforderer von Ariel Scharon bei den im Herbst 2003
anstehenden Parlaments- und Premierministerwahlen. Die Arbeitspartei
will diesen November ihren neuen Vorsitzenden wählen. Doch der
amtierende Parteichef Ben-Elieser hätte angesichts des neuen
Herausforderers gerne Wahlen noch im August. Er spekuliert darauf,
dass Mitzna so nicht genug Zeit bliebe, um sich in Position zu
bringen.
Ben-Elieser strebt nach dem Amt des Premiers und
betrachtet die Teilnahme der "Awoda" an Scharons Koalition nur als
Interimsphase auf dem Weg zum höchsten Posten im Staate – dem
Präsidentenamt. Bislang war der politisch sprunghafte und
intellektuell eher mittelmäßige Ben-Elieser nur mit einem
Konkurrenten konfrontiert: mit Chaim Ramon, seinem Erzfeind. Dieser
fordert seit Monaten den Austritt der "Awoda" aus Scharons
Koalition, damit die linke Traditionspartei ihr Gesicht wahrt. Aber
auch Ramon ist inhaltlich blass und äußert sich nur vage über
Rezepte im Umgang mit den Palästinensern.
Mitzna dagegen tauchte wie Phönix aus der Asche
auf, gewann innerhalb der vergangenen drei Wochen die Mehrheit der
Parteimitglieder für sich, versucht, den Geist Jitzchak Rabins
wiederzubeleben, und sagt, es müssten umgehend Verhandlungen mit den
Palästinensern geführt werden. Trotz deren Gewalt ist Mitzna sogar
bereit, Jerusalem zu teilen. Er besitze zwar kein Patentrezept für
die Beendigung der Intifada, sagt er, aber Scharons rein
militärische Reaktion führe das Land in eine Katastrophe.
Der aus dem Kibbuz Ein Gev am See Genezareth
stammende Mitzna tritt volksverbunden auf. Er sei milde im Urteilen
und ausgleichend, wenn es zu Streitereien kommt, wird ihm in Israel
nachgesagt. Vor allem aber ist er der Bürgermeister einer Stadt, die
sich dafür rühmt, dass in ihr arabische und jüdische Israelis Tür an
Tür in relativer Harmonie leben.
Funktionäre von arabisch-israelischen Parteien
äußern sich durchgehend wohlwollend über Mitzna, der bei einer Wahl
mit einer Mehrheit der Stimmen der wahlberechtigten israelischen
Araber rechnen könnte. Immerhin leben rund eine Million arabische
Israelis in Israel, ihr Votum ist daher entscheidend. Weil zu Beginn
der Intifada vor zwei Jahren 13 arabische Israelis von jüdischen
Polizisten erschossen worden waren, hatten fast alle arabischen
Israelis Scharons Vorgänger Ehud Barak die Stimme verweigert. Auch
deshalb war Scharon mit überwältigender Mehrheit gewählt worden. Für
den früheren Generalmajor Mitzna sprechen auch seine hervorragenden
Kontakte in die israelische Wirtschaft – angesichts einer
Rekord-Arbeitslosenquote von zwölf Prozent und um sich greifender
Armut ein erheblicher Vorteil.
hagalil.com
23-08-02 |