Scharon, Mazuz und Arbel:
Zwei Monate Gefühlstaumel
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 02.04.2004
Übersetzung Daniela Marcus
Diese Woche begann in Israel eine zweimonatige
Zeit des Gefühlstaumels auf Grund des Starts des dramatischen
Rennens von Ariel Sharon und Menny Mazuz. Wer wird dem Land zuerst
seinen Stempel aufdrücken? Und wie wird es hier noch vor Ende des
Frühlings aussehen?
Der Bühnendirektor der Geschichte nahm sein
Megaphon in die Hand und rief "Action". Und alle Charaktere eilten
auf ihre Plätze. Die Handlung entwickelt sich gemäß des vorher
festgelegten Drehbuches: Staatsanwältin Edna Arbel ließ den Entwurf
für eine Anklage gegen den Ministerpräsidenten auf den Schreibtisch
von Generalstaatsanwalt Mazuz fallen, und Sharon unternahm seinen
ersten bedeutenden operativen Schritt: ein Likud-Referendum zum so
genannten "Disengagement-Plan". Hiermit öffnete er für 200.000
Parteimitglieder die Wahlurnen. Die meisten von ihnen werden
wahrscheinlich im Sinne von Sharon wählen, also für den Rückzug aus
Gaza.
Die beiden Hauptdarsteller sind in Zeitnot. Mazuz
möchte nicht der Verzögerung beschuldigt werden, und Sharon möchte
den "Disengagement-Plan" von der Regierung und der Knesset
verabschiedet haben, bevor Mazuz eine Entscheidung in seinem Fall
trifft. Trotz dieses stillschweigenden Marathons rate ich, eine
etwas veränderte Form von David Ben Gurions berühmter Aussage zu
befolgen: Mazuz sollte handeln als wäre Sharon nicht
Ministerpräsident und Sharon sollte seinen politischen Plan
voranbringen als säße Mazuz ihm nicht im Nacken.
Sharons Zeitplan ist sehr eng. In zwei Wochen
hofft er, in Washington mit Präsident Bush einen Handel abschließen
zu können. Die Zustimmung des Weißen Hauses zu Sharons Plan ist eine
Vorbedingung, um ihn überhaupt ausführen zu können. Der in diesem
Fall verwendete Ausdruck "amerikanischer Gegenwert" ist
Medienjargon. Er stammt nicht von Sharon. Die Amerikaner mögen diese
Art von Gerede nicht und es reflektiert nicht das, was Sharon von
Bushs Regierung möchte.
Für Sharon ist es wichtig, Bushs Segen für den
"Disengagement-Plan" zu bekommen. Er möchte, dass diese Initiative
als Teil von Bushs Vision und der so genannten "Roadmap" und als ein
Manöver zur Verstärkung von Israels Sicherheit anerkannt wird.
Sharon wird versuchen, finanzielle Hilfe für die Verlegung der 20
Siedlungen zu bekommen, da diese "ganz schön viel Geld" kosten wird,
wie er sagte. Von dem Moment an, da er eine Übereinkunft mit Bush
erreicht hat, beabsichtigt Sharon, seinen Evakuierungsplan von der
Likud-Partei, der Knesset und der Regierung bestätigt zu bekommen.
Ich lächelte in mich hinein, als ich Sharon auf
der Parteiversammlung des Likud sagen hörte, er habe sich dem
Vorschlag von Yisrael Katz gebeugt, die Likudmitglieder über seinen
Plan abstimmen zu lassen. Warum lächelte ich? Weil Sharon selbst
derjenige ist, der vor einigen Monaten das Problem vorhergesehen
hat, die Parteiinstitutionen dazu zu bringen, die Siedlungen zu
evakuieren und deshalb mit der Idee kam, an "alle Likudmitglieder,
die die Dinge anders sehen mögen, nachdem sie verstanden haben, wie
wichtig diese Sache für die Sicherheit Israels ist" zu appellieren.
Diese Woche machten die meisten der Likudminister,
inklusive Netanyahu, klar, dass sie der Entscheidung der Partei
folgen werden. Nur Uzi Landau drohte, die Regierung zu verlassen.
Doch wie die Dinge aussehen, wird Sharon keine einzige Träne
vergießen, wenn Landau wirklich gehen sollte.
Während all dies auf der einen Seite geschieht,
wird Mazuz auf der anderen Seite wie jemand aus einem
herzzerreißenden Kino-Drama mit seinen eigenen Problemen kämpfen.
Wenn er zu lange wartet, bevor er seine Entscheidung bekannt gibt,
wird er des Zögerns und Zauderns beschuldigt werden. Wenn er die
Anklage wegen Bestechungsvorwürfen voran bringt, wird er auf Sharons
Rücktritt bestehen müssen - was keine einfache Angelegenheit ist,
wenn es um einen Ministerpräsidenten geht, der inmitten eines
dramatischen politisch-defensiven Bewegungsablaufes steckt. Wenn
Mazuz sich entscheidet, Sharon nicht anzuklagen, wird der Oberste
Gerichtshof Mazuz harpunieren. Es gab bereits solch ein peinliches
Ereignis. Damals (im Fall Shamgar-Harish gegen Bank-Manager, nach
Veröffentlichung des Bejski-Berichtes) hatte der Oberste Gerichtshof
den Generalstaatsanwalt gezwungen, Anzeige zu erstatten. Mazuz
möchte nicht an solch einen Punkt gelangen. In seinem vorherigen
Beruf war er ein Experte darin, Petitionen vor dem Obersten
Gerichtshof einzureichen. Deshalb wird er jetzt darauf achten, dass
keine seiner Entscheidungen ein gefundenes Fressen für den Obersten
Gerichtshof wird.
Eigentlich wäre einem in diesem Rennen zwischen
der Sharon-Initiative und Mazuz' Anklage gegen Sharon lieber, dass
Sharon gewinnt. Denn nachdem er den Rückhalt in der Partei bekommen
haben wird, wird er wie wild arbeiten, um den "Disengagement-Plan"
von der Regierung und der Knesset bewilligt zu bekommen. Derzeit
sehe ich niemanden außer ihm, der solch eine Sache managen könnte.
Ein Regierungsentscheid für die Evakuierung der
Gaza-Siedlungen wäre wie "Yamit" hoch zwanzig. (Anmerkung des
Übersetzers: Yamit war eine israelische Siedlung auf der Halbinsel
Sinai, in der ca. 3.000 Israelis wohnten. Zu Zeiten des israelischen
Ministerpräsidenten Menachem Begin wurde sie im Zuge des
Friedensabkommens mit Ägypten auf Grund eines Knessetbeschlusses
evakuiert.) Auf lange Sicht wird sie außerdem ein Präzedenzfall für
die Evakuierung der Westbank-Siedlungen sein. Doch Gesetz ist
Gesetz. Dennoch: Wenn Sharon auf Grund einer Anklage gezwungen wird
zurückzutreten, so wird eine vom Likud, der Regierung und der
Knesset verabschiedete Resolution wie Stahlbeton sein. Zukünftige
Regierungen wären auch an diesen Meilenstein gebunden.
hagalil.com
02-04-2004 |