Friedensplan per Massenpost:
"Genfer Abkommen" wird an alle Bürger Israels
geschickt
Von Thorsten Schmitz
Nach zwei Jahren geheimen Verhandlungen
zwischen israelischen und palästinensischen Politikern soll das
"Genfer Abkommen" am 1. Dezember offiziell in der Schweiz
unterzeichnet werden. Nun soll das Vertragswerk an alle israelischen
Haushalte versandt werden, damit sich die Bürger des Heiligen Landes
selbst ein Bild machen können vom Ausweg aus der Intifada. Titel der
Massenpost: "Die Genfer Initiative – Ein Vorschlag für ein
permanentes israelisch-palästinensisches Abkommen".
In der Broschüre finden sich neben dem 44-seitigen
Vertragswerk, das mit finanzieller Hilfe der Schweizer Regierung und
eines Schweizer Professors namens Alexis Keller zustande gekommen
ist, auch einige Karten. Sie sollen darüber informieren, welche
Gebiete etwa in der südlichen Negev-Wüste Israel bereit sei, an die
Palästinenser abzutreten, um andererseits große jüdische
Siedlungskomplexe – wie etwa Maale Adumim nahe Jerusalem – zu
israelischem Staatsgebiet zu deklarieren. Zum ersten Mal in der
Geschichte Israels werden seine Bürger einen Friedensvertrag im
Detail studieren können.
Der Euphorie und dem Optimismus, mit dem
Initiatoren wie der frühere Justizminister Jossi Beilin das "Genfer
Abkommen" begleiten und sich davon eine Massenbewegung erhoffen,
stehen versteckte bis offene Ablehnung gegenüber. Israels
Außenminister Silvan Schalom sowie Premier Ariel Scharon brandmarken
das Projekt als "zweites Oslo", was nur Unheil über Israel brächte.
Abgeordnete religiöser Regierungsparteien sprechen gar von einem
"Teufelswerk". Das israelische Außenministerium legte eine empörte
offizielle Protestnote ein, dass die Schweizer Regierung eine
"Privatinitiative" finanziell und organisatorisch unterstützt habe.
Beilin erklärte dieser Tage, dass die Schweizer Außenministerin
Micheline Calmy-Rey derart "begeistert" gewesen sei von der Idee,
einen Friedensvertrag auszuarbeiten, dass sie den Delegationen
Vermittler zur Seite gestellt und zum Teil Reise- und
Unterkunftskosten übernommen habe.
Die israelischen Initiatoren des Genfer Abkommens
mussten jedoch bereits eine erste Schlappe einstecken: Die
Ausstrahlung eines Radiowerbespots, der die Israelis auf den Versand
der Broschüre aufmerksam machen und zum Lesen animieren sollte,
wurde vom öffentlichen israelischen Rundfunk kurzerhand verboten. In
einer Stellungnahme der Führung der Rundfunkanstalt hieß es, bei dem
Radiowerbespot handele es sich um ein "kontroverses politisches
Thema".
Der frühere israelische Außenminister Schlomo
Ben-Ami hingegen, der an den Friedensverhandlungen in Camp David und
in Taba teilgenommen hatte, lobte zwar grundsätzlich die Initiative
in einem Beitrag für die New York Times. Es mangele aber nicht an
Vorschlägen und Ideen und Abkommen und Verträgen, sondern am Mut der
politischen Akteure, diese umzusetzen.
hagalil.com
17-11-03 |