Kein Frieden, keine Sicherheit, keine Einheit
Analyse von Yoel Marcus, Ha’aretz, 31.10.2002
Übersetzung Daniela Marcus
"Fuad" Ben-Elieser und Scharon benahmen sich in
dieser Woche wie zwei Charaktere in einem Sketch des israelischen
Komödianten Yatzpan. Beide spielten die Rolle des Machos. Wenn der
eine drohte, gab sich der andere gleichgültig. Wenn der Zweite
drohte, mimte Ersterer den Hartnäckigen. Unter Umständen wie diesen
wusste Scharon bisher immer ein selbstzufriedenes Gesicht
aufzusetzen. Vielleicht hat er "Fuad" nicht ernst genug genommen.
Nach allem haben sie schließlich gemeinsam die Suppe der
Armeeschlamassel ausgelöffelt, und sie haben gemeinsam mehr als
einmal Außenminister Schimon Peres das Fell über die Ohren gezogen.
Doch es gibt Dinge, von denen jeder weiß, dass sie
eines Tages passieren werden, auch wenn sie sich schließlich wie ein
Blitzschlag aus heiterem Himmel ereignen. Es war offensichtlich,
dass bei Näherkommen der Wahlen die Regierung auf irgendeiner Stufe
stolpern würde. Und wenn dies nicht in Übereinstimmung geschehen
würde, dann wenigstens in dem Verständnis, dass es unvermeidbar ist.
Es ist nicht üblich, dass man Wahlen abhält und
die Sache ausficht, wenn bis gestern noch einer des anderen Partner
war. "Fuads" Schritt traf Scharon unvorbereitet, überraschend vor
allem wegen der Themen, die "Fuad" wählte: Studenten, Pensionäre,
Siedlungen. "Fuad" ist nicht derjenige, der sich bisher besonders
für eines dieser Themen eingesetzt hat. Und Scharon hat den am
leichtesten zu handhabenden Partner, den er jemals gehabt hat,
verloren.
Die Motive für die dramatische Kehrtwendung sind
persönlicher Art und eine Sache der Parteipolitik. Ego gegen Ego.
Falls "Bibi" Netanyahu bis mindestens zu den Wahlen unter Scharons
Kontrolle bleibt, schweben doch die weiteren Kandidaten der
Arbeiterpartei, Ramon und Mitzna, über "Fuads" Kopf wie die Geiger
auf einem Chagall-Gemälde.
Die letzten Umfragen, die ihn am Ende der Liste
der drei Kandidaten zeigten, ließen "Fuad" auffahren. Er verstand,
dass er gegen die beiden Stars bei den Wahlen zum Vorsitzenden am
19. November verlieren würde, wenn er nicht alle Regeln brechen und
nicht seine Themen ändern würde. Doch Erfahrungen in der
Vergangenheit, wie sie beispielsweise Weizman, Mordechai, "Bibi" und
Barak gemacht haben, zeigen, dass der Rücktritt von einem Staatsamt
zum politischen Tod führen kann.
Wenn es wegen eines Irakkrieges die Notwendigkeit
für eine nationale Einheit geben kann –und so etwas ist nicht fernab
der Realität- sollten wir nicht überrascht sein, wenn wir Ramon und
Mitzna zusammen mit Scharon in einem abgedichteten Luftschutzraum
vorfinden werden.
Über Nacht hat Scharon einen Partner verloren, der
seiner einschüchternden Politik -angefangen von der Besatzung von
Arafats Hauptquartier bis hin zu räuberischen Auseinandersetzungen
während der Olivenernte- Rückhalt, Alibis und die Patina der
Anständigkeit gegeben hat. Die Präsenz der Arbeiterpartei in der
Regierung schuf Vertrauen in Scharons Versprechen, bereit für
schmerzhafte Kompromisse zu sein, und den Glauben, dass der Scharon,
der damals die Siedlungen im Sinai räumte, der einzige Führer ist,
der mit den Siedlern umgehen kann.
Doch in der Vereinbarung, die von den Richtern
Caspi und Ne’eman –dankbar für das Schatzamt und deshalb ohne ein
Honorar zu verlangen- entworfen worden war, weigerte sich Scharon,
die Siedlungen auch nur mit einem halben Wort zu erwähnen. Dies
zeigte plötzlich, wie abhängig er von den Siedlern ist und wie
falsch die Naiven lagen, die da glaubten, "nur er kann es machen".
Er hat "Bibi"-Alpträume, die ihn nachts in kaltem
Schweiß baden lassen. Also ist es vernünftig anzunehmen, dass er
nicht die Absicht hat, zum Präsidenten zu gehen und vorgezogene
Wahlen zu initiieren. Er wird in Zukunft vollkommen von den
religiösen und rechten Parteien abhängig sein. Von nun an wird er
der Diener derjenigen sein, die ein Großisrael anstreben.
Israel ist gestern erheblich nach rechts
gerutscht. Ein Jahr und acht Monate nach Scharons Regierungsantritt
findet er sich selbst vor der Realität seiner misslungenen Führung
wieder: Es gibt keinen Frieden, keine Sicherheit und keine Einheit.
hagalil.com
31-10-02 |