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Besuch des Bundespräsidenten:
Doch auf Deutsch

Mendelson und Heine haben auf Deutsch geschrieben. Meine Eltern und meine Lehrer sprachen Deutsch. Diese Sprache gehört Vielen. Nicht nur den Nazis. Auch der deutsche Bundespräsident darf eine Rede auf Deutsch halten.

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Von Amnon Dankner, Maariv, 18.01.2005

Da ich mich, obwohl in Israel geboren, stets als Überlebenden des Holocaust gesehen habe, fällt es mir schwer, nach Deutschland zu fahren. Da ich dort aber Familie habe, muss ich diese von Zeit zu Zeit besuchen, ich fahre jedoch immer in die kleine Stadt, in der sie wohnen, und nach Vollendung eines Kurzbesuches, verlasse ich dieses Land und atme auf.

Das ist nichts, worauf ich stolz wäre, und ich gebe zu, dass sich darin eine Spur Rassismus verbirgt, doch ich strauchle immer im Kampf mit den Gefühlen, die mich überwältigen, wenn ich dort bin, wenn sich mir die Haare sträuben vor dem Bellen der menschlichen Stimme, das Erinnerungen hochkommen lässt; beim Schaudern, das mich erfasst, wenn ich mir an jeder Straßenecke einbilde, ein abgestumpftes, grausames Gesicht vor mir zu sehen und bei der brodelnden Lust der Rache, die in mir aufkommt, wenn ich Alte sehe, die damals schon Erwachsene waren, alt genug, um Mörder, oder Mitläufer zu sein.

Zwei Mal habe ich mich schon fast in Schlägereien verwickeln lassen, weil meine Reaktionen auf zu entschlossene Stimmen von Polizisten oder Museumswärtern übertrieben waren. Doch ich nehme an, dass die Sache, die mich am meisten beunruhigt, die Tatsache ist, dass neben all diesen Gefühlen, ich mich in Deutschland wirklich zuhause fühle. Ich spreche die Sprache, ich fühle mich den traditionellen Speisen verbunden, der Tonfall und die Körpersprache der Menschen erinnern mich, mit einem gewissen Charme, an die Umgebung, in der ich aufgewachsen bin. Ich bin in der deutschen Sprache aufgewachsen.

Es war die Sprache, in der meine Eltern miteinander geredet haben, und auch mit ihren Familienangehörigen und Freunden. Nicht alle kamen aus dem deutschen Kulturkreis, einige stammten aus Polen, andere aus Deutschland, Tschechien, Ungarn und Rumänien, doch die gemeinsame Sprache, die sie alle hatten, war Deutsch. Im Lebensmittelladen von Jossipovitsch, in den mich meine Mutter zwei Mal täglich schickte, sprachen die Frauen, die dort ihre Einkäufe abwickelten, mehr Deutsch als Hebräisch. Auf den Tribünen des YMCA Fußballplatzes oder im "Hapoel"-Stadion im Katamon Viertel saß ich inmitten der Gesellschaft der engsten Freunde meines Vaters, G'tt hab' ihn selig, die ihre Anfeuerungs- und Buhrufe in bestem Deutsch brüllten. Ein harter Kern von Europäern aus Mittel- und Osteuropa, inmitten eines Meeres von Marokkanern, Kurden, Irakis und alteingesessenen Sepharden, die sie mit amüsierter Verwunderung betrachteten.

An Elternabenden in der Schule unterhielten sich meine Eltern über mich auf Deutsch mit den Lehrern Frankental und Bromberger, Grinspan und Zimmermann. Sogar einige der pittoresken Verrückten auf den Straßen von Jerusalem aus der Zeit meiner Kindheit, die zur Unterhaltung und zu begeisterten Ausflügen in die Welt der Fantasie dienten, Felix der Dichter, Max Adler mit dem zwanghaften Sprachverhalten, und "Verbindung zu Einem", die auf der Straße stand, und über das himmlische Königreich predigte, konnte man manchmal in bestem Deutsch vortragen hören.

Wenn ich morgens aufstehe, bilde ich mir manchmal ein, den Bariton meines Vaters zu hören, der unter der Dusche eine Melodie aus Offenbachs Operetten singt, oder ein spritziges deutsches Soldatenlied aus dem ersten Weltkrieg. Ein Großteil der deutschsprachigen Erwachsenen meiner Kindheit waren Holocaustüberlebende, und sie hatten solche und andere Meinungen zu den Beziehungen mit dem Deutschland, das man bei uns begann, das "andere Deutschland" zu nennen, als es ihnen Entschädigung und Renten zahlte, doch immer, bis zu ihrem Tod, hafteten sie an der deutschen Sprache fest, die ihre Sprache und ihre Kultur war, in der sie sich wohl fühlten, wie in Hausschuhen.

Ja, natürlich wussten sie sehr wohl, dass in dieser Sprache die Befehle zur Ermordung der Juden Europas in allen Einzelheiten geschrieben wurden; ja, natürlich wussten sie, dass die Nazis in dieser Sprache ihre Opfer angebrüllt hatten. Es fällt einem nicht schwer, sich auszumalen, dass diese Schreie während ihres ganzen Lebens danach in ihren Träumen widerhallten.

Aber sie dachten nicht, dass die Nazis den Besitz dieser Sprache und der deutschen Kultur für sich allein gepachtet hatten. Es gab auch vor ihnen ein Deutsch, und es hatte sich in einer Vielfalt von Gedichten, Literatur und Philosophie widergespiegelt, die die kultivierte Welt bereichert hatte. Ein beträchtlicher Teil davon war das Ergebnis der geistigen Leistung von Juden, die dem deutschen Kulturkreis angehörten und zu ihren Gestaltern gehörten: Dichter und Schriftsteller, Denker und Wissenschaftler, Journalisten und Feuilletonisten, Dramaturgen, Satiriker, Schauspieler und Sänger. Alles Juden. Schrieben, sprachen, sangen und spielten auf Deutsch. Die Sprache, die sie so sehr liebten.

Der Widerstand, an dessen Spitze sich Minister Dani Naveh befindet, der sich dagegen ausspricht, dass der deutsche Bundespräsident während seines Besuches hier in seiner Sprache vom Rednerpult der Knesseth spricht, ist mehr noch, als ein Versuch, die Holocaustüberlebenden davor zu schützen, dass deutsche Worte vor der Knesseth des Staates Israel laut werden, ein Ausdruck kindischer Provinzialität, und sozusagen, aber nur sozusagen, eine Bewahrung des Andenkens an den Holocaust und die Pflege des Abstands zu seinen Verursachern.

Wenn Moshe Mendelson Deutsch gesprochen und es geliebt hat, darf der deutsche Bundespräsident in dieser Sprache in der Knesseth sprechen, wenn Heinrich Heine die schönsten Gedichte dieser Sprache gedichtet hat, darf man sie auch im Plenum der Knesseth hören. Die Sprache gehört nicht den Nazis. Sie haben sie nur benützt, bis sie aus der Welt geschafft wurden. Vor ihnen und nach ihnen war und ist es die Sprache einer großartigen, reichhaltigen und faszinierenden Kultur, an der unsere Väter und Vorväter Grundanteile haben.

In einer seltsamen Weise ist der Widerstand gegen ihr Erklingen in der Knesseth eine Verachtung des Andenkens an all diese hervorragenden Menschen, und noch mehr normale Menschen, die sie sprachen und liebten, da sie auch die ihre war, und in gewisser Weise, auch die unsere.

[Zur Diskussion]

Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv

hagalil.com 19-01-2005

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