hebraeisch.israel-life.de / israel-tourismus.de / nahost-politik.de / zionismus.info
Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
 
Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

Jüdische Weisheit
Hymne - Israel
Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!
Advertize in haGalil?
Your Ad here!

Kriegsvorbereitungen:
Drei Minuten für die Hatz in den Bunker

In der Welt mag man angespannt sein – doch Israel bereitet sich geradezu spielerisch und gelassen auf einen Vergeltungsschlag des Irak vor

Von Thorsten Schmitz

Tel Aviv, 17. Februar – Amos Lahat ist todmüde. In seinen Knochen stecken eine zwölfstündige Odyssee (der Sprung über vier Zeitzonen mit der "grauenhaften Aeroflot") sowie anschließend mehrere Stunden Heimwerkerarbeit. Lahat kommt gerade aus dem kalten Wladiwostok, wo er für ein Leben im heißen Israel geworben hat. Es ist nicht das Geld allein, das ihm der Staat Israel für seine Arbeit in der "Jewish Agency" zahlt, es ist die Überzeugung, die er mit Regierungschef Ariel Scharon teilt – dass nämlich die "Alijah", die Einwanderung russischer Juden nach Israel, "unseren Staat rettet".

Die Geburtsrate der Palästinenser und der arabischen Israelis ist dreimal höher als die der jüdischen Israelis: "Wenn wir nicht aufpassen, also in die Zukunft investieren und Juden nach Israel holen, sind wir bald in der Minderheit", sagt Lahat und öffnet eine Flasche Wodka, die er im Flugzeug gekauft hat. Seine Frau Tali steht in der Küche des Einfamilienhauses in Kadima, einem wohlhabenden Dorf eine halbe Autostunde von Tel Aviv entfernt, sie bruzzelt und schmeckt ab für das Schabbatmahl am Freitagabend.

Amos Lahat ist fast ständig in der Luft oder in der russischen Weite auf der Suche nach Juden, die nach Israel ausreisen wollen, in das weltweit einzige antisemitismusfreie Land. Die Mission von Lahat ist von der Intifada überschattet worden, russische Juden empfänden den "Kampf um Blut und Boden" als "mittelalterlich". Die Vertreter der jüdischen Gemeinde in Wladiwostok hätten ihm zudem nahe gelegt, die PR-Reise auf die Zeit nach dem Irak-Krieg zu verschieben, in diesen Tagen fühlten sich die Juden in Wladiwostok sicherer als in Israel. "Ich bin aber trotzdem geflogen", sagt Amos Lahat, nippt am Wodka und lächelt. Immerhin 38 Juden würden in den kommenden Tagen nach Israel immigrieren: "Das ist doch was!"

Nach seiner Ankunft aus Russland ist Lahat an diesem Morgen direkt vom Flughafen in einen Heimwerkerladen gefahren, wo er sich mit Plastikplanen, Klebestreifen, Taschenlampen, Batterien und Mineralwasser eingedeckt hat. Den ganzen Nachmittag über hat er den bombensicheren Bunker in seinem Haus gegen einen Giftgasanschlag aus dem Irak präpariert. Geholfen hat ihm dabei seine zwölfjährige Tochter Lara, die dem Vater ständig aus der 50-seitigen Regierungs-Broschüre zum Kriegsfall vorgelesen hat.

In dem an alle israelischen Haushalte verteilten Magazin steht, dass Asthmakranke bei einem Hustenanfall die Gasmaske sofort abziehen sollen, dass die Panzerglasfenster in Bunkern ebenso abgedichtet werden müssen wie alle Türschlitze (am besten mit feuchten Handtüchern). Am liebsten aber hat Lara einen Satz in der Einleitung: "Wir sind fähig, diesen Krieg zu gewinnen, wenn wir begreifen, dass jeder von uns ein Soldat ist und unser Haus eine Festung, die uns schützt, wenn wir es richtig präparieren." Lara sagt: "Das hört sich an wie die Anleitung zu einem Videospiel!"

An Kriege gewöhnt

Tatsächlich bereitet sich Israel in diesen Tagen geradezu spielerisch und mit großer Gelassenheit auf einen Vergeltungsschlag des Irak vor. Das Volk ist Kriege und Sirenen und Code-Wörter gewohnt (wenn zum Beispiel "Eiserne Wand" auf den TV-Bildschirmen erscheinen sollte, bleiben den Israelis noch genau drei Minuten zur Hatz in die Bunker). Die Mehrheit der Israelis spricht sich für einen Regimewechsel im Irak aus, und wenn man die Menschen fragt, ob sie keine Angst haben vor Saddams möglicherweise giftigen Scud-Raketen, fragen sie zurück: "Warum ist Deutschland gegen einen Irak- Krieg?" Zwar bereiten sich die Menschen in Israel auf den Krieg vorbildhaft vor. Aber genauso entspannt schlafen die Menschen vorm Fernseher ein, wenn Bush – wie vergangenen Freitag nach dem Sicherheitsratstreffen– einen Militärschlag auch im Alleingang in Aussicht stellt.

Angst oder gar Hysterie sind landesweit nicht auszumachen, obwohl im ersten Golfkrieg vor zwölf Jahren 39 irakische Scud-Raketen auf das Land herabgeregnet waren (und wundersamerweise nur ein Mensch vor Aufregung einem Herzinfarkt erlag). In Tel Aviv lud die Kosmetikfirma Clinique am Sonntagabend in eine Disco ein und stellte bei Sushi-Häppchen und Kir Royal die neue Männerpflegeserie vor, im Susann-Dellal-Zentrum findet am kommenden Freitag die Premiere eines neuen Tanztheaterstücks statt, in Jerusalem planen alle großen Hotels Hochzeiten mit je drei- bis vierhundert Gästen. Der Manager des Ramat Rachel Hotels sagt: "Wir sind bis in den Sommer ausgebucht, und bislang hat kein einziger abgesagt."

Vicky Mais sitzt dem Manager gegenüber und bespricht letzte Einzelheiten für diesen Mittwoch: "Ich bin total aufgeregt, dass mein Sohn Gideon heiraten wird. Nichts kann uns davon abhalten!" Wenn dennoch die Alarmsirenen durchs Land heulen sollten, verspricht der Manager die Aufnahme aller Hochzeitsgäste in den hoteleigenen Bunker.

Die Hotels entlang der Tel Aviver Küste offerieren Schnäppchen-Preise (inklusive Gasmasken) für anreisende Journalisten und locken, wie zum Beispiel das Sheraton City Tower, mit dem Panoramablick von ihren Dachterrassen: "The Ideal Place to Cover the War!" Das Hilton-Hotel wird in diesem Jahr nicht wie vor zwölf Jahren zum Pressezentrum Israels umfunktioniert, sondern das weiter südlich gelegene David Intercontinental – zum Missfallen des Senders CNN, der bereits seit Wochen für viel Geld 30 Zimmer im Hilton reserviert hat.

Gegen Pocken geimpft

In den Schulen des Landes werden zudem Jugendliche im Umgang mit Gasmasken und Atropin-Spritzen für den Fall eines Nervengasangriffs von jungen Soldaten unterrichtet und stellen Fragen wie in einer neunten Klasse in Haifa: "Kann man mit Gasmasken auch tanzen gehen?" In einer Grundschule in Azur südlich von Tel Aviv sollten Montagfrüh alle hundert Schüler nach Ertönen einer Sirene übungshalber in den Bunker rennen, doch David und seine sechs besten Freunde blieben auf dem Schulhof und spielten weiter Basketball. Die sechs Buben weigerten sich standhaft, den Aufforderungen der Lehrer zu folgen. Erst als die Klassenlehrer mit Pizza lockten, die es zur Belohnung in den fensterlosen unterirdischen Räumen gebe, trollten sich die Basketballer die Treppen hinunter ins künstliche Neonlicht.

Offiziell wird die israelische Bevölkerung mit beruhigenden Worten ihrer Regierungsvertreter vor Panik gewarnt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Irak Israel angreife, sei gering, sagten der Verteidigungsminister Schaul Mofaz und sein Dienstherr, Regierungschef Ariel Scharon. Dennoch wappnet sich Israel für den Ernstfall. Besorgte Familien haben massenweise Hotel- und Pensionsplätze im Norden des Landes und im südlichen Badeort Eilat gebucht, die Reisebüros melden hohe Reservierungsraten für Ende Februar für Reisen ins Ausland. Alle öffentlichen Bunkerplätze sind inzwischen besenrein und mit dem notwendigen Equipment für mehrere Tage ausgestattet, und inzwischen sind sogar Gasmasken erhältlich mit entsprechenden Gläsern für Kurz- oder Weitsichtige.

Besonders im Tel Aviver Ballungsraum achten städtische Angestellte darauf, dass die Ladenbesitzer nicht die Preise für Mineralwasser und Taschenlampen erhöhen. Landesweit sind Raketenabwehrsysteme des Typs "Arrow" (Made in Israel) stationiert sowie die zwei gerade aus Deutschland eingetroffenen "Patriot"-Batterien. Die Luftwaffe befindet sich in Alarmbereitschaft, rund 17000 Polizisten, Feuerwehrmänner und Sanitäter wurden gegen Pocken geimpft, in den Untergeschossen der Krankenhäuser sind Notfallbehandlungszentren installiert.

Auch die diplomatischen Vertretungen haben vorgesorgt und bei der israelischen Fluggesellschaft "Israir" zwölf Flugzeuge gechartert, mit denen im Ernstfall Ausländer und diplomatisches Personal nach Frankfurt, Athen, Istanbul und Larnaca ausgeflogen werden können. Israels konservative Kleriker haben sich ebenfalls auf den Ernstfall eingestellt, der nach israelischen Massenblättern am 3. März eintreten werde: Die Rabbiner erlaubten der religiösen Bevölkerung, auch am Schabbat Radio zu hören und gestatten orthodoxen Juden, ihre Bärte zu scheren – sonst blieben die Gasmasken undicht.

Ansichten aus Israel

hagalil.com 18-02-03

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved