
Gefängnis statt Dienst
an der Waffe:
Pazifist mit hochkarätigen
Verwandten
Jonathan Ben-Artzi,
Neffe der Frau von Israels Außenminister, wird wegen
Wehrdienstverweigerung erneut verurteilt
Von Susanne Knaul
Würde er seine Beziehungen zu den
höchsten Regierungskreisen nutzen, säße er vermutlich schon nicht
mehr hinter Gittern. Vorausgesetzt, sein angeheirateter Onkel, der
Außenminister, wäre bereit dazu, sich für ihn einzusetzen.
Das ist gar nicht so sicher, denn
politisch könnten die beiden kaum kontroverser sein: Benjamin
Netanjahu, dem das jetzige Vorgehen der israelischen
Verteidigungsarmee in den besetzten Gebieten noch immer zu zaghaft
ist, und der aufrührerische Neffe seiner Frau Sarah: Jonathan
Ben-Artzi - vor kurzem zum sechsten Mal zu einer Haftstrafe
verurteilt. Der Militärrichter wollte die Gewissensgründe seiner
Weigerung, den Dienst an der Waffe zu tun, nicht anerkennen.
Gewöhnlich werden die jungen Männer
einmal pro Monat einem Richter vorgeführt. Die Prozedur ist immer
die gleiche: formale Einberufung, Verweigerung, Haftzeit. Dann
dürfen sie das Wochenende zu Hause verbringen, um am folgenden
Sonntag erneut für 28 Tage hinter Gitter geschickt zu werden.
Ob es Ben-Artzis vorlautes Mundwerk war
oder das von Sky News wiederholt ausgestrahlte
Interview mit ihm? Beim letzten Mal wurde er zu 35 Tagen, also einer
Woche länger als gewöhnlich, verurteilt. Von den wenigen kurzen
Wochenenden abgesehen, verbrachte der gerade 20-Jährige bereits über
160 Tage in Haft. Doch wie Freunde von ihm berichten, werde er
"durch den Prozess nur gestärkt".
Dabei galt der mit Abstand Jüngste von
drei Geschwistern immer als der Empfindsamste und Ruhigste unter den
Kindern. Bereits zwei Jahre vor seinem Abitur erkundigte sich Joni,
wie ihn seine Freunde nennen, beim Militär über mögliche
Alternativen zum Dienst an der Waffe. Schon damals erklärte er sich
zum Pazifisten, unwillig eine Uniform zu tragen oder ein Gewehr
anzufassen. "In keiner Armee der Welt", wie er meinte, aber sicher
nicht in der israelischen Besatzungsarmee.
Kurz vor der Reifeprüfung versuchte er,
seine Mitschüler zu dem gleichen Schritt zu bewegen. Bei jedem
Prozess wiederholt er seine Bereitschaft zum Ersatzdienst, was in
Israel jedoch ohne religiösen Bezug nicht möglich ist. Männliche
Soldaten, die zum regulären Pflichtdienst eingezogen werden, können
der Uniform nur auf zwei Wegen entgehen: Entweder sie sind
untauglich oder sie müssen ins Gefängnis.
Obwohl die Geschwister in der
israelischen Verteidigungsarmee dienten und der Vater Matania
Ben-Artzi als Professor für Mathematik und Physik lange Jahre in der
Rüstungsindustrie tätig war, genießt Joni bei seiner Familie volle
Rückendeckung. "Wir sind Zionisten", meint seine Mutter, gerade
deshalb werde ihr Sohn den Kampf für seine Rechte fortsetzen.
Die Verweigerung der jungen
Pflichtsoldaten unterscheidet sich von dem Protest der Reservisten,
die nur den Dienst in den besetzten Gebieten ablehnen. Demgegenüber
bezeichnen sich die jungen Abiturienten als Pazifisten und richten
ihren Protest auch gegen die Militarisierung des Landes, wo die
Karriere in der Armee Voraussetzung für den zivilen beruflichen
Werdegang ist. In dem kommenden Woche wird der zweite Zyklus in
diesem Jahr rekrutiert. Fünf junge Männer haben bereits
signalisiert, dass auch sie das Gefängnis dem Dienst an der Waffe
vorziehen.
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18-12-2002 |