Anmerkungen zur Pressearbeit:
Einige eingebettete Wahrheiten
Von Hanoch Marmari, Ha'aretz, 19.09.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Hanoch Marmari, Chefredakteur von "Ha’aretz",
hielt diese Rede am 15.09.2003 während der 52sten Generalversammlung
des internationalen Presseinstituts in Salzburg, Österreich.
Unser führender Nahostkorrespondent machte sich
kürzlich auf die Reise in den kurdischen Teil des Nordirak und
wollte auch in den Irak selbst einreisen. Wir baten ihn, dies nicht
zu tun. Denn wie unsere Leser bevorzugen wir einen vorsichtigen
Korrespondenten und lebenden Kollegen.
Dies mag dem journalistischen Geist und dem
persönlichen Mut, die von einem Reporter erwartet werden,
widersprechen. Doch bevor der Nahostkorrespondent seine Mission
begann, bat ich ihn zu versprechen, von jedem voreiligen Versuch,
den Irak zu betreten, Abstand zu halten.
Nun, er konnte der Versuchung nicht widerstehen
und ging mit Hilfe von Freunden in den Irak, mit einem israelischen
Pass in der Tasche. Der einzige Schutz, den er besaß, war das
fließende Arabisch, das er sprach. Für den Zweck, eine Unterhaltung
zu führen, mag die Sprache ausreichen. Doch bei einer Begegnung mit
den Behörden, mit Militärs oder Straßenräubern, nützt die Sprache
allein nichts.
Er sandte uns ausgezeichnetes Material. Doch
während der gesamten zehn Tage, die er im Irak verbrachte, konnten
wir kaum schlafen. Jedes Mal, wenn er einen Bericht schickte, fragte
ich mich, was geschehen würde, wenn er irgendwo verschwinden würde.
Er, ein Mann mit einer mehr als nutzlosen Identität. Wir hätten
keine Möglichkeit ihm zu helfen.
Um überleben und arbeiten zu können, musste er
sich verstellen. Sein fließendes Arabisch ließ die Leute denken, er
sei ein Besucher aus einem arabischen Land. Ohne diese Fähigkeit
hätte er sich weder mit Menschen des politischen Establishments
treffen, noch hätte er mit Normalbürgern im Irak sprechen können. Er
hätte auch kein offenes Gespräch mit einem irakischen Ingenieur
führen können, der ein Anhänger Al-Qaidas war und mit ihm auf dem
Weg von Bagdad an die jordanische Grenze im Taxi saß. Wir waren sehr
erfreut über all das Material. Doch jedes Mal, wenn es ihm gelang,
uns zu kontaktieren, baten wir ihn, den Irak so bald wie möglich zu
verlassen.
Ist es erlaubt, sich für den Zweck einer
journalistischen Mission zu verstellen? Wir sind der Meinung, dass
es niemals erlaubt ist, die Leser anzulügen. Doch manchmal, in
Ausnahmefällen und um den sicheren Zugang zu wertvollen Quellen
aufrecht zu erhalten, ist es nötig, eine gewisse Distanz zur
Wahrheit einzunehmen. Dies ist der Vorteil und der Nachteil eines
einmaligen Auftrags. Die schattenhafte Arbeit des Journalisten
erreicht einen flüchtigen Moment journalistischer Einsicht, weil
nicht die Notwendigkeit besteht, eine lang anhaltende und
transparente Beziehung zum Subjekt der Reportage aufrecht erhalten
zu müssen.
Seit März haben mehr als ein Dutzend Vertreter
israelischer Zeitungen im Irak gearbeitet, die meisten von ihnen
während des Krieges. Alle israelischen Journalisten, die über den
Irak berichteten, waren in doppelter Gefahr, zum einen als
Journalisten, zum anderen als Israelis. Jeder von ihnen besaß eine
doppelte Staatsbürgerschaft und war in dem Schauspiel des Krieges
unter gewisser Tarnung präsent, normalerweise als angeblicher
Journalist amerikanischer Zeitungen.
Dies unterbrach das normale und adäquate
Management der Nachrichtenredaktion. Anstatt den geeignetsten und
erfahrensten Journalisten auf diese Mission zu schicken, wurde der
Journalist gesandt, der einen zweiten Pass und eine gute
Titelgeschichte vorweisen konnte. Es gab Fälle von Abenteurern und
Hobbyschreibern, die sich Zeitungen anboten. Somit bekam am Anfang
des Krieges jeder, dem es gelang aufs Schlachtfeld zu kommen und
Material zu senden, eine Geschichte unter dem Titel "Unser
Sonderkorrespondent im Irak" veröffentlicht.
Kein Zugang ohne Fälschung
Ha’aretz weigerte sich,
auf diesen Zug aufzuspringen. Am Vorabend des Krieges gewährte uns
das Pentagon einen Platz für einen sogenannten "embedded"
Journalisten. Wir gaben den Auftrag einem Ha’aretz-Reporter,
der einen deutschen Pass besitzt. Der Mann ging zur kuwaitischen
Botschaft und bat um ein Visum. Die Kuwaitis fragten ihn, welche
Zeitung er vertritt und er antwortete wahrheitsgemäß. Das Visum
wurde ihm verweigert, wie jedem anderen auch, der im Namen einer
israelischen Zeitung um Reiseerlaubnis zu US-amerikanischen
Militärhauptquartieren in Kuwait City bat. Die israelischen Medien
mussten erneut erfahren, dass es ohne Fälschung keinen Zugang gibt.
Wir baten eine Anzahl von Auslandskorrespondenten,
auch uns Material zu schicken. Sie erklärten peinlich berührt, dass
ihre Aktionsfreiheit und vielleicht sogar ihre Sicherheit gefährdet
seien, wenn ihre Artikel in israelischen Zeitungen erscheinen
würden. Ha’aretz entschied sich, keine dubiosen Reporter zu
beauftragen, wie es manche unserer Konkurrenten taten. Weil wir
keine anderen Alternativen hatten, griffen wir auf Berichte der
internationalen Presse zurück.
Nicht, dass wir keine Risiken unternehmen. Es sind
nicht wenige Ha’aretz-Journalisten und -Photographen, die in
die palästinensischen Gebiete gehen. Dabei sehen sie sich oftmals
wirklicher Gefahr gegenüber. Für diese Missionen besitzt unsere
Zeitung ein kugelsicheres Auto. Dennoch können wir für Dutzende oder
sogar Hunderte von monatlichen Schritten, die unsere Journalisten in
den Territorien gehen, keinen absoluten Schutz bieten.
Der Irakkrieg war ein wichtiges Testlabor für die
surreale journalistische Realität in unserer Region. Zwei
Beobachtungen zum Irak möchte ich nennen und sie mit der
Berichterstattung unseres eigenen Konfliktes verknüpfen:
- Die Forderung nach maximalem Zugang für
Journalisten in feindliche Gebiete legt den Redakteuren maximale
Verantwortung auf.
Redakteure müssen über ihre Forderung nach
vollkommen freiem Zugang genaustens nachdenken. Denn es gibt
einen Widerspruch zwischen der Forderung nach freiem Zugang in
Gebiete, in denen gekämpft wird und dem Protest, dass das Leben
der Journalisten in Gefahr sei.
Im folgenden nenne ich einen Fall, der diesen
Punkt demonstriert: Nachdem im Oktober 2001 ein Minister der
israelischen Regierung von Palästinensern ermordet worden war,
kesselten eine große Anzahl von israelischen Streitkräften das
kleine Dorf Beit Reema bei Ramallah ein und verhafteten dort
eine Anzahl Personen, die verdächtigt wurden, Beihilfe zum Mord
geleistet zu haben. Durch den Befehl des regionalen Kommandanten
wurde das Gebiet komplett abgeriegelt. Auch Journalisten durften
es nicht betreten. Das Dorf war 25 Stunden lang von der
Außenwelt abgeschnitten. In dieser Zeit verhafteten die Soldaten
50 Personen. 39 von ihnen wurden nach deren Befragung wieder auf
freien Fuß gesetzt. Die restlichen 11 wurden in
Untersuchungshaft gebracht. Bei sporadischen Feuergefechten
während der Nacht wurden fünf palästinensische Polizisten
getötet. Sie hatten ihre Waffen nicht abgelegt, nachdem sie dazu
aufgefordert worden waren. Dies war in der Tat eine raue und
kostspielige Operation.
Während der Stunden, in denen das Dorf
abgeriegelt war, machten Gerüchte über ein Massaker an seinen
Einwohnern die Runde. Die israelische Verteidigungsarmee sagte
jedoch, hätte sie das Gebiet für Journalisten geöffnet, hätte
dies deren Leben in wirkliche Gefahr gebracht. Das
internationale Presseinstitut sandte einen Protestbrief an
Premierminister Ariel Sharon:
"Die neuste Verletzung der Pressefreiheit
scheint Teil einer konzertierten Bemühung der IDF zu sein, die
Kontrolle über das zu behalten, was über die Wiederaufnahme
bewaffneter Kampfhandlungen in der Region berichtet wird."
Im Prinzip ist dies ein gerechtfertigter
Protest. Jeder, der ein Gebiet abriegelt, verletzt die
Pressefreiheit. Andererseits müssen Redakteure und Journalisten,
die auf Bewegungsfreiheit in einer Kampfzone beharren, die
Verantwortung für tödliche Folgen ihrer Entscheidung tragen. Aus
diesem Grund widerspricht die Forderung nach absoluter
Bewegungsfreiheit direkt der Notwendigkeit, die Sicherheit des
Journalisten in der chaotischen Kampfarena zu gewährleisten, was
das IPI ebenfalls von den Regierungen und den kämpfenden
Organisationen verlangt.
Tatsache ist, dass in dem Moment, in dem die
Streitkräfte das Dorf verließen, die Presse hineinging und
unabhängige, vollständige Nachrichten und Beschreibungen der
Operation und ihrer Ergebnisse senden konnte, mit nur einem Tag
Verzug. Kein Journalist wurde verletzt. Doch stellen Sie sich
einmal die Menge der Proteste vor, wenn das Gebiet nicht
abgeriegelt worden wäre und Reporter unter den Toten gefunden
worden wären.
- Zugang zu Konfliktgebieten ist ein Vorzug, der
seinen Preis kostet.
Armeen, selbst die Armeen demokratischer Staaten,
bevorzugen ein Kriegsschauplatz ohne Journalisten, die sich frei
bewegen. Nehmen wir die US-Armee während des ersten Golfkrieges oder
die britische Armee während des Falkland-Krieges. Das Einbetten von
Journalisten im jüngsten Irakkrieg war eine clevere Art, die
Journalisten so zu organisieren, dass sie eher hinter den Soldaten
blieben als sich frei auf dem Schlachtfeld zu bewegen. Doch manchmal
ist gerade die Definition des Kriegsschauplatzes schwierig.
In der Westbank und im Gazastreifen kann man zum
Beispiel auf ein und dem gleichen Kampfplatz verschiedene Schichten
erkennen, und jede dieser Schichten erfordert einen anderen
Zugangsmodus. Es ist wahr, dass die israelische Armee die Straßen
kontrolliert. Und Soldaten an den Straßensperren können reisenden
Journalisten Schwierigkeiten bereiten. Doch bei Konfrontationen
zwischen Soldaten und bewaffneten Zivilisten haben freiberufliche
Korrespondenten, die Teil der örtlichen Bevölkerung sind, oftmals
Vorteile. Ein ausländischer Reporter wird in einer besseren Position
sein, wenn er sich der Gastfreundschaft der Bewohner vor Ort
erfreuen kann. Das Pauschalangebot, das einen Führer und einen
Dolmetscher enthält, beinhaltet außerdem die teilnahmsvolle
Berichterstattung, die sich aus der Situation ergibt. Ist dies nicht
auch eine Form von Einbetten?
Das offensichtliche Ergebnis besteht darin, dass
die Soldaten aus der Entfernung beobachtet werden. Vielleicht werden
sie als eine grausame und gleichgültige Tötungsmaschinerie
betrachtet, während die örtlichen Bewohner –die Menschen und ihre
Sache- in vertraulichem Kontakt mit dem Journalisten stehen.
Diejenigen, die das Feld kontrollieren, sind
oftmals bereit, Zugang zu verkaufen. Die Presse muss diesen Zugang
manchmal kaufen und die Frage ist: zu welchem Preis? Wie kann man
sicher sein, dass Geschäfte nicht über den Kopf des lesenden
Publikums gemacht werden?
Wenn ein Reporter die Unterstützung einer Seite
des Konfliktes akzeptiert –eine Unterstützung, die den Vorteil des
Zugangs bietet-, neigt er dazu, den Unterstützenden zu belohnen,
indem er dessen Interessen vertritt. Dies kann offen und aktiv
geschehen oder auch passiv, zum Beispiel dadurch, dass der Reporter
in seinem Bericht keine peinlichen Angelegenheiten erwähnt. Der
passive Fall ist schlimmer, weil die Leser und Zuschauer sich nicht
darüber im Klaren sind. Je mehr der Reporter bezüglich des Zugangs
und des Schreibens vom kontrollierenden Element abhängig ist –einem
Regime, einer Armee, einer örtlichen Führungsriege-, desto mehr
beeinflusst dies seine Berichterstattung, und es lässt diese sogar
tendenziös werden.
Erst nachdem Saddam Husseins Regime gestürzt war,
erlaubte sich der leitende Nachrichtenredakteur von CNN, Eason
Jordan, den schrecklichen Preis zu beschreiben, den der Sender für
die irakische Zustimmung bezahlt hat, dass CNN im Land arbeiten
darf. Unter der Überschrift "Die Nachrichten, die wir für uns
behielten" schrieb Jordan:
"In den letzten 12 Jahren reiste ich 13mal nach
Bagdad, um die Regierung dafür zu gewinnen, das Büro von CNN in
Bagdad geöffnet zu lassen und Interviews mit der irakischen
Führungsriege zu arrangieren. Jedes Mal, wenn ich dorthin reiste,
bekümmerten mich das, was ich sah und hörte, mehr. Es waren
schreckliche Dinge, über die man nicht berichten konnte. Hätten wir
es getan, hätten wir das Leben der Iraker in Gefahr gebracht,
besonders das Leben derjenigen, die zu unseren Mitarbeitern in
Bagdad gehörten."
Ethan Bronner, ein früherer Nahostkorrespondent
der New York Times, verteidigte Jordan gegenüber der Flut an
Kritik:
"Jeder, der aus totalitären Staaten berichtet hat,
weiß, dass dies die größte Herausforderung für einen Journalisten
ist. Es schließt tägliche Kalkulationen über den Zugang, die
Ehrlichkeit, die Bewegungsfreiheit und die Angst vor
Vergeltungsmaßnahmen ein...." Und Bronner endete: "Es ist leicht zu
sagen, dass Herr Jordan und CNN eine falsche Wahl getroffen haben.
Diese Aussage berücksichtigt sicher eine tröstende moralische
Klarheit. Und es mag sein, dass CNN eine rote Linie überschritten
hat, als es irakischen Offiziellen nachgegeben hat. Doch ich würde
mit der Verurteilung nicht voreilig sein. Jeder, der den
Wahlmöglichkeiten, die Journalisten in solchen Situationen
aufgezwungen werden, selbst schon gegenüber stand, weiß genau, wovon
ich spreche."
Keine Wechselwirkung
Israel ist ein Paradies für
Auslandskorrespondenten. Die Wege sind kurz und der Zugang ist in
der Regel einfach. Für die Fahrt vom Konfliktort irgendwo in den
Territorien zum angesehenen und ruhigen Hotel "American Colony" in
Jerusalem benötigt man durchschnittlich weniger als eine Stunde. In
Israel arbeiten 350 ausländische Nachrichtenagenturen und
Medienorganisationen mit 800 dauerhaften ausländischen
Berichterstattern und 2.000 israelischen und palästinensischen
Mitarbeitern. Israel wird jährlich von 2.000 bis 3.000 zugelassenen
Journalisten besucht. Nach Washington und Moskau ist Israel einer
der größten Standorte für die ausländische Presse.
Selbst wenn man all die bürokratischen
Hindernisse, die der ausländischen Presse von der israelischen
Regierung auferlegt werden, in Betracht zieht, so kann man nicht
sagen, dass ausländische Journalisten schikaniert werden. Sie
erwarten von Israel als einer demokratischen und offenen
Gesellschaft maximale und unbedingte Offenheit und minimale
Einmischung in ihre Arbeit. Als das Pressebüro der israelischen
Regierung den Auslandskorrespondenten Schwierigkeiten auferlegte,
gab es einen gerechtfertigten Aufschrei, der niemals auf der
palästinensischen Seite und selbst nicht in moderaten arabischen
Staaten hätte gehört werden können.
Zwischen Israels Haltung gegenüber Journalisten
aus arabischen Ländern und der Haltung dieser Länder gegenüber
israelischen Journalisten gibt es keine Wechselwirkung. Die
arabischen Satellitenprogramme arbeiten in Israel mit großer
Freiheit. Ist es andersherum genauso möglich? Ein israelischer
Journalist kann nicht als dauerhafter Korrespondent in Ägypten oder
Jordanien stationiert werden, obwohl es Friedensabkommen zwischen
diesen Staaten und uns gibt.
Auf jeden Fall kann nicht gesagt werden, dass der
Staat Israel irgendwelche Vorteile daraus zieht oder sich besonderer
Zuneigung erfreut, weil er eine Herberge für Journalisten aus aller
Welt ist. Israel beansprucht nicht die einbettende Annäherung zu den
Journalisten, um seine Interessen im israelisch-palästinensischen
Konflikt zu präsentieren. Dies liegt einfach daran, dass die
israelische Verteidigungsarmee das Monopol auf den Zugang zum
Kampfort nicht hat und nicht haben kann.
Mein Standpunkt ist, dass das Einbetten immer
existiert hat, selbst vor der Erfindung dieses speziellen Ausdrucks
in diesem speziellen Zusammenhang. Und während die Presse im
Irakkrieg abhängig von den Dienstleistungen des US-amerikanischen
Militärs ist, ist die Presse in den palästinensischen Gebieten
abhängig von den örtlichen Bewohnern, um Zugang zu erhalten. Diese
örtlichen Bewohner liefern der Presse unerlässliche Dienste. Selbst
Ha’aretz-Journalisten benötigen diese Dienste, um ihre
Stories über Palästinenser zu schreiben. Die Frage, die wir uns oft
stellen, wenn wir diese Stories schreiben, ist, ob wir zu weit
gehen, wenn wir eine entgegenkommende Art des Journalismus
praktizieren, indem wir Versionen von Geschichten veröffentlichen,
deren Wahrheitsgehalt wir niemals vollständig nachprüfen können,
selbst dann nicht, wenn wir ihn bei der israelischen Seite gegen
geprüft haben.
Bruderschaft
Wenn man einen Journalisten mit einem Kampfteam
ausschickt, mag das Ergebnis darin bestehen, dass die Kämpfer aus
menschlicher Sicht dargestellt werden, mit all ihren Ängsten und
Sorgen. Doch die andere Seite des Konflikts, die zivile Seite, zu
der der Zugang wegen der Sprachbarrieren und
Kommunikationsschwierigkeiten von Anfang an gering ist, bleibt dem
Gefühl und den Gedanken des Zuschauers in diesem Fall fern.
Brian MacQuarrie, ein Korrespondent des Boston
Globe, der mit den Soldaten der 630sten Artillerie drei Wochen
lang unterwegs war und die Kämpfe auf dem Weg von Kuwait nach Bagdad
miterlebte, schrieb in seinen "Kriegserinnerungen" unter dem Titel
"Bruderschaft im Kampf geboren":
"Ich hatte keine Opfer gebracht wie diese
Soldaten, ich hatte nicht meine Angehörigen für unbestimmte Zeit
verlassen, von mir war nicht erwartet worden, dass ich mich der
tödlichen Gefahr aussetze, in der sich ein Kampfsoldat befindet. Ich
konnte kommen und gehen wie es mir beliebte und wie es für das
Schreiben einer täglichen Geschichte nötig war. Doch sie
akzeptierten mich in ihren Reihen als ein Soldat mehr, der schmutzig
wurde wie sie, der jedoch eine andere Mission hatte. ‚Du bist nun
einer, der zur Gruppe der Brüder gehört. Du weißt das, oder nicht?‘"
Auch nach drei Jahren zermürbendem Militärdienst
widmet die Weltpresse der menschlichen Betrachtung von Israelis, die
als Soldaten –sowohl als Wehrpflichtige wie als Reservisten- in
diesem gewaltsamen Konflikt dienen und der Vielschichtigkeit, der
sie sich gegenüber sehen, noch immer nicht viel Aufmerksamkeit. Dies
ist keine Klage, sondern nur eine Beobachtung. Dieser hässliche
Krieg, der in unserer Region geführt wird, in dem Soldaten in
Stadtgebieten den Terror bekämpfen, in dem man nie schnell genug
einschätzen kann, wer der Feind und wer nur ein unschuldiger
Zivilist ist, lässt die ausländische Presse nie solche Zeilen
veröffentlichen wie diejenigen, die Herr MacQuarrie von einem
amerikanischen Leutnant zitiert, der versucht seine Beteiligung an
den Ereignissen zusammenzufassen:
"Wegen unserer Leistungen im Krieg wird man sich
nicht an uns erinnern. Sondern man wird sich an uns erinnern, wenn
wir einen Zivilisten erschossen haben, der nicht an einem
Kontrollpunkt stehen bleiben wollte."
Wie die heutigen Leser, so tendiert auch die
ausländische Berichterstattung dazu, nervös, ungeduldig und
künstlich zu sein und einen Fastfood-Journalismus zu liefern. Es
gibt ein Rezept für Geschichten von abgelegenen Orten und von Orten,
wo Gewalt herrscht: Diese Geschichten sollen knusprig und würzig
sein, das heißt: kurz, aufregend, berührend, bewegend, sehr einfach
und emotional, und sie sollen außerdem eine schnelle moralische
Lektion enthalten.
Wir alle wissen das, denn wir sehen uns selbst im
Spiegel. Wir sind Objekte der ausländischen Berichterstattung in
Israel. Wir sind die ausländische Presse, die über den Irak
berichtet. Und wir spielen in den palästinensischen Territorien
beide Rollen.
hagalil.com
24-09-2003 |