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Am Jom haSikharon:
Die Krisen der Teenager

Von Lily Galili, Ha'aretz, 06.05.2003
Übersetzung Daniela Marcus

Zwei Teenager saßen gestern nachmittag auf einer Bank vor ihrem Jerusalemer Gymnasium, kauten auf ihren Sandwiches und nippten an ihren kalten Getränken. Die beiden, Nadav Kerem und Ya'akov Sidikman, scheinen wie alle anderen Gymnasiasten in ihrer Mittagspause zu sein. Doch viele 16jährige, die im Israel des Jahres 2003 leben, tragen eine schwere Last.

Kerems Klassenkameradin Shani Avitzedek wurde letztes Jahr im Juni bei einem Terroranschlag auf einen Bus an der Patt-Kreuzung in Jerusalem getötet. Sidikmans Freund Kobi Mandel starb letztes Jahr im Mai bei einem Terroranschlag in der Nähe seines Hauses in Tekoa.

"Derzeit gibt es viele schwere Tage", sagen die beiden, "nicht nur den Nationalen Trauertag."

Sidikman sagt, dass er nicht zum Gedenktag seines Freundes Mandel gegangen ist, weil es zu schwer für ihn gewesen sei. Kerem ist nicht sicher, ob er nächsten Monat zu Avitzedeks Gedenktag gehen wird. Heute werden sie, wie jedermann, an Veranstaltungen des Nationalen Trauertages teilnehmen. Zwischen dem Verlust eines Freundes und der kollektiven Trauer solcher Tage besteht ein Unterschied, sagen sie. Der Todestag eines Freundes ist ein Tag persönlichen Schmerzes. Doch Zeremonien, die an die Gefallenen Israels erinnern, sind dazu da, um den Toten Respekt zu zollen.

Während unserer Unterhaltung verflechten sich die Zeiten und das Persönliche vermischt sich mit dem Kollektiven. In einem Jahr mit so vielen Tagen der Trauer widmet sich der Nationale Trauertag der Traurigkeit der Vergangenheit, drückt aber auch Angst vor der Zukunft aus. Normalerweise sind die Rituale darauf ausgerichtet, eine Art Schlussstrich zu ziehen. Doch der diesjährige Nationale Trauertag tut nichts dergleichen. Diese beiden Jugendlichen glauben nicht, dass es in etwa zwei bis drei Jahren, wenn sie zur Armee eingezogen werden, Frieden gibt - also erklären sie nur ihre Bereitschaft, für ihr Land zu kämpfen.

Eine Anzahl von Aussprüchen, Phrasen, sind inzwischen nicht mehr zu hören, z. B. der Ausspruch: "Das möge das letzte Todesopfer gewesen sein."

"Das stimmt", sagt Ofra Matzliach, Sozialkoordinatorin der Jerusalemer Bejt-Hatzayar-Schule für verhaltensgestörte Kinder. "Es ist nicht länger möglich, dies zu sagen. Für jeden ist es klar, dass wir inmitten von etwas sind und dass wir das Ende noch nicht sehen." Sie fügt an, dass es einst einen Hoffnungsschimmer in dieser Phrase gegeben hat, den es nun nicht mehr gibt.

Wie jeder andere werden sich auch die 74 Schüler dieser Schule am heutigen Nationalen Trauertag an Vergangenes erinnern. Dadurch, dass die schrecklichen Jahre weitergehen werden, wird man sich besondere Mühe geben müssen, um etwas zu finden, das die Kinder mit der Besonderheit dieses Tages verbindet. Sie mögen den Sänger Zohar Argov sehr gern und so tragen die Kerzen, die von örtlichen Firmen gespendet wurden, eine Zeile aus einem seiner Lieder: "Ohne dich ist die Welt so einsam." Auch die Namen der Firmen sind in kleinen Buchstaben auf dem Boden der Kerzen eingraviert.

Heute werden die Kinder diese Kerzen trauernden Familien auf dem Herzl-Berg schenken. Andere Schüler werden auf den Sachar-Park-Friedhof in der Hauptstadt gehen. Dort sind die Gefallenen des 1948er-Krieges beerdigt. Nur eine Handvoll Menschen, die diese Gräber pflegen, sind übrig geblieben. Deshalb haben die Schüler die Grabpflege übernommen. Sie tun dies schon das zweite Jahr. Und auch heute werden sie die Gräber pflegen.

Präsident Moshe Katsav sprach gestern abend bei den Feierlichkeiten an der Westmauer vom "Preis, den wir bezahlt haben, um eine freie Nation in unserem Land zu sein". Der Preis ist auch die Kindheit dieser Schüler. Als er über "die Episoden von Mut und Wagemut, die bei Sonnenuntergang verflochten werden mit den Feierlichkeiten am Unabhängigkeitstag" sprach, da sprach er über die Familien, die jedes Jahr an die Mauer kommen. Zu diesen Trauernden gehört auch Dr. Lea Mandelzis, die seit dem Tod ihres Mannes Ya'akov im Yom-Kippur-Krieg vor fast dreißig Jahren an keiner einzigen offiziellen Zeremonie dabei gewesen war und auch keinen einzigen Unabhängigkeitstag gefeiert hat. Der Übergang vom Nationalen Trauertag in die Freude des Unabhängigkeitstages ist für sie zu schwer zu vollziehen, und die Zeremonien haben sie nie angesprochen. "Von Anfang an habe ich mich mit meiner persönlichen Trauer befasst und nicht mit der des gesamten israelischen Volkes", sagt sie. "Für mich sind selbst die Zeremonien auf den Friedhöfen eine große Last, doch ich gehe aus Pflichtgefühl gegenüber Ya'ankalehs Freunden aus der Brigade dorthin, denn diese kommen aus dem ganzen Land angereist. Und ich weiß, dass es Menschen gibt, denen die öffentlichen Feierlichkeiten sehr gut tun. Die Zeremonien sind z. B. sehr wichtig für Ya'ankalehs Vater. Er findet Trost in der Solidarität."

Mandelzis, eine Dozentin der Kommunikationswissenschaften, hat auch ein berufliches Interesse an der Privatisierung des Gedenkens. "Es ist inzwischen in unterschiedliche Bereiche geteilt. Zu den Opfern des Krieges kommen nun die Opfer der Terrorangriffe und die Opfer unter den Sicherheitsbediensteten hinzu. Selbst wenn dies ein vereinigender Tag ist, so vergräbt sich doch jeder in seinem Bereich. Im Organismus der Trauer haben sich Gruppen gebildet."

Seit dem letzten Nationalen Trauertag sind weitere 245 Menschen gefallen. Vielleicht sagen deshalb Nadav Kerem und Ya'akov Sidikman, es sei gut, dass es solche Tage des gemeinsamen Trauerns gibt. "Aber man muss nicht übertreiben, damit die Kinder nicht deprimiert werden."

hagalil.com 06-05-2003

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