Antisemitismus und Auswanderung:
Und der Zauber der Diaspora
Jedioth Achronoth, 20.11.2003
Antisemitismus und Auswanderung stehen dieser Tage
an der öffentlichen Tagesordnung. Diese beiden Themen sind miteinander
verbunden.
Die enormen Erfolge des Zionismus werden von einem
Paradox begleitet: die Befreiungsbewegung des jüdischen Volkes konnte
ihre Ursache nicht beseitigen, den Antisemitismus. Die Väter der
Bewegung hatten recht, als sie sagten, der Antisemitismus werde
zunehmen, je mehr sich die Juden darum bemühten, die Gebräuche ihrer
Gastländer anzunehmen, aber sie lagen falsch mit ihrer Annahme, dass der
Hass verschwinden wird, wenn sich die Juden in ihrem eigenen Land
ansiedeln.
Es stellt sich heraus, dass der Antisemitismus wie ein
Virus ist, der sich neuen Umständen anpasst, ohne dadurch an Giftigkeit
zu verlieren. Zuerst wurden die Juden angegriffen, weil sie angeblich
"Parasiten" seien, die sich in die Organismen ihrer Gastgeber
einschleichen und sie vergiften. Jetzt werden sie angegriffen, weil sie
sich die einfache Eigenschaft angeeignet haben, die jede Nation besitzt,
die leben will: die Bereitschaft, ihr Leben zu verteidigen. Der neue
Antisemitismus wird sicherlich auch durch politische Feindseligkeit,
arabische Propaganda und Dummheit der israelischen Politik angeheizt, er
trifft jedoch auf fruchtbaren Boden. Die antisemitischen Erscheinungen
haben in einem Maß zugenommen, dass sogar die Führer Europas und
Amerikas darauf aufmerksam wurden. Unser AM hat die europäischen
Führungen von der Notwendigkeit einer Verurteilung des Antisemitismus im
Sicherheitsrat überzeugt, und der amerikanische Präsident verurteilte
die Erscheinung in seiner Rede in London.
Was blieb jedoch von Israel als anti-antisemitischer
Faktor übrig? Juden, die über ein historisches Gedächtnis verfügen, sind
der Meinung, die Tatsache, dass sich die Juden in ihrem eigenen Land
selbst schützen und zurückkämpfen können, reiche als Rechtfertigung für
den Zionismus aus. Aber viele Israelis sind heute der Ansicht, die
Möglichkeit, bei einem Anschlag getötet zu werden oder unter der
bedrohlichen Wolke der iranischen Atombombe zu leben, sei nicht besser
als unter den Goim zu leben. Ihre Zweifel nehmen in Anbetracht der
Tatsache, dass der Großteil des jüdischen Volkes es vorzieht, nicht in
Israel zu leben, noch zu.
Die Geschichte der Einwanderung nach Israel beweist,
dass nur wenige Juden aus zionistischen Gründen hierher gekommen sind.
Große Einwanderungswellen fanden nur dann statt, wenn die physische
Sicherheit der Juden im Gastland bedroht war, eine Wirtschaftskrise
herrschte und ihnen der Zugang zu reichen Staaten versperrt war.
Trotz allem ist die Zahl der Abwanderer nicht
besonders hoch, und deshalb hat es auch keinen Sinn, sie mit
finanziellen Vergünstigungen zurückzulocken. Sie und auch die Juden der
Diaspora werden nur in Massen hierher strömen, wenn es ihnen im Exil
schlecht geht und hier nicht. Wenn die Propheten des Zionismus recht
haben, werden die Juden der Diaspora eines Tages ihre Koffer packen
müssen. Sollten sich ihre Prophezeiungen nicht erfüllen, dann werden
wir, die Juden in Israel, uns mit dem, was wir haben, zufrieden geben
müssen. Und diese Prognose sollte unseren Zukunftsplänen zugrunde gelegt
werden.
hagalil.com
23-11-2003 |