Kaum noch Berührungsängste:
Faible für "Made in Germany"
Von Thorsten Schmitz
Der israelische Gesundheitsminister Dany Naveh
gehörte bisher zu den eher stillen Kabinettsmitgliedern. In den
vergangenen Tagen war er jedoch einer der meist gefragten
Interviewgäste überhaupt. Überall appellierte er an Bundespräsident
Horst Köhler, im Parlament nicht auf Deutsch zu reden. Noch kurz vor
seiner Ansprache in der Knesset forderte Naveh in einem drastischen
Vergleich, Köhler solle im Parlament nicht "in der Sprache reden, in
der die Nazis meine Familie in die Gaskammern gelockt haben". Köhler
hielt dennoch die Rede auf Deutsch und wurde in diesem Entschluss
durch prominente Israelis bestärkt.
Oppositionschef Tommy Lapid etwa, der einzige
Holocaust-Überlebende in der Knesset, räumte Köhler
"selbstverständlich" das Recht auf eine deutsche Rede ein. Wer die
Sprache nicht ertrage, solle der Veranstaltung fern bleiben, was bei
Köhlers Vorgänger Johannes Rau, der vor fünf Jahren ebenfalls
Deutsch gesprochen hatte, etwa ein Drittel aller Abgeordneten getan
hatten. Zugleich wies Lapid den Gesundheitsminister darauf hin, dass
nicht die Sprache für den Holocaust verantwortlich gemacht werden
könne - Theodor Herzls wegweisende Schrift "Der Judenstaat" sei
schließlich auch auf Deutsch verfasst worden.
Die Debatte über das Recht eines deutschen
Präsidenten, vor der Knesset in seiner Muttersprache reden zu
dürfen, veranschaulicht das schwierige Verhältnis zwischen dem Staat
der Juden und jenem Staat, der für die Ermordung von sechs Millionen
Juden die Verantwortung trägt. Andererseits täuscht die Debatte auch
darüber hinweg, wie weit sich die Beziehungen normalisiert haben.
Als 1965 der erste deutsche Botschafter nach Tel Aviv entsandt
wurde, bewarfen Israelis sein Auto noch mit Steinen. Heute begrüßt
Israels Staatsoberhaupt Mosche Katzav seinen deutschen Kollegen als
"Freund". Wohl werden in Israel die antisemitischen Vorfälle in
Deutschland registriert, auch äußern sich Politiker irritiert
darüber, dass rechtsextreme Parteien wie die NPD in Parlamenten
sitzen dürfen. Gleichzeitig ist das Vertrauen groß, dass Deutschland
den Antisemitismus und anti-israelische Ausfälle bekämpft.
Das Bewusstsein in Israel über den Holocaust und
die deutschen Nationalsozialisten ist groß. In den Schulen werden
die Jahre 1933-1945 ausführlich diskutiert, jeder Schüler fährt nach
Auschwitz, alle Jahre steht das öffentliche Leben am Holocaust-Tag
für zwei Minuten still. Aber Abneigungen gegen deutsche Produkte
oder deutsche Touristen hegt kaum noch ein Israeli - im Gegenteil.
Berlin populärer als New York
So wie die israelische Regierung deutsche
Rüstungsgüter schätzt und nun Berlin auf die Lieferung von 100
deutschen Truppentransportern des Typs Dingo 2 drängt, so
favorisieren auch Durchschnittsisraelis Produkte "Made in Germany".
VW-Autos des Typs "Golf" sind sehr begehrt, ebenso BMW- und
Audi-Limousinen, aber die können sich wegen der hohen Importzölle
nur die wenigsten leisten.
Israelis haben ein Faible für Jägermeister und
Miele-Waschmaschinen. Auch deutsche DJ's stehen hoch im Kurs, fast
jeden Monat füllt ein Discjockey aus Deutschland die Clubs in Tel
Aviv. Auch deutsche Kino-Filme werden gerne in Israel gesehen, seit
Wochen läuft Fatih Akins "Gegen die Wand" mit hebräischen
Untertiteln. Auch fliegen viele Israelis lieber mit Lufthansa als
mit der staatlichen Airline El Al. Die täglichen Lufthansa-Flüge
nach Frankfurt sind fast immer ausgebucht.
Jugendliche Israelis haben schon gar keine
Berührungsängste mehr mit Deutschland: Berlin, so der Filmemacher
Eytan Fuchs, gelte derzeit als coolstes Reiseziel überhaupt, noch
vor New York.
hagalil.com
04-02-05 |