
Urteil von beispielloser Schärfe:
Sagt nicht Antisemitismus!
Die Diskussion in Haag
bezog sich nicht auf die sicherheitspolitischen Bedürfnisse Israels,
sondern auf das Recht, jüdische, politische Siedlungen im Landesinneren
der Westbank zu gründen.
Von Shlomo Gazit, Maariv, 12.07.04
Es ist schwer, ein weiteres Beispiel
für eine so gerechtfertigte Maßnahme zu finden, die zu einem derart
verachteten Objekt werden konnte wie der Trennzaun, den Israel in der
Westbank errichtet. Am vergangenen Freitag veröffentlichten die Richter
in Haag ein in seiner Schärfe beispielloses Urteil gegen den Zaun, ohne
in einziges Wort des Verständnisses, ohne eine Verurteilung des
palästinensischen Terrors, ohne Rücksichtnahme auf die Opfer dieses
Terrors.
Wir sollten dennoch nicht den
"Antisemitismus der Richter und der Länder, aus denen sie kommen" dafür
verantwortlich machen. Wenn wir das tun, ziehen wir nicht die richtige
Lehre aus dem Urteil.
Als in der UNO beschlossen wurde, das
Thema an den Gerichtshof zu übertragen, war uns klar, dass die
Entscheidung gefallen ist. Wir hätten uns dem Gerichthof gegenüber
anders verhalten können. Vielleicht wäre das Urteil ausgewogener
ausgefallen, auch wenn die Richter zur selben Entscheidung gelangt
wären.
Sind wir doch mal ehrlich: Wir machten
aus dem so wichtigen Zaun eine politische Angelegenheit, und dafür
mussten wir jetzt bezahlen. Die Diskussion in Haag bezog sich nicht auf
die sicherheitspolitischen Bedürfnisse Israels, sondern auf das Recht,
jüdische, politische Siedlungen im Landesinneren der Westbank zu
gründen.
Wir müssen gar nicht bis nach Haag gehen.
Es genügt, den Gazastreifen zu betrachten, die Grenze zum Libanon und
das Oberste Gericht in Jerusalem.
Vor zehn Jahren errichtete Israel einen
Sicherheitszaun entlang der Grenze zum Gazastreifen. Dieser Zaun hat
sich zweifach bewiesen: Einerseits verhinderte er das Eindringen
palästinensischer Terroristen in unser Gebiet, und andererseits wurde
ein Zaun errichtet, dessen Verlauf von niemandem beanstandet wird. Weder
von der palästinensischen Führung, noch auf internationaler Ebene- und
nicht einmal von den jüdischen Siedlern innerhalb des Gazastreifens.
Nach dem Abzug aus dem Libanon errichtete
die IDF einen Sicherheitszaun entlang der Grenze. Dieser Zaun erfüllt
ebenfalls zwei Bedingungen: Er verhindert das Eindringen von
Terroristen, und er wird nicht beanstandet.
Und letzten Endes- das Urteil des
Obersten Gerichts. In seinem Urteil bestätigte es die
sicherheitspolitische Aufgabe des Zauns in der Westbank, übte jedoch
scharfe Kritik an seinem Verlauf. Wir sollten uns die Frage stellen,
warum der nördliche Teil des Zauns keinerlei Protest auslöste, der erste
Teil, der gebaut wurde. Die Antwort ist klar: dieser Teil wurde entlang
der Grünen Linie errichtet, oder zumindest so nahe an ihr wie möglich,
ohne Eindringen in die Tiefe palästinensischer Gebiete.
Die umstrittenen Teile des Zauns sollen
nicht gebaut werden, um das Eindringen von Terror in israelisches Gebiet
zu verhindern, sondern sie erfüllen nur ein Ziel: die jüdischen
Siedlungen in der Westbank zu schützen.
Die Debatte in Haag befasste sich nicht
mit der Sicherheit Israels, nicht einmal mit der Sicherheit der
jüdischen Siedlungen. Der Verlauf des Zauns, der die Siedlungsblocks
umgibt, legt eine politische Tatsache fest, eine neue Grenze, und
annektiert diese Siedlungen de facto an Israel.
Und noch eine Anmerkung, und zwar zum
Thema Öffentlichkeitsarbeit. Israel konzentriert sich hier auf eine
irrelevante Frage. Wir haben die Terroropfer und ausgebrannte Busse
ausgestellt, aber das konnte niemanden davon überzeugen, dass die
Anschläge nicht auch verhindert werden könnten, wenn der Zaun entlang
der Grünen Linie errichtet würde.
Im Gegenteil. Ein Zaun entlang der Grünen
Linie wäre kürzer und deshalb schneller fertig, und darüber hinaus auch
noch billiger. Vor allem würde er seine Aufgabe erfüllen, ohne den Zorn
der Welt auf uns zu richten.
Die Diskussion über den Verlauf des
Trennzauns ist noch nicht beendet, und wir sollten die Lehre aus dem
Urteil in Haag ziehen, bevor wir noch einmal den Kürzeren ziehen müssen.
hagalil.com
13-07-2004 |