Die Zweifel einer bedrohten Demokratie
Um größeres Unheil zu verhindern, muss
man auch als moralischer Mensch in manchen Fällen ein Unrecht in
Kauf nehmen.
Yaron London
Das Problem ist, dass die moralische
Übertretung manchmal eindeutig, der Nutzen jedoch zweifelhaft ist.
Die Zerstörung der Häuser von Angehörigen von Terroristen und deren
Ausweisung wird damit gerechtfertigt, dass wir keine andere Wahl
haben, als zu solchen Maßnahmen zu greifen, wenn wir überleben
wollen.
Die Befürworter solcher Strafen argumentieren vom
Nützlichkeitsstandpunkt her: wenn sie den Mord von Juden verhindern
können, solle man nicht davor zurückscheuen. Zeugenaussagen von
Terroristen, die abgefangen wurden, bevor sie ihren Plan ausführen
könnten, überzeugen unsere Experten für die palästinensische
Mentalität, dass die Terroristen auf ihr Tun verzichten würden, wenn
sie wüssten, dass ihre Familien grausam bestraft werden.
Der Oberste Gerichtshof nahm diese Argumentation
an und erlaubte gestern der Armee, Häuser zu zerstören, ohne den
Einwohnern Zeit zu lassen, Berufung dagegen einzulegen. Es knüpfte
zwar die Bedingung daran, dass die sofortige Zerstörung einem vital
notwendigen, dringenden Sicherheitsbedürfnis entgegenkommt, doch bei
wem sollen sich die Besitzer der zerstörten Häuser beschweren, und
was hat ihre nachträgliche Beschwerde für einen Sinn?
Die Schwäche der Prämisse, auf die der Oberste
Gerichtshof seine Entscheidung stützt, liegt darin, dass die Methode
sich in der Vergangenheit als Fehlschlag erwiesen hat. Bis heute
haben wir ca. 6.000 Häuser zerstört, Tausende ausgewiesen und
zahllose Familien von Terroristen auf verschiedenste Weise bestraft.
Gibt es einen Beweis dafür, dass uns das genützt hat? Vielleicht
trifft eher das Gegenteil zu. Es kann sich herausstellen, dass unser
Vergehen nicht gerechtfertigt werden kann und dass es für sich
steht, als ein Mahnmal unserer Dummheit und Bosheit.
Anders liegt die Sache, wenn jemandem, der ein
Vergehen gegen die Sicherheit des Staates begeht und das Vertrauen
missbraucht, das der Staat ihm entgegenbringt, die
Staatsbürgerschaft abgesprochen wird. Diese Strafe trifft keinen
Unschuldigen, sie ist gerecht und verursacht keinen Schaden.
Trotzdem wirft diese drakonische Maßnahme eine Reihe komplizierter
Fragen auf:
Erstens, wie man den Vertrauensbruch gegen den Staat definiert -
genügt bereits die Planung von Akten gegen die Staatssicherheit und
fallen auch z. B. schwere Wirtschaftsvergehen darunter, die unseren
Staat empfindlich schwächen?
Zweitens: kann man nur israelischen Palästinensern die
Staatsbürgerschaft entziehen oder auch Juden, die der
Staatssicherheit vielleicht mehr geschadet haben als die drei, denen
man jetzt die Staatsbürgerschaft aberkennen will? Sind die Vergehen
von Vanunu, Dr. Klingberg, Nachum Manbar und der Bande, die
Terroristen Waffen verkauft hat, weniger schlimm als diejenigen der
drei israelischen Palästinenser? Ist es annehmbar, dass die
Verhängung einer solch schweren Strafe einem Politiker überlassen
wird? Sollte man die Entscheidung nicht lieber einer richterlichen
Instanz überlassen?
hagalil.com
11-08-02 |